Ein Vagabund zieht uebers Land. Sein Koerper ist bedeckt mit Taetowierungen. Sie werden fuer den, der auf sie schaut, lebendig und erzaehlen eine Geschichte aus der Zukunft. So die Rahmenhandlung von Ray Bradburys Science-Fiction-Buch >The Illustrated Man<. Eine dieser 18 Geschichten, die sich auf der Haut des Vagabunden abspielt und sich in den Augapfel des Lesers brennt, heisst >The Long Rain<.
Eine Truppe von Astronauten strandet auf einem fremden Planeten. Dort regnet es. Es ist kein gewoehnlicher Regen, kein Schauer, kein Niesel, sondern ein wortwoertlicher Niederschlag, von der Art, dass man ohne Kopfschutz ertrinken muss. Sintflutartig ergiesst sich das Wasser und dringt in alle Poren, weicht alles auf. Es donnert vom Himmel. Es prasselt vom Himmel. Ein Tosen liegt in der Luft und entlaedt sich auf die schuetzenden Helme.
Der erste Astronaut verliert den Verstand. Dann der naechste. Am Ende ist nur noch einer uebrig. Alleine. Es ist anders, als ins Wasser zu fallen und darin zu ertrinken. Das waere ein stiller Tod, zu dem nur ein einziges Geraeusch dringt: Das so ferne und doch so nahe Rauschen und Pochen des Blutes, auf seltsame Weise vertraut und doch fremd, was da in unserem Innern durch die Venen jagt.
Langsam wuerde es leiser werden. Und dann: Stille. Ewig. Beim >Long Rain< aber wird nicht still und heimlich ertrunken. Es haemmert, es tost. Der Laerm, der Regen, wird zu einer Praesenz, in der sich die eigene verliert. Der Schutz des Helmes wird zum Fluch. Der Laerm schwillt an, der Wahn setzt ein. Der Tod: ENDLICH Stille. Weil ich Wasser sonst immer mit Dahinfliessen assoziiere, ist mir diese Geschichte ueber Jahre hinweg in Erinnerung geblieben. Das Ur-Element wird hier zur Bedrohung. Nichts mit >steter Tropfen hoehlt den Stein<. Wasser kann unheimliche Kraefte entwickeln. Und: Was sonst weich und anschmiegsam ist, wird, wenn man aus grosser Hoehe darauf faellt, hart wie Beton. Ich war nie wasserscheu, schwimmen habe ich einfach so gelernt. In der Badewanne den Kopf unter Wasser halten und den fremden Geraeuschen lauschen - herrlich. Toter Mann spielen und dahindriften, immer eine Puste Lunge voll - auch herrlich. An der Decke meines Wohnzimmers haengt ein aufblasbarer Papierfisch. Der macht mir mehr Freude, als Fische in einem Aquarium. Angeblich haben Goldfische ein Sekundengedaechtnis. >Ach, sie sind heute auch da!< Und im naechsten Moment: >Kenne ich sie nicht von wo?< Die schoenste aller Wassergeschichten ist die der kleinen Meerjungfrau. Dass die Kopenhagener ihr ein Denkmal gewidmet haben, hat mich schon als Kind fasziniert. Weil ich zu den Wasserglas-halb-voll-Leuten gehoere, stoert mich Regen nicht. Es gibt eben nur schlechte Kleidung und kein schlechtes Wetter, oder? Und zu guter Letzt: >Wasser ist zum Waschen da, falleri und fallera. Auch zum Zaehnepuuutzen, kann man es benuuuutzen.< [Anm. d. Red.: Die Verfasserin des Textes ist Schriftstellerin. Zuletzt erschien von ihr Tee mit Buddha.]
“The illustrated Man” als Referenz fürs Wasserthema? Nicht schlecht kombiniert, Hütchen ab!