Berlin Open Data: Was haben Früchte mit Regierungsdaten zu tun?


Grafik von Stefan Wehrmeyer
In Ländern wie Großbritannien elektrisiert Open Data die Massen. In Deutschland steht man, was die Öffentlichkeitswirksamkeit von offenen (Regierungs)Daten anbetrifft, noch ganz am Anfang. Am heutigen “Berlin Open Data Day” ist der Startschuss in eine Ära abgefeuert worden. Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki war dabei. Update blau.

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Sagen wir, Sie interessieren sich dafür, dass in Ihrer Nachbarschaft oder sonstwo in Ihrer Stadt Äpfel, Pflaumen und andere Früchte an öffentlich zugänglichen Bäumen wachsen – Sie haben es buchstäblich satt, Ihr Geld im Laden zu lassen und dabei zuzusehen, wie “public fruits” vergammeln. In diesem Fall ist Mundraub die Orientierungshilfe, auf die Sie schon lange gewartet haben. Die Live-Karte zeigt Ihnen, wo betreffende Bäume stehen. Mehr noch: Sie können selbst Infos einspeisen, um Ihnen bekannte Bäume erfassbar zu machen.

Sagen wir also, Sie begeistern sich für sowas. Werden Sie aber auch Feuer und Flamme sein, wenn Ihre Lokalregierung Ihnen alle Daten offenlegt? Sprich: Ihnen alles mögliche über beispielsweise Haushaltsmittel oder anderweitige Finanzen zugänglich macht? Daten von öffentlichen Obstbäumen und Regierungsdaten liegen – was Sexyness anbetrifft – weit auseinander. Außer letztere werden skandalisiert. Doch muss es soweit kommen?

Es tut sich was

Die Aktionsplattform Berlin Open Data sagt: nein. Sie bündelt und initiiert Berliner Datenprojekte, die nicht nur offen sein, sondern auch eine Öffentlichkeit erreichen wollen. Kein leichtes Unterfangen. Nach WikiLeaks wissen wir: Transparenz ist sexy – wenn am Drehbuch ein Spionage-Thriller-Autor mitschreibt. Open Data in Reinform hört sich dagegen erstmal langweilig an. Wer aber die Vielfalt der Projekte in Betracht zieht, könnte eines Besseren belehrt werden.

Grafik von Offener Haushalt

Auf dem Berliner Open Data Day wurden die coolsten Projekte vorgestellt, so unterschiedlich wie Mundraub, Wheelmap (wir berichteten), ÖPNV-Daten und bePart. Mehr als 20 Kurzpräsentationen von MacherInnen, die teils noch die Frische des Erstsemestlers hatten, teils schon habilitierte ProfessorInnen waren, teils ihr Projekt noch vor dem ganzen Hype um Open Data und Open Government angefangen hatten (etwa Berliner KiezAtlas). Alles noch lange nicht so explosiv wie in Großbritannien. Dennoch: Es herrscht Aufbruchstimmung in Berlin. Und das ist kein Déjá Vu am Neuen Markt. Sondern ein Neubeginn beim Senat für Technologie, Wirtschaft und Frauen.

Keine Geduld, kein Geld

Die Open Data Community, zwischen Transparenz-AktivistInnen, DatenjournalistInnen und BlogerInnen aufgestellt, will die Öffnung der Datenbestände so schnell wie möglich. Notfalls fragt man erst gar nicht, sondern bedient sich selbst und entschuldigt sich später – diesen Ethos verkörpert in der Szene beispielsweise Hack de Overheid (“die Regierung hacken”). Doch die Mühlen mahlen langsam – etwas anderes ist man von staatlichen Behörden auch nicht gewohnt. Abgesehen davon fragt man sich: wer soll eigentlich dafür bezahlen? Die NutzerInnen wollen natürlich alles umsonst. Alles andere wäre ja auch absurd. Schließlich geht es um die Daten, die BürgerInnen ohnehin schon gehören, Daten, die “ihre” Regierung akkumuliert und konstituiert.

Doch die digitale Gratisökonomie hat Tücken. Im Netz liegen Post-Copyright und Post-Privacy dicht beeinander – sprich: Open Data und Google. Tatsächlich wurden beim heutigen Projekt-Marathon nicht wenige Ideen, Vorhaben und Unternehmungen vorgestellt, die mit Google-Tools operieren. Wenn das Kostenlos-Prinzip nur zum Preis der Google-Datenfressermaschine zu haben ist, dann sind wir von Open Data im Sinne von Daten als Gemeingut noch recht weit entfernt. Kurz: Berlin bleibt eine Baustelle. Das ist eigentlich auch ganz gut so, oder?

Anm.d.Red.  Die oben verwendete Grafik stammt von der kollaborativen Prozessmodellierungsplatform BPMN-Community.org und sie hat, wie Stefan Wehrmeyer uns in einer Mail mitteilt, “nicht sehr viel mit Open Data zu tun.” Wir haben sie verwendet, weil sie das Thema des Texts gut illustriert: Früchte, Daten, Prozesse, nach denen Menschen greifen. Wir haben auf Stefans Anregung hin, eine zusätzliche Grafik eingebaut. Ein gelungenes Beispiel zu OpenData, das auch am BODDy vorgestellt wurde: Offener Haushalt. 19.5., 14:20 Uhr.

25 Kommentare zu “Berlin Open Data: Was haben Früchte mit Regierungsdaten zu tun?

  1. @#3: dieses Tool wird immer wieder empfohlen, auch von professionellen Datenbloggern. Bei dem Berliner Open Data Day tauchte es auch bei wenigstens einem Projekt auf.

    Wer es benutzt, teilt nicht nur seine Resultate, sondern auch seine Daten mit IBM (dem Hersteller). Inwiefern sich deren Geschäftsbedingungen von Google, Facebook & Co. unterscheiden?

    Die Privacy Statesments hier:
    http://www.ibm.com/privacy/us/en/

  2. Resonanz auf die Kritik in diesem Artikel gibt es auch bei netzpolitik.org:

    Sven Geggus sagt:

    mundraub.org verwendet google Maps und kein Openstreetmap das macht es für mich eigentlich schon wieder uncool. OSM mit Openlayers ist echt keine Kunst mehr.

    markus sagt:

    @Sven Geggus: Klar wäre es in richtig frei schöner, aber manchmal zählt auch einfach eine gute Idee (Die dann jemand anderes in frei nachbauen kann).

    Jens Best sagt:

    Noch cooler wäre es natürlich, den Leuten zu helfen, ihre Site auf OSM zu portieren und an der usability von OSM zu arbeiten.

    Deine Hausbrauerei-Map ist auch eine gute Idee, aber irgendwie halt auch nicht open.

    ( http://www.netzpolitik.org/2011/berlin-open-data-day-die-coolsten-projekte/#comment-424629 )

  3. The Personal Data Revolution
    It’s possible for the average person to collect and analyze unprecedented amounts of data about themselves. What was once the province of extreme athletes and dieters has been democratized and the resulting movement is called ‘The Quantified Self.’ Brooke speaks with Gary Wolf, who coined the term, a number of self-quantifiers, and MIT professor Deb Roy about what all this personal data really tells us about ourselves.

    http://www.onthemedia.org/transcripts/2011/05/13/01

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