Black Box East: Intersektionale Erkundungen “postkommunistischer” Labore der Globalisierung

Während die globale geopolitische und ökonomische Umstrukturierung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie den Niedergang der westlichen Dominanz beschleunigt, befindet sich der als “der Osten” bezeichnete “postkommunistische” Raum in einem Schwebezustand zwischen emanzipatorischer Mobilisierung und zunehmender Verhärtung struktureller Probleme. Das Projekt BLACK BOX EAST der Berliner Gazette (BG) nimmt den Fall der BRD als Ausgangspunkt: die Annexion der “kommunistischen” DDR bildete die Grundlage für eine unternehmerische Agenda (im Osten Europas und darüber hinaus), die längst ein kritisches Limit erreicht hat. Die Entstehung “des Ostens” aus diesem Blickwinkel zu analysieren, bedeutet nicht zuletzt, in “postkommunistischen” Laboren der Globalisierung das schlummernde Potenzial für Alternativen zu erkunden. Die Berliner Gazette-Herausgeber*innen Magdalena Taube und Krystian Woznicki stellen das Anliegen vor.

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I. Im Jahr 2019 stellte ein deutschsprachiges Magazin die Frage “Tickt der Osten wirklich anders?” auf seinem Cover. Damit brachte es implizit eine weit verbreitete Tendenz auf den Punkt: “Der Osten” wird als ein kaum fassbares historisches Objekt romantisiert; und er wird als das Andere konstruiert. Nach Ernesto Laclaus Populismustheorie wird “der Osten” damit zum konstitutiven Außen – also zu jenem Anderen, das in einer Alteritätsstruktur die Bedingung für das Entstehen eines Innen, hier: der Identität des wiedervereinigten Deutschlands, ist. In dieser Funktion wird “der Osten” als imaginäres Objekt des kapitalistischen Expansionismus und der Eroberung konstruiert.

Bezeichnenderweise wurde das Gebiet, das die DDR ausgemacht hatte, als “die neuen Länder” neu erfunden und in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Symbolik kolonialer Eroberungen “ferner Länder” evozierend, steht die seit 1990 gebräuchliche Wendung “die neuen Länder” sowohl für das imperiale Kalkül eines expandierenden Nationalstaates als auch für die Expansion westlichen Kapitals en gros.

Dass die “neuen Länder” oft synoym für “den Osten” als ein kaum fassbares historisches Objekt dargestellt werden, dient verschiedenen Interessen, die die politischen Verhältnisse nach dem Fall der Mauer und im Zuge der so genannten “Wiedervereinigung” prägten. So hat nicht zuletzt die Privatisierung von Staatsbetrieben dazu geführt, dass öffentliche Einrichtungen in private, profitorientierte Firmen umgewandelt wurden. Das Othering “des Ostens” hatte somit eine entscheidende Bedeutung für die Strategie des Black Boxing, die wiederum der Schlüssel zum Privatisierungsprozess ist: Im Hinterzimmer, unzugänglich für die Öffentlichkeit, konnten Deals gemacht werden, die sich auch heute noch in mancher Hinsicht dem unmittelbaren Verständnis entziehen. Dies begünstigte den Vormarsch dessen, was sich zugespitzt als Mafia-Politik des Neoliberalismus bezeichnen ließe.

Ein Beispiel wäre der Fall der Treuhandanstalt, umgangssprachlich Treuhand genannt. Sie wurde 1990 von der Regierung der DDR gegründet, um die volkseigenen Betriebe (VEB) der DDR zu privatisieren oder zu reprivatisieren. Vom Stahlwerk bis zum Filmstudio kontrollierte die Treuhand – damals das größte Industrieunternehmen der Welt – die Umstrukturierung und den Verkauf von rund 8.500 volkseigenen Betrieben mit über vier Millionen Beschäftigten und organisierte damit letztlich den Übergang der DDR vom “Kommunismus” zum Kapitalismus. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurde dieser Übergang in Windeseile und unter Hochdruck eingeleitet – eine Art Schocktherapie, deren psychosoziale Folgen sich mit dem von der Soziologin Yana Milev geprägten Begriff des “Treuhand-Traumas” treffend beschreiben lassen.

Aus dem ehemaligen Westdeutschland kamen nicht nur unzählige Profiteure der Privatisierung, sondern auch die so genannten Fachkräfte, die “über Nacht” alle relevanten Entscheidungspositionen in Politik und Wirtschaft besetzten. Die “Übernahme” – wie der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk diese Expansion des neoliberalen Nationalstaates nennt – wurde durch die Konstruktion des opaken Ostens begünstigt. Schließlich konnte die vermeintliche Andersartigkeit “des Ostens” als eine quasi natürliche Undurchsichtigkeit präsentiert werden, unter der auch der Privatisierungsprozess ebenso selbstverständlich als jenseits des Lichts rationaler Verständigung erschien – und noch immer erscheint. Somit ermöglicht das Blackboxing “des Ostens”, Mechanismen der Ausbeutung, Machtmissbrauch und die Privatisierungsbedingte Verschärfung struktureller Probleme zu verschleiern. Dies wiederum hat ideale Bedingungen für einen tendenziell rechtsfreien Raum geschaffen: Subventionsmittelmissbrauch, Korruption, Wirtschaftskriminalität und organisierte Kriminalität aus dem ehemaligen West- und Ost-Deutschland und darüber hinaus.

Auf diesem sumpfigen und wohl auch deshalb selten näher untersuchten Boden wuchs das vereinigte Deutschland als expansiver, unternehmerischer und letztlich neoliberaler Nationalstaat, der zum Möchtegern-Hegemon der EU werden sollte. Damals wie heute ist der Schlüssel zu Deutschlands “ethischem Imperialismus” die viel beschworene Opazität “des Ostens”: Sie kann als Intransparenz und damit als Legitimation für die angeblich “zivilisatorischen” Therapien und Impositionen des Westens dargestellt werden; gleichzeitig kann eben diese Opazität dazu benutzt werden, laufende neoliberale Privatisierungsprozesse in Obskurantismus zu hüllen, also jenseits des Lichts rationalen Verstehens und demokratischer Kontrolle.

II. Deutschlands Kapazitäten als Plattform für das globale Kapital hängen heute entscheidend davon ab, ob es gelingt, Ostdeutschland als Knotenpunkt globaler Logistiknetzwerke und weitgehend undurchsichtiger Lieferketten aufrechtzuerhalten, als vermeintlich perfektes Territorium für deterritorialisierte, transnationale Konzerne und ihre Niederlassungen, Fabriken, Lager und Callcenter. Währenddessen unterstützen die sogennanten Leitmedien die kapitalistischen Interessen Deutschlands durch das kontinuierliche Othering “des Ostens” und verstärken so dessen Blackbox-Nimbus.

Ob in Onlin oder Print: Romantisierende Projektionen – sowohl positiv als auch negativ – prägen die Medienlandschaft. Auf der einen Seite gibt es gut gemeinte Darstellungen. Wolfgang Schäuble etwa, ehemals Innen- und Finanzminister und seit 2017 Präsident des Deutschen Bundestages, steuerte einen Text in einer linken Tageszeitung zum 30-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung bei. Darin beschrieb Schäuble eine Erfahrung, aus der alle lernen können – die Anpassung an den extremen gesellschaftlichen Wandel, kurz: die Globalisierung – und schrieb: “Mancher pflegt geradezu den eigenen Opferstatus, statt selbstbewusst da­rauf zu verweisen, den Menschen im Westen eine wertvolle Erfahrung vorauszuhaben: die Anpassung an massive gesellschaftliche Umwälzungen. Es würde nachhaltig zur inneren Einheit beitragen, angesichts der Zumutungen von Globalisierung und Digitalisierung, die vor den westlichen Gesellschaften nicht haltmachen, diesen Erfahrungsvorsprung gesamtgesellschaftlich zu erkennen und gemeinsam zu nutzen.”

Selbst während der Covid-19-Pandemie wurde zunächst “der Osten” als Vorbild dargestellt. Deutschland war im Frühjahr 2020 eines der Epizentren in Europa, und doch war die Zahl der Fälle nicht überall gleich hoch. Es gab Bundesländer im ehemaligen Westen wie Nordrhein-Westfalen und Bayern, die überdurchschnittlich stark betroffen waren, und einige, die viel weniger oder praktisch gar nicht betroffen waren. Die Bundesländer im ehemaligen Osten etwa zeichneten sich durch auffällig niedrige Infektionsraten aus. Als Phänomen gefeiert, wurden die Raten damit erklärt, dass im “Osten” die Königsdisziplinen der Globalisierung – vor allem die Mobilität – perfekt dosiert praktiziert werden. War “der Osten” am Ende nicht nur die Avantgarde der Globalisierung, wie Schäuble sie sich wenige Monate zuvor vorgestellt hatte, sondern sogar die bessere, nachhaltigere Avantgarde der Globalisierung?

Natürlich musste das Narrativ nur ein paar Monate später geändert werden, als Sachsen und Thüringen im Spätherbst 2020 überdurchschnittlich hohe Zahlen verzeichneten. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, blieb die Aura der Andersartigkeit unversehrt. Dies wurde dadurch unterstützt, dass neben positiv gefärbten Projektionen auch diverse negative Projektionen in den Medien im Umlauf blieben. Eine erneute Verschärfung neofaschistischer Gewalt verstärkte das Narrativ, das “den Osten” als “Dunkeldeutschland” und “regressive Avantgarde der Gegenglobalisierung” darstellt: als Rückzugsort für Menschen, die sich danach sehnen, der Globalisierung mit all ihren Komplexitäten, Nebenwirkungen und Problemen in die Innerlichkeit einer imaginären Heimat zu entkommen. In diesem Narrativ erscheint “der Osten” als ein Ort, den nur Neofaschisten (natürlich viele aus dem Westen) wirklich begreifen können. Entsprechend erscheint es nur als allzu logisch, dass im Jahr 2017 zum ersten Mal seit dem Ende des Nationalsozialismus eine rechtsextreme Partei, die “Alternative für Deutschland”, in den Bundestag einziehen konnte – angeführt von Politikern aus “dem Westen” und unterstützt mit Stimmen aus “dem Osten”.

In diesem Sinne war es ein Leichtes, der “regressiven Avantgarde der Gegenglobalisierung” die Schuld dafür zu geben, dass sich das Coronavirus plötzlich auch im “Osten” ausgebreitet hatte. Tatsächlich unterstützten nicht wenige Linke vielleicht ungewollt besagtes Othering-Narrativ, indem sie behaupteten, dass “ein paar maskenlose Demonstrationen von Neofaschisten und Identitären genügten, um “den Osten” in ein Epizentrum der Covid-19-Pandemie zu verwandeln.” Derweil konnten diejenigen, die sich normalerweise an die positive Version des “Ostens” klammern, den Regressivisten vorwerfen, dass sie den vermeintlichen “Erfahrungsvorsprung”, der dazu hätte beitragen können, dem Virus als Produkt der Globalisierung auf Augenhöhe zu begegnen, nicht zur Geltung gebracht hatten.

Je genauer die Sache betrachtet wird, desto deutlicher zeigt sich, dass der Black-Box-Charakter “des Ostens” verstärkt und gewissermaßen immunisiert wird, wenn die beiden Narrative (“Avantgarde der Globalisierung” und “regressive Avantgarde der Gegenglobalisierung”) gegeneinander positioniert und als unvereinbar dargestellt werden. Daher ist es umso wichtiger, darauf hinzuweisen, dass sich die beiden Narrative keineswegs gegenseitig ausschließen. Wie auch andere “postkommunistische” Staaten zeigen, z.B. Polen, Ungarn, Serbien und Kroatien, wo der Übergang vom “Kommunismus” zum Kapitalismus von Deutschland und seinen Partnern gewinnbringend vermittelt wurde, sind neoliberale Privatisierung und ein Wiederaufleben des Faschismus durchaus vereinbar. Mehr noch, beide bedingen sich bis zu einem gewissen Grad gegenseitig und sind konstitutiv füreinander, wie zum Beispiel der Kulturanthropologe und Gesellschaftstheoretiker Joseph Grim Feinberg herausgestellt hat.

Während neofaschistische Bewegungen und Parteien in Osteuropa Freiheit und Wohlstand zu knappen Gütern erklären, erheben sie die Survival-of-the-fittest-Maxime des Neoliberalismus zum Fluchtpunkt für “alle bedrohten Ureinwohner*innen”: Um die Verteilung knapper und begehrenswerter Güter – materiell oder immateriell – soll nur unter einer ausgewählten Gruppe, nämlich unter “Ureinwohner*innen”, gekämpft werden; alle anderen sollen an diesem Wettbewerb gar nicht erst teilnehmen dürfen. Vor diesem Hintergrund kann das Unboxing “des Ostens” erreicht werden, indem die beiden Narrative (“Avantgarde der Globalisierung” und “regressive Avantgarde der Gegenglobalisierung”) zusammen gelesen werden. Eine der tieferen Wahrheiten, die dabei zutage treten können, ist, dass das zweifache Othering “des Ostens” notwendig ist, um eine scheinbar perfekte Black Box zu schaffen. Mit anderen Worten, nur aufgrund des zweifachen Othering des “Ostens” kann er so bequem als undurchsichtiger Raum funktionieren, der das Wissen über seine internen Abläufe blockiert.

Wie sieht aber die wirtschaftliche, politische und soziale Realität eines solchen Blackbox-Labors der Globalisierung aus? Lassen sich darüber überhaupt irgendwelche qualifizierten Aussagen treffen? Eines scheint sicher: Die “neuen Ländern” entwickeln sich im zunehmenden Maße zu “gescheiterten Ländern” (failed states), die durch intransparente, sich der demokratischen Kontrolle entziehende politisch-wirtschaftliche Strukturen regiert werden. Beispielsweise laufen die wesentlichen Prozesse in den Logistik-Hubs Ostdeutschlands buchstäblich im Dunkeln ab, also nachts, wenn die meisten Menschen schlafen (zum Beispiel im Amazon Fulfillment Center in Brieselang bei Berlin oder im DHL-Hub in Leipzig). Schließlich brauchen Kapitalströme keinen Schlaf und scheinen sich gerade deshalb der Wachsamkeit der zivilgesellschaftlichen Akteure zu entziehen. Mittlerweile ist Ostdeutschland zum Lohndumping- und Niedriglohngebiet, zum Eldorado für Niederlassungen, Montagehallen und Lager von Logistikimperien und nicht zuletzt zu einer permanenten Zwischenstation für eine prekarisierte Arbeiterschaft geworden.

Arbeitsmigrant*innen, die die Systemlücken füllen und gleichzeitig als Sündenböcke für die prekären Entwicklungen fungieren, können doppelt instrumentalisiert werden. Der (inoffizielle) Wert als doppelt “unverzichtbar” (bzw. “system-relevant”) ist ein Schlüssel zum Verständnis des “Ostens” als Laboratorium der Globalisierung: Exportorientierte Lieferkettenökonomien wie Deutschland profitieren nicht nur von den niedrigen Kosten billiger Produktmodule, sondern auch von den niedrigen Kosten der Arbeiter*innen, die wie die Module entlang der logistischen Lieferketten in Bewegung gehalten werden, um die Gewinnmargen zu optimieren. Oftmals bedeutet dies, dass eben diese Arbeiter*innen den letzten Schliff an Produkten vornehmen, deren Teile zunächst in ihren Heimatländern, z.B. in Osteuropa, billig zusammengebaut wurden und dann am Ende mit einer erheblichen Marge genau dorthin verschoben und verkauft werden.

“Postkommunistische” Labore der Globalisierung zu ent-schließen bedeutet also, das doppelte Othering “des Ostens” zu hinterfragen. Diese Aufgabe ist umso herausfordernder, als dieses Othering trotz (oder vielleicht gerade wegen) der sich auflösenden Hegemonie “des Westens” weiterhin dazu beiträgt, dass sich das Interesse am Innenleben der Black Box in Kämpfen um die Alteritätsstruktur “des Ostens” und seine Funktion als konstitutives Außen erschöpft. Infolgedessen werden politische, ökonomische und soziale Kraftfelder, wenn überhaupt, dann nur stark verzerrt wahrgenommen. Entsprechend können die Herausforderungen, die die Prozesse und Folgen des Othering für die Zivilgesellschaft mit sich bringen, nur unzureichend bearbeitet werden. Derweil kann das Potenzial progressiver zivilgesellschaftlicher Akteure (etwa Feminist*innen und Sozialist*innen, Anti-Faschist*innen und Anti-Rassist*innen, aber auch Commons- und Klima-Aktivist*innen, sowie Asyl- und Anti-Anti-Semitismus-Aktivist*innen) ebenso wie das Potenzial von alternativen Erzählungen und Politiken, die aus der “postkommunistischen” Erfahrung erwachsen, ungenutzt bleibt.

III. Im Anschluss an die Erkundungen unsichtbar gemachter Arbeit im Rahmen von SILENT WORKS, verfolgt das 2021er BG-Projekt BLACK BOX EAST zwei Ziele. Erstens, progressive zivilgesellschaftliche Akteure, die in Ostdeutschland und anderen Regionen Europas und der Welt aktiv sind, zu unterstützen und zu vernetzen. Zweitens, internationale Diskussionen an der Schnittstelle von politischer Ökonomie und Globalisierung, Migration und Digitalisierung zu erforschen und zu vernetzen und damit frischen Wind in aktuelle Debatten über “den Osten” und “postkommunistische” Staaten insgesamt zu bringen. Beide Ziele kann die BG mit ihrer langjährigen Diskurs- und Organisationserfahrung und mit einem “organisch” gewachsenen internationalen Netzwerk realisieren.

Ostdeutschland als Ausgangspunkt für eine kritische Untersuchung von Globalisierungsprozessen zu nehmen, bedeutet, es aus verschiedenen internationalen Perspektiven zu betrachten und “den Osten” innerhalb, gegen und jenseits nationaler Grenzen neu zu denken. Teilnehmer*innen aus mehr als 30 Ländern sind eingeladen, sich auf eine ähnliche Erkundung einzulassen. Am Ende können sich Schnittpunkte ergeben, die gemeinsame, nicht auf einen bestimmten Nationalstaat begrenzte Diskurswege generieren. Mit anderen Worten: Das Projekt verengt seinen Horizont nicht auf Ostdeutschland, sondern interveniert auf einer internationalen Bühne. Im Zuge dessen sollen drei Dimensionen der BLACK BOX EAST untersucht werden: Erstens wollen wir untersuchen, wie die besagte Black Box konstruiert ist und wessen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen sie dient. Zweitens wollen wir erkunden, welche wirtschaftlichen und politischen Realitäten die Black Box verbirgt und begünstigt. Drittens möchten wir einen gemeinsamen – und vor allem dekolonialen – Diskurs über und aus “dem Osten” heraus schaffen und damit nicht zuletzt Strategien entwerfen, die Black Box zu ent-schließen und zu einem gemeinsamen Raum transnationaler Kämpfe umzucodieren.

Zu diesem Zweck möchte das Projekt BLACK BOX EAST den folgenden Fragen nachgehen: Was bedeutet es, die Instrumentalisierung von prekären (und oft migrantischen) Arbeitskräften herauszufordern? Was bedeutet es, kollektive Strategien für Arbeitskämpfe einzusetzen, wenn ein signifikanter Teil der Arbeiterschaft nicht durch kollektive Organisationsformen wie Gewerkschaften vertreten ist? Was bedeutet es, dass privatisierte Räume als Ersatz für öffentliche Räume für die Prozesse des Sichtbar- und Öffentlichmachens sowie für die Schaffung von Kollektiven und Netzwerken genutzt werden? Wie kann eine Rückeroberung öffentlicher Räume initiiert werden, um emanzipatorische Prozesse des Gemeinsam-Werdens zu ermöglichen? Welche Allianzen können die Verschmelzung des Neoliberalismus mit dem Faschismus aufdecken und bekämpfen?

Wie können die nationalen Geschichten der Privatisierung nach 1990 in “postkommunistischen” Staaten wie Ostdeutschland in transnationale Geschichten der neoliberalen Globalisierung übersetzt werden? Was bedeutet es, die Transitionserfahrungen im ehemaligen Ostdeutschland, im ehemaligen Jugoslawien und im ehemaligen Ostblock zu teilen? In Anbetracht der Emanzipation der “postkommunistischen” Staaten – einschließlich der antiwestlichen Reflexe nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in Polen und Ungarn, sowie der geopolitischen Vorstöße Russlands und des Aufstiegs Chinas zur Weltsupermacht – stellt sich die Frage: inwieweit reproduzieren die Emanzipationskämpfe der “postkommunistischen” Staaten gegen die westliche Hegemonie die Mechanismen ihrer eigenen Unterwerfung und Einverleibung als “der Osten”? Und, nicht zuletzt, gibt es ein Potenzial für intersektionale, transnationale und letztlich nicht-identitäre Allianzen, die “postkommunistische” Räume zu Feldern für Kämpfe machen – gegen die Albträume des Kapitalismus, für Commons-basierte Gesellschaften?

Anm. d. Red.: Eine Version dieses Textes in englischer Sprache finden Sie hier.

2 Kommentare zu “Black Box East: Intersektionale Erkundungen “postkommunistischer” Labore der Globalisierung

  1. Liebe Magdalena Taube, ganz am Eingang ein Irrtum wie auch immer: Die DDR war nicht kommunistisch. Oder wie würden Sie den Kommunismus definieren? Grüße! Ira Beluga

  2. @Ira Beluga: danke für den Kommentar! Unser Text orientiert sich am Blick des Westen, wie er im Kalten Krieg justiert worden ist, weil wir glauben, dass es trotz offiziellen Endes des Kalten Krieges ein Fortschreiben der Narrative (wenn auch unter aktualisierten Vorzeichen) gibt.

    Hier geht es um “den Osten”, wo die “rote Gefahr” (also “der Kommunismus”) grassiert.

    Unsere Intervention zielt auf die Kritik und Dekonstruktion dieses nach 1989 neu aufgelegten Othering-Narrativs mit besonderem Augenmerk auf die Funktion, die es für das Verfahren des Black Boxings hat.

    Und was den Kommunismus (nach Marx und Engels) angeht, so ist das freilich kein Post-Etwas, sondern das zu erkämpfende Kommende.

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