Einige Leute aus meinem Umfeld sind aufrichtig begeistert darueber, dass ich ein Buch geschrieben habe. Andere wiederum unverhohlen desinteressiert. Wie bei >Herr Lehmann<, als Karl alias Detlev Buck seinen Freunden voellig aus dem Haeuschen erzaehlt, dass er demnaechst eine Ausstellung in Charlottenburg hat, und einer nur brummt: >Och nee, muessen wir dann dahin fahren?<, woraufhin das Thema gewechselt wird. Das war jetzt natuerlich uebertrieben. Aber bei manchen habe ich tatsaechlich das Gefuehl, dass sie damit gar nicht umzugehen wissen. Gilt natuerlich nicht fuer die richtig wichtigen Freunde. Und in meinem Leben haben sich eher die kleinen Dinge veraendert. Ich bekomme jetzt Zugtickets erster Klasse und so.
Fuer meinen Roman gab es viele Inspirationsquellen, die mir selbst wichtig sind oder waren: beispielsweise bestimmte Dichter. Oder eben Bands. Ausserdem war das notwendig fuer die Handlung, da Puck zunaechst glaubt, dass die Musik ihm helfen koennte, das Leben zu spueren – so, wie Goethes Werther sich an seine Buecher klammert. Meistens sind Dinge, die man sieht, wenn man durch die Strassen geht oder die man in bestimmten Momenten von anderen Leuten hoert, allerdings eine wirkungsvollere Inspiration als literarische Werke.
Es passiert im Prozess des Schreibens, dass man Figuren entwirft, die einfach nicht funktionieren, nicht lebendig werden. Puck habe ich nur ein Stueck weit konstruiert; eigentlich war er einfach da. Und er war lebendig. Und eben ein Junge. Ich habe mich eher damit beschaeftigt, wie ein besonderer und psychisch labiler Mensch denkt und fuehlt, als zu ueberlegen, ob ich jetzt den Jungs-Blick richtig getroffen habe. Manchmal gibt es den ja auch gar nicht.
Es ist kein Zufall, dass der Nachname meines Helden der gleiche ist wie der des Elfs in Shakespeares >Ein Sommernachtstraum<, aber seine Bedeutung sollte auch nicht ueberbewertet werden. Mir hat der Name einfach gefallen. Und er drueckt - eben durch die Shakespeare-Elfen-Querverbindung - dieses Etwas-Abseits-der-Welt-Sein aus. Meine Lektorin wollte ihn mir noch austreiben, aber ich konnte mich nicht davon trennen. Auch wenn ich mich an einigen Stellen ausdruecklich an Goethe angelehnt habe - ich hatte nie vor, die >Neuesten Leiden des jungen W.< zu schreiben. Es waere ja groessenwahnsinnig, sich an so einer Vorlage messen zu lassen. Um das klarzumachen, habe ich Goethe himself auch auftreten lassen - das ironisiert und relativiert die Verweise ein wenig. Eine zeitgenoessische Version eines Typus zu entwerfen - das hoert sich sehr nach Hausaufgabe im Deutsch-Lk an und waere als derart konstruiertes Vorhaben irgendwie sinnlos, denke ich. Ich glaube einfach, dass es ueberall und zu jeder Zeit Leute gibt, die mit der Welt nicht klarkommen. Die vielleicht ueberempfindlich sind fuer ihre Schoenheiten, aber eben auch fuer die Probleme, die das Leben mit sich bringt. Einige koennen sich vielleicht doch noch arrangieren, andere nicht, und das sind dann die tragischen Gestalten. Und ueber die schreiben wieder andere Leute - Herr Salinger, Herr Goethe und ich zum Beispiel. Wobei ich mich da jetzt nur syntaktisch einordne. Die Grossen sollen schon unter sich bleiben. Das Etikett des Pop-Literaten halte ich fuer Unsinn. Es gibt Leute, die schmeissen Herrn Lebert und Herrn von Stuckrad-Barre in einen Topf, weil beide jung sind. Egal, ob thematisch und stilistisch Welten dazwischen liegen. Mit dem, was gemeinhin als Popliteratur bezeichnet worden ist - also witzige und etwas lapidare Alltagsbeobachtungen - kann ich nicht soviel anfangen. Mir ist die Sprache sehr wichtig. Und die kommt da ganz sicher zu kurz. Mal davon abgesehen, dass die Popliteratur ja jetzt sowieso seit einiger Zeit wieder fuer tot erklaert worden ist. Alle warten gespannt auf einen neuen, mehr oder weniger leeren Begriff, unter dem man saeuberlich Autoren abheften kann.
Ein Kommentar zu “Im Club der toten Dichter”