Der so genannte Fachkräftemangel schlägt sich auch im Justizvollzug nieder: Derzeit sind in Deutschland in diesem Bereich 2000 Stellen unbesetzt. Das wirkt sich negativ auf die Haftbedingungen von Gefängnisinsassen aus, sowie auf die Arbeitsbedingungen in den JVAs. Wie in anderen Bereichen – Pflege, Sozialarbeit, Bildungsarbeit – ist die gesellschaftliche Abwertung der Jobs ein Teil des Problems, argumentiert der Jurist Lorenz Bode in seinem Beitrag.
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Eigentlich hatte man gehofft, der Personalmangel im Vollzug ließe sich beheben. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern ist in den letzten Monaten akuter geworden. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands spricht aktuell von bundesweit rund 2.000 unbesetzten Stellen. Das sind vor allem Stellen im Bereich des sogenannten allgemeinen Vollzugsdienstes. Diese Bediensteten stehen zumeist in unmittelbarem Kontakt mit den Gefangenen. Personalmangel in diesem Bereich ist daher nicht nur bedauerlich, sondern auch gefährlich – und zwar für alle Beteiligten. Doch der Reihe nach.
Personalmangel im Vollzug kann die Sicherheit im Gefängnis erheblich gefährden. Es mangelt an Aufsicht, Hafträume werden seltener kontrolliert und psychisch auffällige Gefangene weniger betreut. Hinzu kommt die Gefahr, das vorhandene Personal zu überlasten. Um den Dienstbetrieb im Gefängnis trotz Personalmangel aufrechtzuerhalten, leistet das Stammpersonal oft Überstunden und Mehrarbeit. Nicht zu vergessen: Das geschieht in einem Bereich, der von den Bediensteten ohnehin eine besondere Wachsamkeit und hohe Sozialkompetenz verlangt.
Aber auch für die Gefangenen ist anhaltender Personalmangel schwer erträglich, denn er kann ihre Resozialisierung gefährden. Das geht los mit fehlenden Freizeitangeboten und reicht hin bis zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen, genannt Lockerungen. Diese Maßnahmen sollen auf das Leben in Freiheit und damit auf die Zeit nach der Inhaftierung vorbereiten.
Fehlen sie, ist das für die Menschen im Gefängnis ein großes Problem. Kaum Lockerungen oder gestrichene Sport- und Freizeitmaßangebote können sogar zum Konflikt mit dem Resozialisierungsgebot führen. Dieses Gebot genießt Verfassungsrang, wie das Bundesverfassungsgericht 1973 in der berühmten Lebach-Entscheidung klargestellt hat. In der Entscheidung heißt es dazu:
„Vom Täter aus gesehen erwächst dieses Interesse an der Resozialisierung aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. Verb. m. Art. 1 GG. Von der Gemeinschaft aus betrachtet verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Vor- und Fürsorge für Gruppen der Gesellschaft, die auf Grund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind; dazu gehören auch die Gefangenen und Entlassenen.“
Was folgt aus alledem? Zunächst die Einsicht, dass Personalmangel im Vollzug nicht hinnehmbar ist, und zwar sowohl aus Gründen der Sicherheit als auch im Hinblick auf die Resozialisierung der Gefangenen. In zweiter Linie bedeuten die Überlegungen, dass der Druck steigt und Veränderungen herbeigeführt werden müssen.
Handeln müssen einerseits die Justizverwaltungen der Länder, denn sie sind für die Nachwuchsgewinnung im Vollzug zuständig. Keine leichte Aufgabe, zugegeben. Denn es geht um eine Steigerung der Attraktivität bei gleichzeitiger Betonung der besonderen Herausforderungen, die das Arbeitsumfeld mit sich bringt. Man braucht hier keine Rambos, sondern Menschen, die in ihrer Persönlichkeit gefestigt und anderen Menschen zugewandt sind.
Andererseits ist dieser Personalmangel auch ein Stück weit gesellschaftsbedingt. Über lange Zeit – vor allem befeuert durch die Berichterstattung in den Boulevardmedien – hat man Menschen, die sich als Vollzugsbedienstete für die Resozialisierung von Gefangenen einsetzen, zu „Schließern“, „Wärtern“ oder gar „Aufsehern“ degradiert. Das drückt Geringschätzung für diese Aufgabe und den heutigen Vollzug aus. Das hat etwas mit dem Berufsbild gemacht und es teilweise in Misskredit gebracht. Nur mit Mühe kann man dem entgegenwirken. Den Personalmangel im Vollzug zu kritisieren, ist daher immer auch ein Stück weit Gesellschaftskritik.