Wenn die Musik so laut ist, dass man seine eigenen Gedanken nicht mehr hoeren kann, dann schreibt es sich am Besten. Jetzt ist es gerade so. Rauschschreiben. Come with me to a journey under the skin. Einfach immer weiter schreiben. Beck’s Lemon. Wer das erfunden hat… Ich denke ueber Kommunikationsloecher nach. Neulich bin ich in so ein Ding mal reingefallen… Alles fing an einem lauen Nachmittag im letzten Sommer an. Ich lag auf dem Bett und befand mich in einer Art Daemmerzustand. Jener Zustand, der einsetzt, wenn man gut gegessen hat und alles einfach perfekt ist. Die Sonne blinzelte durch die beigefarbenen Vorhaenge und tauchte das Zimmer in samtenes Licht. Der Fernseher lief, der Ton war abgestellt. VIVA. Ich sah den Clip also im Halbbewusstsein, schlief ein, vergass alles wieder.
Ein paar Tage spaeter lief der Clip dann in der Dauerrotation und ich hatte ein verstoerendes Deja-vu-Erlebnis. Als waere eine intime Vision ploetzlich Realitaet geworden: Da waren sie, die Jungs von Tokio Hotel, mit ihrem Kracher >Durch den Monsun<. Ich war verbluefft, vielleicht sogar mehr als das. Vier Jungs, alle unter zwanzig, die Protagonisten sogar erst 15 Jahre alt! Und wie sie aussahen! Der Leader der Band [Bill] und sein Zwillingsbruder [Tom] - gemeinsam waren sie aufgebrochen, um Maedchenherzen zu brechen. Bill mit seinem sehr zarten Gesicht, geschminkten Augen und seinen stacheligen pechschwarzen Haaren - wie eine Manga-Queen. Tom mit einem ebenso fein geschnittenen Gesicht, Rastalocken und Baggypants und dem Blick einer Welpe. Einfach unglaublich. Die vier waren auf einmal da, ganz ohne Vorankuendigung durch ein Casting. Und sie rockten! Das Phaenomen interessierte mich und ich begann zu recherchieren. Das war nicht schwer, denn jede Woche zierten ihre Konterfeis das Cover der BRAVO. Im Internet baute sich schnell eine riesige Fangemeinschaft auf. In den Weblogs verabredeten sich die Girls dazu, den Namen der Band auf ihre Tampons zu schreiben usw. Doch nicht alle freuten sich ueber den Erfolg. Und so schien es genau so viele Hasser wie Fans zu geben. Die Band schied die Geister. Ich wollte jedoch hinter die Oberflaeche sehen und machte mich daran, den Text des Hits zu dechiffrieren: >Ich muss durch den Monsun, hinter die Zeit, ans Ende der Welt, bis kein Regen mehr faellt<. Textanalyse zum Mitsingen: >Ende der Welt<. Ein unverkennbares REM-Zitat: It’s the end of the world… bla bla bla. Dann die Zeile >Bis kein Regen mehr faellt<. Natuerlich eine Umkehrung von diesem Jermaine Jackson-Song, den er mit dieser Frau [Pia Zadorra] aufgenommen hat. Man hatten die in diesem Video verrueckte Frisuren! Das war kein schlechter Song, auch wenn es gar nicht geregnet hat. Aber da war mehr. Denn TH beschraenkten sich mit ihren Zitaten nicht nur auf die Popwelt. Offenbar hatten sie auch Weltliteratur gelesen. Ein Beispiel: Wenn man die einzelnen Buchstaben von >Monsun< nahm, das mir uebrigens seit dem Geounterricht der achten Klasse nicht mehr unterkommen ist [vielleicht der schwerwiegendste Beweis, fuer die Authentizitaet des Textes, denn auch TH sind in der zweiten Klasse!], also wenn man die Buchstabenfolge aufdroeselte, dann kam folgendes ueberraschendes Ergebnis zustande. Monsum = Mann Ohne Nennenswerte Sinne Und Neigungen. Woran musste ich da wohl denken? Genau: Robert Musil, der diesen tollen eine Millionen Seiten langen Comic geschrieben hat. Mit diesen Einsichten im Hinterkopf, kroch ich aus dem Kommunikationsloch und sah folgendes Bild Gestalt annehmen: Vor 16 Jahren trafen sich Jermaine Jackson und Michael Stipe. So lernte Michael Stipe auch Pia Zadorra kennen und voegelte mit ihr auf dem Grab von Robert Musil, rein zufaellig. Dabei zeugten sie zwei Kinder. In den Wirren der Wende ist dieser kleine Skandal untergegangen und Bill und Tom, die Frontwesen von >Tokio Hotel< konnten unbehelligt in den neuen Bundeslaendern heranwachsen. Bis irgendwann die Zeit reif fuer sie war, da entdeckte sie ein Produzent und kaufte sich die Rechte an den Haaren von Bill und den Hosen von Tom. Seitdem tingelten sie durchs Land und brachen Herzen. Natuerlich im woertlichen Sinn. Ich selbst wartete jedenfalls darauf, dass sie eines Nachmittags bei mir anklopfen...