Der Fikusa

Das japanische Wort >fikusa< ist vom englischen >to fix someone up with someone< abgeleitet. Allgemein laesst sich das Wortfeld so umreissen: Ein Fikusa ist ein Koordinator, eine Figur des Dazwischen, ein Bindeglied, eine fliessende, bewegliche Figur. Im Netzwerk-Jargon gesprochen: ein Gateway. Eine Mediatrix , ein go-between, ein Intermediaer. Das wichtigste Stichwort hier ist to mediate. Der Fikusa ist ein Medium.

Um einen Transit bewerkstelligen zu koennen, muss er in mindestens zwei Systemen operieren. Er uebersetzt und erzeugt Anschlussfaehigkeit, Kompatibilitaet. In jedem Falle geht es ihm darum, die Eigenschaften der verschiedenen Kanaele und der Kulturen, die darum entstehen, die Bewegungen der Oeffnung und Schliessung zu kennen.

Der Fikusa ist eine Borderline-Figur, ein Grenzgaenger. Auf der Grenze etabliert er seinen Posten, eine Passage zwischen Systemen, einen Code-Konverter und eine Zollstation. Im Strom der Informationen baut der Fikusa seine Netze auf. Guter Fang ist, was auf dem Markt der Information Tauschwert hat. Eingetauscht werden kann es gegen andere Informationen, gegen Geld, Verbindlichkeiten, Dienstleistungen, materielle Waren. Jede neue Bekanntschaft, jeder Party-Talk ist eine Investition, die sich vielleicht auszahlt. Fuer die Informations-Haben-Seite sucht der Fikusa staendig nach einem komplementaeren Informations-Mangel. Der kann, bei entsprechendem Geschick, wie ueberall auf dem Markt gezielt hergestellt werden. Am Informations-Gefaelle richtet der Fikusa sich ein. Wie ein Wasserkraftwerk bezieht er seine Energie aus dem Differential.

Von aussen beobachtet gelingt ihm vermeintlich eine zwanglose Vermischung von Spiel und Arbeit. Das japanische Wort asobu [spielen] schliesst auch das gemeinsame Trinken ein. Der Fikusa arbeitet mit dem Sektglas in der Hand. Tatsaechlich werden ihm die staendigen Empfaenge und Vergnuegungsetablissements zur harten Arbeit. Fikusa agieren in jeder Domaene: Kunstmarkt, Wissenschaftsmarkt, Markt der Ideen, Markt der Wirtschaftsinformationen. Ihre Qualifikationen liegen eher notgedrungen auch in einem Sachgebiet. Der Kunst-Fikusa wird ein Grundverstaendnis von Angebot und Nachfrage, eine Landkarte zur Einordnung dessen, was er auf den jeweiligen Vernissagen und in den Studios sieht, benoetigen. Er ist haeufig Autodidakt, denn hat sich das Wissen um die Kopplung zweier Systeme erst soweit stabilisiert, dass es institutionell unterrichtet werden kann, wird der Fikusa seine Zelte abbrechen und weiterziehen. Vor allem aber operiert er relational, indem er mit moeglichst vielen Seiten spricht und sich daraus ein Gefuehl fuer die Wertigkeiten filtert. Die Staerke des Fikusa liegt gerade in dieser Methodik, die ebensogut auf alle moeglichen anderen Gegenstandsbereiche anzuwenden sind.

Der Netzwerker ist in den Systemen Parasit und Gast [Michel Serres]. Er ist formlos und weder A noch B zuzuordnen. Er ist Landvermesser, der durch seine Taetigkeit das Gelaende staendig neu absteckt. Er selber ist aber auf keiner Karte einzutragen. Er ist ein informationelles Zwischenwesen – zwischen Domaenen, Sprachen, Laendern. Er ist ein frequent flyer. Wie der der Nomaden ist sein natuerlicher Ort das Unterwegs. Aber in sekundaer-nomadisierten Zeiten kann der Fikusa ebensogut an einem der Nabel der Welt sitzen, ohne sich zu ruehren, und seine Netze in die staendige Umwaelzung der Kulturen halten. In jedem Fall aber gehoert der Fikusa – wie das Fernweh und der Stau – als fester [fixer] Bestandteil zu den Verkehrswegen der Information. An ihnen erhebt er seinen Wegezoll.

Die Leistung, die er fuer seinen Tribut erbringt, ist eine Konversion. Der Grad der Umformatierung, den das informationsverarbeitende System Fikusa intern vornimmt, haengt von den Regeln des jeweiligen Informationsmarktsegmentes und seinem individuellen Geschick ab. Es gibt den Typus, der sich wie die Dame vom Amt in Telefongespraeche einklinkt [oder mit einer digitalen Netz-Metapher gesprochen: wie ein Router in die Paketstroeme], der lediglich die Telefonnummern aus seinem elektronischen Organizer miteinander abgleicht, zur rechten Zeit den rechten connect vermittelt, woraufhin die verkuppelten Parteien alles weitere untereinander, ohne sein Zutun regeln.

Am anderen Ende der Skala steht der Typus Fikusa, der die Information beim Durchgang durch sich anreichert, eine komplexe Transkodierung vornimmt, der der Kaeuferseite Interpretation, Zusatzinformation, Kontext, Uebersetzung ueber Sprach- und Kulturgrenzen hinweg mitliefert, value added information; der die Kommunikationen von einem geschlossenen System in das andere transponiert.

Dass diese Form von Multikulturalitaet eine andere Referenz erfordert als die auf Wahrheit macht eine Geschichte von Foersters deutlich.

>Ich habe einen lieben Freund, der in Marakesch aufgewachsen ist. Das Haus seiner Familie stand auf der Strasse, die das juedische vom arabischen Viertel trennte. Als Jugendlicher spielte er mit all den anderen Kindern, hoerte sich an, was sie dachten und sagten, und lernte ihre grundsaetzlich verschiedenen Ansichten kennen. Als ich ihn einmal fragte, wer denn recht haette, antwortete er mir, beide haetten recht.< >Aber das kann doch nicht sein<, beharrte ich auf meinem aristotelischen Standpunkt, >nur einer kann im Besitz der Wahrheit sein!< >Das Problem ist nicht Wahrheit<, antwortete er, >das Problem ist Vertrauen.<

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