Die Chinesen stellten sich frueher vor, die Erde sei ein Koerper, die Felsen dessen Knochen, die Erde sein Fleisch, und die Baeche, Fluesse und Meere sein Blut. Solche Analogien gibt es in sehr vielen Mythen: Riesen, die stuerzen und zu Landschaften werden. Im Zeitalter der Aehnlichkeiten [Foucault] finden muehelose Uebersetzungen statt: Sagt man >Wasser<, kann man genausogut Blut meinen.
Dieses Vertauschwissen laesst sich in meinem Sonderbereich, der Kunst, immer noch ueberzeugend einsetzen, ebenso wie die Magie, die auf den Analogien beruht. Male ich einen Stein, kann ich ein Gebirge meinen oder auch meine eigenen Knochen, den nichtwaessrigen Bestandteil meines Koerpers, das Tote in meinem Fleisch. Es finden aber keine alchimistischen Verwandlungen statt: Scheisse wird nicht zu Gold. Eher verhaelt sich die Kunst wie der denkende Ozean aus Lems >Solaris<, der die festesten wie die fluechtigsten Dinge aus anderem Stoff nachbilden kann. Ich habe in Jugoslawien richtig schwimmen gelernt, in einem sehr heissen Sommer an einer sehr kahlen Kueste. Lange tauchen, Handstaende machen unter Wasser, an die glatte Haut der anderen greifen. Ich uebte den Rueckwaertskoepfer von der Kaimauer aus und sprang nicht weit genug. Mein Vater musste viele viele schwarze Seeigelstacheln aus meinen Haenden und Fuessen holen. Der Stein, die Seeigel, die spaerlichen Pflanzen, alles roch so gut. Im Supermarkt gab es fast nichts zu kaufen. Spaeter wollte ich unbedingt ein Bild malen, auf dem zwei sonnenverbrannte Maedchen im sehr blauen Wasser herumspringen. Wichtig war mir das Rotbraun und Blau, aber man sollte auch diesen Geruch riechen koennen und ein Gefuehl von Freiheit haben. Das ist mir nicht geglueckt. Ich war ja auch erst fuenfzehn oder so. Ich gehe auch jetzt schwimmen, so viel ich kann, im Freibad oder See, schwimme weit hinaus im Meer. Im Wasser bin ich immer gleich gluecklich. Ich sehe bei den anderen Menschen, dass es ihnen aehnlich geht. Das Wasser ist der grosse Gleichmacher. Die kleinen Kinder spritzen herum, egal aus welcher Familie und Weltgegend sie kommen. Am Wasser wollen die Menschen mit ihren Familien sein, die Jugendlichen mit ihren ersten Lieben, die sie schupsen koennen. Man will etwas essen und trinken. Eigentlich will man auch gern singen, das tut man leider hier nicht so. Am und im Wasser gibt es eine kleine Version des irdischen Paradieses, >La Grande Jatte<. Jetzt wohne ich in der Naehe des Ploetzensees, dort sieht man im Strandbad Tuerkinnen mit Kopftuechern, daneben hinten am Steg die ganz Nackten, dazwischen Afrikaner, die fuer einen Empfang Tische mit Essen aufgestellt haben. Kinder werden auf franzoesisch, tuerkisch, deutsch vom hohen Klettergeruest heruntergerufen. Vor einigen Jahren habe ich eine Ausstellung gemacht, >Nell’aqua nell’aria< - Im Wasser in der Luft. Zwei Maedchen springen durch die Luft in einen See, auf meinem Bild schweben sie auf immer in der Luft ueber dem Wasser. Das war auch ein Versuch, das nicht geglueckte Bild, das mir mit fuenfzehn vorschwebte, nachzuholen, aber eigentlich ist das ganz anders [viel ekstatischer, nicht so berlinerisch kuehl] und liegt also noch vor mir wie so vieles. Ich habe ausserdem noch ein sehr grosses Bild vorbereitet [fotografiert], Nacktbader im Liepnitzsee, das seit Jahren darauf wartet, gemalt zu werden. Regen mag ich auch, aber weil ich viel Fahrrad fahre, habe ich mir eine wasserdichte gelbe Regenjacke in einem Surferladen gekauft. Sie hat ein himmelblaues Sternzackenmuster. Ich mag sie sehr, weil ich damit auch durch die tropischen Regenguesse dieses verregneten Sommers komme. Und Schnee, vor allem Schnee zu essen. Wasser trinke ich nur dann gern, wenn es sehr frisch ist, sonst spuere ich es lieber am Koerper. Ich dusche und bade auch sehr gern, gehe gern in den Dampf der Sauna, eigentlich liebe ich alle Zustaende von Wasser. An das erste Aquarium erinnere ich mich nicht. Aber in Duesseldorf gab es ein Museum, in dem ein Aquarium und ein Planetarium waren, und beides zusammen gab mir einen starken Eindruck von fremdartiger, grosser Welt. Sonst: dreckige Scheiben, Tiere, die ewig diesselben Bahnen schwimmen. Ein winziger, quaelender Ausschnitt der grossen Freiheit.