Was für Bedingungen sollten Projekte schaffen, um selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen?

Foto von Andi Weiland (by-nc-sa)
Was für Grundbedingungen sollten Projekte schaffen, um so etwas wie selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen? Das „Labor für DIY-Bildung” hat sich provisorisch an der Beantwortung dieser zukunftsweisenden Frage versucht. Labor-Leiter und Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki bilanziert – Presseschau inklusive.

Am letzten Tag des Labors für DIY-Bildung kam in Pausengesprächen die Frage auf, was einen nachhaltigeren Eindruck gemacht hat – die Stoffe oder die Leute? Die Frage ist ein Indiz dafür, dass das Labor ein Erfolg war. Sprich: dass es die nötigen Bedingungen geschaffen hat, um selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen. Eine Lernerfahrung, die sich auf andere Projekte übertragen lassen sollte.

Was also waren diese Bedingungen? Zunächst: Die Inhalte waren stark. Und sie wurden in experimenteller Weise präsentiert. Das Laborprogramm hat, wie eine Teilnehmerin sagte, für die wichtigsten Themen einen Nagel in die Wand gehauen. Im Zuge von Impulsvorträgen, Diskussionen, gefolgt von sowohl performativer als auch klassisch kollektiver Projektarbeit sind neue Öffnungen und Zugänge entstanden – für Körpererfahrungen, Selbstorganisation von Geist und Körper, experimentelles Arbeiten an Schulen, performatives Lernen und Medienkompetenz heute.

Foto von Andi Weiland (by-nc-sa)
Ein anderer wichtiger Faktor: Die beteiligten Personen – sie haben letztendlich für die Qualität der intellektuellen und kreativen Auseinandersetzung gesorgt. Neben den Moderatoren sind vor allem die engagierten Gast-DozentInnen zu nennen, die mit viel Enthusiasmus kamen und das Labor begeistert verließen. Michael Markovicz, der sich in der Schulleitung der Röntgenschule für Kulturelle Bildung engagiert, war euphorisch: “Es hat Spaß mit Euch gemacht!”

Auch der Medienpädagoge Wolfgang Neuhaus ging glücklich: “Wow, das war echt eine wunderschöne Erfahrung.” Die Choreographin Heike Hennig war ebenso begeistert: “Was ihr macht, ist die Zukunft!”

Austausch auf Augenhöhe

Das inspirierende Labor-Klima ist aber auch auf die großartigen TeilnehmerInnen zurückzuführen, darunter junge StudentInnen, die der Routine des Lernbetriebs für einen Moment entfliehen und sich auf neue Weise entfalten konnten. Überwiegend jedoch junge ProjektemacherInnen im Bereich der neuen Bildung: Workshop-LeiterInnen, TrainerInnen im Bereich der Erwachenenbildung sowie BildungsaktivistInnen an der Schnittstelle von Kunst, Nachhaltigkeit und Theater.

TeilnehmerInnen. Foto von Berliner Gazette (by-nc-sa)
Da ist etwa die Berliner Autorin und Performance-Poetin Xóchil A. Schütz. Sie führt ein Projekt an etwa 20 Berliner Schulen durch, bei dem es um “Interkulturelles Lernen, Poetry Slam und Spracherwerb” geht – was meint: Lehrerfortbildungen und Schülerworkshops mit Slam-PoetInnen. Oder Mareen Scholl, die neben ihrer Arbeit als freie Kulturarbeiterin gemeinsam mit id22: Institut für kreative Nachhaltigkeit selbstorganisierte engagierte Initiativen und städtische Akteure aus Zivilgesellschaft, Kunst und Kultur, Forschung und Wirtschaft sowie Verwaltung und Politik unterstützt.

Ohne ihr Engagement und ihre Erfahrungen wäre das Bildungsprogramm nur halb so spannend gewesen. Einige meinten glücklich: “Ich bin froh hier zu sein, jetzt weiß ich, dass ich nicht allein bin.” Ein bemerkenswertes Fazit lautete: “Ich habe hier vor allem gelernt, was ich als Kind wusste, dann aber im Laufe meiner Bildungssozialisation verlernt habe.”

Prozesse des Ver-Lernens initiieren

Im Rahmen des Jahresthemas “Bildung” hat der Musiker Dirk Dresselhaus über eine vergleichbare Erfahrung geschrieben, während die Kulturvermittlerin Nora Sternfeld dazu aufgerufen hat, daraus einen Bildungsansatz zu entwickeln. Und wenn im Labor für DIY-Bildung Prozesse des Ver-Lernens in Gang gesetzt worden sind, dann sicherlich, um die Potenziale des Selbermachens zu wecken. Wer Bildung in die eigene Hand nehmen möchte, sollte sich frei machen und von Autoritäten emanzipieren, sollte die Festplatte löschen und alles neu formatieren.

Mit Blick auf Leitfrage dieses Seminarprojekts “Was für Bedingungen sollten Projekte schaffen, um selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen?” könnte man sagen: das “Ver-Lernen” sollte möglichst systematisch zum praktischen Ziel erklärt, aber auch möglichst systematisch auf seine theoretischen Grundlagen hin untersucht werden.

Foto von Andi Weiland (by-nc-sa)
Darüber hinaus, so weitere Antworten des Labors auf die eingangs gestellte Frage, ist Vielfalt eine wichtige Bedingung, um selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen – ein pädagogischer Versuchsaufbau sollte mit Blick auf Alter und Geschlecht, Herkunft und Hintergrund gut durchmischt sein.

Zudem sind Atmosphäre, Raum und Körperkontakte von großer Bedeutung. Vor allem gilt es authentische Erfahrungen zu ermöglichen. Aber auch: Selbstbeobachtung. Und natürlich ausreichend Zeit für die “produktive Zigarette zwischendurch”, was meint: Zwischenräume, in denen jenseits des Programms Luft für Austausch und Reflexion bleibt. Das Labor für DIY-Bildung hatte von allem ein bisschen. Da wir nichts wiederholen, werden wir es das nächste Mal anders machen. Und vielleicht auch besser.

Stimmen in der Presse

In der Presse wurde unser neuer Sammelband Modell Autodidakt und das Laborprogramm im Zusammenhang gelesen. Der Künstler und Freitag-Blogger Horst A. Brunopolik etwa findet: “Hier wurde existenziell über eines der wichtigsten Themen unserer Gegenwart diskutiert. Die Zukunft in ihrer umfassendsten Form hat in diesem Seminar und diesem Buch bereits begonnen.”

Simone Jost-Westendorf, Redaktionsleiterin bei politik-digital, wiederum konstatiert: “Keine allgemeingültigen Antworten auf die drängenden Fragen, denen sich Gesellschaft, Politik und Bildungseinrichtungen stellen müssen. Denn die gibt es (noch) nicht, hier werden aber zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen gestellt.”

Foto von Andi Weiland (by-nc-sa)
Gerhard Jastram, von 1991 bis 1998 Direktor der Akademie Sankelmark, beobachtet mit Blick auf das Labor-Format im CISS-Newsletter: “Die Berliner Gazette hat zeitgemäß Formate weiterentwickelt, wie sie nach dem zweiten Weltkrieg in den großen Akademien für kulturelle und politische Erwachsenenbildung erfunden wurden: Begegnungsstätten, wo in “freier geistiger Auseinandersetzung” (Gründungsurkunde der Akademie Sankelmark im Deutschen Grenzverein von 1952) Themen von öffentlichem Interesse bearbeitet werden sollten.”

Kurz vor dem Labor für DIY-Bildung war ich beim Deutschlandradio in der Sendung Zwischentöne zu Gast. In dem knapp 90-minütigen Gespräch mit Joachim Scholl habe ich unseren Ansatz erklärt und dabei auch Musikbeispiele aus unserer Zusammenarbeit mit KünstlerInnen vorgespielt. Das Radio-Gespräch, das in der Hörer- und Netzgemeinde beträchtliche Resonanz erfuhr, findet sich unten stehend zum Abspielen bereit.

Interview mit Krystian Woznicki, 19. Juni 2011 by Berliner Gazette

7 Kommentare zu “Was für Bedingungen sollten Projekte schaffen, um selbstbestimmte Bildung zu ermöglichen?

  1. das klingt nach einer menge positiver vibes ; ) schade, dass ich nicht dabei sein konnte!

  2. das war eine schöne veranstaltungsreihe, und ich empfand insbesondere das “gruppenmanagement” sehr gelungen.
    ich freu mich dabeigewesen und im buch präsent zu sein.

  3. Ihr habt Recht. Als Student im Examen bin ich ein gutes Stück davon entfernt meine Bildung selbst zu bestimmen. Zumindest wenn ich dieselbe mit Blick auf meine berufliche Zukunft gestalte – oder?

  4. schöne dokumentation. ich werde “kritischer optimismus” als fazit im hinterkopf behalten!

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