Viele Veranstaltungen, Diskussionen, Zeitungsberichte, Treffen mit PolitikerInnen und auf einmal spricht es sich herum: In Berlin gibt es eine Freie Szene. Und die braucht Geld. So geht die Kurzversion. Doch wie kann man freie Kunst schaffen, wenn man im “Antragswesen” feststeckt? Und nur noch schreibt, was die Förderjury gerne hören will? Die Berliner Gazette-Autorin Tanja Krone hat gemeinsam mit der Künstlerin Sandra Man einen Weckruf verfasst.
*
»Was ist die Freie Szene?« mag niemand fragen und niemand beantworten. Und wird doch gefragt, dann meist abwertend und abwehrend; und wird doch geantwortet, dann meist genervt, verlegen, ausweichend. Der Begriff sei eben ein unglücklicher. Deswegen spart man sich das »Was?« und fängt lieber beim Stellenwert der Freien Szene an, beim ökonomischen natürlich, denn irgendein Argument dieser Sorte braucht es, wenn es um Geld geht. Und so wird die Freie Szene zu einem »Standortfaktor«, zur »Tourismusattraktion«, ein paar ihrer VertreterInnen zu »Kulturbotschaftern Berlins« in der großen, weiten Welt.
Oder man bastelt sich ein hübsches Bild zurecht: Dauerparty in der Sandkiste des exportfähigen Künstlernachwuchses, in der fröhlich gefeiert und experimentiert wird, solange man eben jung ist und aus dem dann schon »die Besten« hervorgehen werden, um was Richtiges, also »eigentliche« Kunst in »eigentlichen« Häusern zu machen. Die Freie Szene als selbstorganisiertes Talentescouting und vermarktbares Übergangsstadium, das perfekte Aushängeschild für eine junge, bewegte Hauptstadt und ein superbilliges noch dazu.
Und das ist bereits die wohlwollende Stellenwertanalyse. Die weniger wohlwollende verdächtigt alles, was frei ist, in Wahrheit ohnehin nichts zu sein, also nicht mal potenzielle Kunst, sondern einfach gar keine. Das Unglück der Freien Szene liegt im »Frei«, das nichts sagt und nichts meint. Es scheint erstmal für nichts anderes zu stehen als für ein loses Beschäftigungsverhältnis; »Frei« als eine arbeitsrechtliche Bestimmung und zwar in Abgrenzung gegenüber »ordentlichen« und »eigentlichen« Beschäftigungen; und damit Wiederholung und Bestätigung des Vorurteils, wer frei arbeite, arbeite gar nicht oder (noch) nicht richtig.
Ist KünstlerIn ein Beruf?
Alles dreht sich um so ein wirtschaftliches »Frei« und es scheint, als ob es sogar in der Szene selbst peinlich wäre, nach anderen möglichen Bedeutungen zu fragen, sich andere auszudenken, auf andere zu bestehen und für diese zu kämpfen. Was ist »Freie Szene«? ist aber im Grunde eine mögliche Variante, die Frage danach zu stellen, was Kunst eigentlich ist. Und zwar in allen Facetten: Wer »darf« Kunst machen, wie »darf« er/sie Kunst machen, wo kann Kunst stattfinden, von wem und für wen, mit wem, auf welche Weise, in welchen Formen, mit welchen Inhalten, an welchen Orten, mit welchen Produktionsmitteln und -prozessen? Und auch: Ist KünstlerIn ein Beruf? Ist Kunst Arbeit und wenn ja, welche?
Die Frage nach der Kunst zu stellen ist das Potenzial der Freien Szene. Unter welchen Bedingungen es sich entfalten kann und unter welchen eben nicht, ist die Diskussion, die wir entschiedener als bisher führen wollen. Denn irgendetwas verhindert derzeit eine produktive Entwicklung der Freien Künste. Und das liegt nicht nur an der krassen Unterfinanzierung der öffentlichen Fördertöpfe, von denen alle Freien Kunstschaffenden abhängig sind. Wenn wir die öffentliche Förderpolitik mit ihren Ausschreibungen, Jurys, Fristen etc. jetzt gleich als »Antragswesen« ansprechen, dann machen wir das, um die Perspektive vom Wieviel auf das Wie zu verschieben.
Antragswesen
In weiten Teilen der Kunst findet heute Fließbandarbeit statt. Das klingt absurd, weil ja davon auszugehen ist, dass gerade die Kunst den kreativen Funken braucht und das Feuer, das über lange Zeit für die jeweilige Sache brennen muss. Und dieser Funke springt eben oder springt nicht, jedenfalls braucht er Spielraum. Statt Spiel- und Freiraum gibt es aber Antragszwänge, die bei allem Innovationsgerede zu Wiederholungen und Bestätigungen führen und dazu, inhaltlich und thematisch auf das zu setzen, was scheinbar gerade angesagt ist (der 100. Todestag von…).
Auch bestimmte Formate werden gern bedient, wenn sie denn das Zeitgemäße der eigenen Kunst unterstreichen und damit scheinbar legitimieren (die interdisziplinäre multimediale performative Installation zB). Und es ist auch kein Geheimnis, dass zu bestimmten Zeiten bestimmte Begrifflichkeiten entscheidend für eine Förderungswürdigkeit sein können und deshalb tauchen diese gezielt, aber eben auch pro forma in den Antragstexten auf (Interkulturalität, Nachhaltigkeit, Transdisziplinarität etc.) Was sich hinter diesen Schlagworten in der realen Umsetzung verbirgt, welche Konsequenzen und ernsthaften Herausforderungen sie mit sich bringen, dazu fehlt die Auseinandersetzung: Sollen Kunst- oder Sozialprojekte gefördert werden? Sind KünstlerInnen Klimaschutz- und Integrationsbeauftragte?.. sind nur ein paar der Fragen, die deutlicher gestellt werden müssen.
Bekämpfen, beherrschen und kontrollieren
Die von den Freien Kunstschaffenden verfassten Anträge sind aber natürlich nur der Effekt der Ausschreibungen. Diese geben die Richtung des Diskurses und der Praxis vor, sie selektieren nicht nur »passende« Konzepte und Projekte, sondern sind Herrschafts- und Kontrollinstrumente, die anstatt Freiräume zu schaffen, Kunstproduktion determinieren. Indem sie bestimmen, welche Themen relevant sind bzw. zu sein haben, indem sie entscheiden, welche Formate angesagt sind. Dabei berufen sie sich – nicht explizit, aber offensichtlich – auf Trends, die fortgesetzt und bestätigt werden sollen und Themen, die im Feuilleton breitgetreten werden. So entsteht »Innovation« in und »gesellschaftliche Relevanz« von Kunst.
Das Antragswesen dient dem Zweck, alles Experimentelle, alles Prozesshafte, alles Undisziplinierte von vornherein zu bekämpfen, zu beherrschen, zu kontrollieren. Man macht nicht der Kunst einen Antrag, sondern dem Betrieb. Irgendwann erkennt man den Unterschied zwischen den beiden Anträgen auch nicht mehr (an). Man verwechselt den Betrieb mit der Kunst und kann nicht mehr unterscheiden zwischen dem, was man machen will und dem, was man verkaufen muss, zwischen den Sprachen, die man suchen möchte und der, die man beherrschen und befolgen muss, um etwas und sich durchzubringen. Das Antragswesen wirkt nicht nur in den abgelehnten Anträgen, sondern schon in den zu schreibenden und auch in vielen der durchgebrachten als ein monströser Erstickungsapparat.
Und so läuft alles im Bestätigungsleerlauf. Es wird dauernd reproduziert und alle machen und kriegen, was sie sowieso erwarten, weil sie es nunmal bestellt haben. Das ist aber nicht »nur« für diejenigen ein Problem, die sich als KünstlerInnen verstehen, sondern auch für diejenigen, die als ZuschauerInnen, BesucherInnen wahr- und ernstgenommen werden möchten. Denn während die einen als reine ProduzentInnen von Kunst als Imagefaktor eingesetzt werden – im Dienst der Kulturnation, im Dienst der hippen Hauptstadt – werden die RezipientInnen zur reinen Quote, zur quantifizierbaren, statistisch erfassbaren Menge, zur Auslastung.
Von Projekt zu Projekt
Die vom Antragswesen in Gang gesetzte und gehaltene Fließbandarbeit ist dabei gleichzeitig zu schnell und zu langsam. Sie ist zu schnell, weil sie keine Leerläufe kennt. Sie verhindert die Unterbrechung, die Abweichung vom reinen Funktionieren, die Auszeit. Sie ist aber auch zu langsam. Das Antragswesen erzeugt zwar Produktionsdruck, taktet ihn aber fristgerecht so, dass es keine Schnellschüsse geben kann. So findet künstlerisch-praktischer und/oder diskursiver Dialog nicht statt und wird strukturell zumindest be-, wenn nicht verhindert. Es können und sollen sich gar keine Konfrontationen ergeben. Weder können sich künstlerische Arbeiten aufeinander beziehen, noch kann sich ein wirklich interessanter Diskurs entwickeln, weil die Abstände zwischen Antrag und Realisierung zu groß und die Vorausplanungen zu lang sind. Während man also von Projekt zu Projekt hechelt, bleibt keine Zeit für kontinuierliche Entwicklung und gleichzeitig lässt sich nichts Spontanes, gerade jetzt Wichtiges realisieren.
Der/die »Freie moderne KünstlerIn« arbeitet also unter permanentem Druck, ganz egal, ob und wo er/sie in der Gunst der Förderstellen steht. Entweder schießt man raus, weil man muss und greift dabei – pragmatischerweise – auf das zurück, was man sich als wiedererkennbare »Methode« (Alleinstellungsmerkmal!) erworben hat. Oder man versucht das, was man selber noch gar nicht kennt, da es sich nur durch Tun herausfinden lässt, so darzustellen, als wäre es bereits eine »Form«, ein »Format«. Jedenfalls ein Resultat. Eine »produktive Entwicklung« muss und sollte aber nicht zwangsläufig eine »Produktentwicklung«, also ein resultatorientiertes Entwickeln sein. Sondern ein Nichtfertigwerden, ein Immerneubefragen, Proben, Probieren, Weiterprobieren, Infragestellen, Verändern, andere Perspektiven Einnehmen, Betrachten, nicht fertig Werden, nie fertig Werden.
Unbedingtheit
Es geht also nicht nur um Geld, sondern um viel mehr: Es geht darum, das »Frei« in Freier Szene als Unbedingtheit zu erfinden, zu behaupten und zu erkämpfen, als Spielraum für den existenziellen Wunsch nach Ausprobieren, Versuchen und Andersmachen, als immer wieder neues Öffnen von Freiräumen, als immer wieder andere Art des (Zusammen-)Arbeitens, des Zuschauens, Teilnehmens und Mitmachens, als Spielen und Suchen. Diese Unbedingtheit ist eine andere Art des Produzierens und des Rezipierens und zwar immer wieder »anders« und daher frei – nicht feststellbar.
Es gibt keine Feststellung, welche »Kunst« die Freie Szene (aus)macht, es kann keine geben, weil das Unbedingte, das Freie ein Offenes meint, ein Offenlassen und Offenhalten. Dieses Freie als Offenes ist kein bloßes Übergangsstadium, zumindest nicht in dem Sinn, wie die Freie Szene als Nachwuchstummelplatz verstanden wird. Es ist eine Haltung und keine bequeme. »Frei« zu arbeiten heißt anders zu arbeiten und damit auch die Frage zu stellen, was Arbeiten, Produzieren, Schaffen heißen kann.
Weil es gerade darum geht, Anderes zu machen und anders zu machen, kann man diejenigen, die sich zur Freien Szene zählen, die sie (aus)machen, nicht zu einer homogenen Gruppe erklären. »Wir« können und wollen es selbst nicht. So wie die Arbeiten, die wir machen, sich dagegen sperren, eingeordnet und diszipliniert zu werden, genau so ist es unmöglich, die Freie Szene zu einem kompakten »Wir« zu formieren. Auch wenn es für alle Seiten praktischer wäre, aber das ist das Spannende an »uns«: Dass »wir« uns und anderen die Frage nach dem »Wir« stellen können, nicht nur »untereinander«, sondern auch in den unterschiedlichen Formen, wie wir mit und für andere produzieren wollen.
Wir sind ein unordentliches Wir. Die Freie Szene ist eine vielfältige Substanz. Und das ist bestimmt kein unglücklicher Begriff. Wir können uns trauen, »Freie Szene« nicht länger und ausschließlich als Inbegriff derer zu sehen, die kein Geld haben und welches brauchen und für die man standortrelevante Argumente bemühen muss. Es geht um etwas ganz anderes: Freien Existenzen eine Szene schaffen.
Anm.d.Red.: Der Beitrag entstand als ein Dialog zwischen Tanja Krone und Sandra Man, die hier als gleichberechtigte Ko-Autorin verantwortlich zeichnet. Mehr zum Thema über die Seite zum BQV-Projekt.
Dieser Beitrag bringt die Misere des Antragswesens auf den Punkt:
Man macht nicht der Kunst einen Antrag, sondern dem Betrieb.
Irgendwo sagte Adorno: “Wer Kultur meint, meint auch Verwaltung.”
Es kommt darauf an, das nicht einfach hinzunehmen, sondern Alternativen zu entwickeln.
Anregungen dazu finden sich bei Hans Abbing, der sehr genau untersucht hat, warum Künstler (Kulturschaffende) überhaupt in die missliche Lage gekommen sind, um Almosen bei staatlichen Institutionen anzusuchen.
Ein Aspekt wäre, die Kultur des “Schwierigen” kritisch zu hinterfragen, wie auch schon in diesem Beitrag hier anklingt:
Dabei berufen sie [die Anträge] sich – nicht explizit, aber offensichtlich – auf Trends, die fortgesetzt und bestätigt werden sollen und Themen, die im Feuilleton breitgetreten werden. So entsteht »Innovation« in und »gesellschaftliche Relevanz« von Kunst.
Mehr bei Abbing http://www.thing-frankfurt.de/content/2013/vorschlaege-zur-bekaempfung-der-kuenstlerarmut
Herzliche Grüße
Stefan
Vielen Dank für diesen erhellenden Beitrag – sehr nötig in einer Zeit, in der die Freie Szene von Vertretern der sog. “festen Häuser”, der Stadt- und Staatstheater frontal angegeriffen werden (wie z.B. von Thomas Ostermeier, dem Intendaten der Berliner Schaubühne oder dessen Dramaturgen Bernd Stegemann) und als “Avantgarde des postmodernen Kapitalismus” beschimpft werden: “Projektemacher” nannte man das früher verächtlich – man wird also für die Misere, in der man steckt, auch noch selbst verantwortlich gemacht von Leuten, die nicht drin stecken – das kennt man ja auch als Reaktionsweise auf die Krise hierzulande nur allzu gut. Darauf gab es ja auch beim Ersten Branchentreffen der Freien Szene kürzlich eine erste Antwort: http://www.andco.de/index.php?context=media§ion=texts_theory_theatre&id=7506
also, wunderbar. ich hab mich nicht um die letzten Aktivitäten der freien Szene gekümmert wiel das schreien nach mehr Geld für eine Szene die, wie du schreibst, keine ist jedoch sich in dem Konsens vereinen kein billiger Wirtschafstfaktor mit sexappeal für eine hauptstadt sein zu wollen. Also: es gibt kein wir, und das macht uns geade zum wir. ich will aber nicht ein solches wir, was gar keins ist, und nur zufällig ensteht, weil ich und die anderen 50000 die auch so was machen, dass man z.B mit dem Wort Performance beschreiben kann,gerade in einer Stadt leben. Ich will aber das andere wir, so wie du es beschriebst auch nicht:) es geht sicherlich nicht um Homogenität.Und unsere Arbeiten sollen so sperrisch individuell bleiben wie sie sind. Aber trotzdem ist das “anders machen” das “suchen” das “unbedingte nie fertig sein” zu ungenau, als dass es mit Kunst beschrieben werden darf ( ups! wer gibt mir das Recht dazu so etwas zu behaupten?). Und solange die Frage, was Kunst ist und was ein Künstler tut, noch abwegiger erscheint als die Peinlichkeit die entsteht bei dem ausweichen der Frage was eine freie Szene ist, solange haben wir kein Recht zu behaupten es sei Kunst was wir machen. Wir müssen schon die Dringlichkeit der existientalität die wir spüren, bei dem was wir tun, überprüfen. und es geht dabei um eine Haltung und nicht um das Ergebnis einer empirischen Statistik. Also was mich und dich zu einem Wir machen kann, wäre das gemeinsame Interesse daran, dem scheinbar verbindenden “Anders machen und Hinterfragen” der Überprüfung dieser Kriterien zu hinterfragen.. Also nochmal anders: das die Förderlandschaft in erster linie das Künstlerische verhindert ist klar. Amen! Bloss werden wir nicht bloss zu einem wir wenn wir uns darüber einig sind. Jetzt müssen wir unsere eigens aufgestellten Kriterien überprüfen. und darüber, denken ich, in dieser Haltung unser tun zu hinterfragen und könnten wir zu einem gemeinsamen Bewusstsein kommen. Aber solange ich mich angegriffen fühle bei der infragestellung ob das was ich mache frei geschweige den kunst ist, ensteht bloss eine verfestigung durch selbstverteitigung in Form von freien Meinungsäusserungen, was ja wiederum leider bekanntlich das höchste gut unserer Diversität ausmacht. Also kommt ihr 50000 Anderen Ichs. Wir beantragen im nächsten Jahr einen einzigen Antrag mit der gesamtsummer der für die freie Szene zur Verfügung stehenden Gelder, führen daduch die Jyris mit ihren Richtlinien ad absurdum und haben shenken uns ein Jahr Zeit für ein Gespräch. Das ist vielleicht noch nicht gleich Kunst aber sicherlich Wissenschaft die und eine gemeinsame Grundlage schafft und unser zukünftiges Handeln hoffentlich radikal legimitiert. Tja das ist so ein Gedanke, bzw Vorstellung von mir über uns:)
Liebe Tanja Krone,
das ist ein hervorragender Artikel. “Was für Marzahner Bürger Harz IV, ist für Berliner Künstler der HKF” stand neulich an einer Wand in einer Berliner Galerie geschrieben.
Ich frage mich selbst schon lange, ob eine Art unabhängiges Crowd-Funding (der Filmszene ähnlich)auch bei den “freien Künsten” funkionieren könnte, oder ob dies alleine am schlechten (weil nicht gewollten bzw. nicht möglichen) Reproduktionspotential vieler Projekte scheitern würde.
Stichwort Produktion von Singularitäten.
Ich habe auf die von Dir in Deinem Text bearbeiteten Kern-Problematiken für mich selbst anhand eines extrem aufwendigen und auch riskanten Projekts versucht Antworten zu generieren und meine Reflexion darüber wiederum in Form eines Vortrags dokumentiert, der sich damit auseinandersetzt, dass es heute (nicht nur in Berlin) vielleicht einfach zu viel Kunst und Kultur gäbe und dies in Form der derzeitigen Antragskultur “metastasiere”.”
http://mauriceistda.org/Vortrag.html
Herzliche Grüße
Maurice de Martin
– Rechts-Schreibfehler und letztklassige Grammatik sind Absicht…. das Ich und das Wir sind immer nur die Anderen die Wir letztlich selbst sind.
http://kritikdesign.blogspot.de/2013/11/frei-von-allem-freie-szenen-sind.html
Alles nur Gestaltungsverwaltung der die Verwaltungsgestaltung folgt der widerum die Gestaltungsverwaltung folgt usw. usf.
Als derzeitiges Mitglied der HKF-Jury habe ich mit dem Mainstream der Antragsprosa auch schwer zu kämpfen. Ohne für die ganze, sehr heterogene Jury reden zu können: Ich vermute, das geht nicht nur mir so. So interessant ich den Input oben finde, so falsch ist die Annahme, die Jurys würden solche Heißluftanträge, parodisitsch anmutendes Diskursparfum oder den verbreiteten Hobbyleitartikelismus verlangen. Ich würde auch gerne wissen, wessen Vorstellungen da jeweils bedient werden sollen.
lieber tobi Müller, danke für den kommentar aus jurysicht! auch wenn wir in dem artikel oben vereinfachen und verkürzen mögen, geben wir nicht den Jurys bzw. ihren einzelnen mitgliedern die schuld. man müsste weiter ausholen und genauer werden, um die eigendynamik des antragswesens, seine unpersönlichkeit und die sich verselbstständigen erwartungsschleifen beschreiben zu können. es werden vorstellungen bedient, die “man” sich so macht und die letztlich, glaube ich zumindest, nicht wirklich jemandem zugeordnet werden können. es bleibt alles im diffusen/abstrakten, das macht das ganze ja so lähmend – und auch angreifbar. liebe grüße, sandra man
Etwas sperrig zu lesen, vor Allem zu Beginn…trotzdem den Nagel auf dem Kopf geroffen – Kompliment.
@tobi müller
Ihr Input hat bei mir die Nackenhaare für kurze Zeit hochgestellt. Ich bin jetzt in der Situation, eine Retoure schreiben zu wollen, im vollen Bewusstsein, dass das Gedächtnis des Webs zeitlos ist und ich deshalb das Risiko eingehe, dass meine Projekte von einem bestimmten Kreis von Leuten zukünftig nicht mehr gefördert werden wird. Ich schreibe trotzdem “straight”, weil ich denke, der hier geführte Diskurs ist viel wichtiger, als die spärlichen Resonanzen es vermuten lassen.
Also!
Ist Ihnen eine These Bruno Latours bekannt, die beschreibt, wie das kriminelle Milieu erst durch die Präsenz des Gefängnisses überhaupt entsteht?
Man übertrage dieses Szenario nun rein experimentell auf die vorliegende Debatte. Dies würde bedeuten, dass die von Ihnen (mit einem von mir ehrlich gesagt schon als etwas zu überheblich wahrzunehmenden Unterton) beschriebene Antragslyrik sehr wohl eine Emergenz der aktuellen Förderungsformate ist.
Geteilte Lyrik
Wenn man Ihrer Kritik der Kritik dann auch noch entgegenhält, dass eine nicht kleine Anzahl von Ausschreibungen heute ähnlich dubios “designed” sind, wie die von Ihnen angeführten “Gesuchs-Stilblüten” es beschreiben (z.B. eine von “erfolgreichen Experten entwickelte” Theater-im-öffentlichen-Raum Ausschreibung unlängst detailliert aufforderte: “…den Kommunen die ursprüngliche Funktion ihrer “Un-Orte” u. sogar “Schandflecken” über theatralische “Bespielung” erklären zu müssen…”), dann kommt man nicht umhin zu vermuten, dass hier sehr wohl ein Funke (vielleicht sogar in beide Richtungen) übergesprungen sein muss. Denn: diese Sprache IST ja praktisch DIE mögliche und auch gewollte kommunikative Verbindung zwischen dem “Innen und Außen”.
Schaumwelt
Eine Schaumwelt ist eine Welt, bei der man hineingreift und nie etwas Konkretes zu fassen bekommt. Das ist die Welt der sich nie in der Öffentlichkeit unmittelbar manifestierenden Interessengemeinschaften, bei denen man nie weiter als ins Sekretariat kommt. Eine Schaumwelt ist eine Welt, bei der sogar ein Scheitern unmöglich wird.
Nur wenige innerhalb der zahlenmäßig unaufhörlich anwachsenden “Petitionisten”-Gruppe besitzen heute genauere Informationen darüber, was in diesen immer irgendwo gerade stattfindenden Juryrunden wirklich passiert.
Man weiß aber schon, dass da zumeist KollegInnen sitzen, die temporär um-nominiert wurden und von der Situation einerseits sehr “geehrt” (hier beginnt das Korrumpiert sein) und dann zumeist völlig überfordert nach überstandener Ochsentour wieder zur anderen Seite überwechseln (müssen).
Zu Hause angelangt setzen sich diese Kolleg_innen (mit der Verpflichtung zum Stillschweigen über das Jury-Business) dann natürlich sofort selbst wieder an den nächsten Antrag. Die besonders Cleveren unter uns wissen die Möglichkeit der temporären “Akteneinsicht” sehr zu schätzen, denn sie ist ein Quell der Inspiration für die eigene Arbeit. Da kommt es mitunter auch einmal vor, dass ein dieserorts angelehnter Projektantrag andernorts und andernzeits als Festivalmotto zur Realisierung kommt und zwar nicht durch den eigentlichen “Urheber”.
Anspruch und Wirklichkeit
Dass das, was auf Kultur-Institutions-Homepages zu lesen steht nicht mit dem übereinstimmt, was “in Realität” existiert, das weiß jeder, der schon einmal eine Kunst-Hochschule besucht hat.
Wenn man sich heute Ausschreibungen durchliest und dann den “Outcome” verfolgt, dann kann einem schon einmal die Hutschnur hochgehen.
Dies ist das Gefühl, das im vorliegenden Text klar und deutlich zur Sprache kommt. Dass die Verfasserinnen bei der ersten Kritik der Kritik gleich auf einen rechtfertigenden Kurs umschwenken, finde ich nicht die richtige Lösung.
Vielmehr denke ich, dass man seine Positionen noch verschärfter artikulieren muss, um die gesamte Debatte dann auf einen allgemeineren Nenner heben zu können. Denn: wenn die eine Seite konzertiert über die Unfähigkeit der anderen Seite lamentiert und vice versa, dann ist es an der Zeit, sich (wenn möglich gemeinsam) Gedanken über eine Re-Kalibrierung eines Systems zu machen, was völlig überholt ist und deshalb alle Seiten unglücklich macht!
Diese hermetischen, niemals enden wollenden Entscheidungsherbeiführungsrunden (einen schönen Text darüber gibt es von Mick Wilson in der Publikation “Art as a Thinking Process”) mit ihren immer höher wachsenden Bergen an auszuwertenden Antrags-Dossiers können doch nicht das Ende der Förderungsverteilungs-Weisheit sein! Die Stiftungen und Fonds verfügen über eine nicht unbeträchtliche Summe an administrativem Vermögen (wobei man mitunter heute das Gefühl hat, dass es fast nur noch administratives Vermögen gibt und das Operative = die zu verteilenden Gelder nach “außen”- dagegen immer mehr gegen Null wandert). Man sollte dieses Geld zukünftig auch zur “Humanisierung” des Verteilungs-Prozederes zu verwenden, sprich der Verbürokratisierung von Kunst und Kultur entgegenwirken. Dies ist natürlich eine Illusion, denn die Verbürokratisierung ist ja gewollt (Bologna)!
Empathie Mutual
Trotzdem, mein Aufruf ist, dass zukünftig eine Kommunikation zwischen den Welten gefördert und diese nicht -wie momentan- verhindert wird. Andere Sphären geben da schon eher den Ton an, aber auch in unserer Sphäre der Kunst und Kultur (z.B. Mühlheimer Dramatikerpreis) gibt es Beispiele möglicher Alternativen.
Vielleicht macht es dann auch wieder Spaß, Anträge zu lesen, weil es nämlich Spaß macht, sie zu schreiben!