Ich bin in Spanien, Deutschland und Argentinien zweisprachig aufgewachsen. Diese Erfahrung und die vielen Reisen, die meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern durch die iberische Halbinsel und Lateinamerika gemacht haben, haben schon seit frueher Kindheit mein persoenliches Interesse an Ibero-Amerika gepraegt.
Tief in meine Erinnerung eingepraegt haben sich eine Reihe von Szenen meiner Kindheit und Jugend, alltaegliche Interaktionen mit Menschen, Feste, kleine Gesten oder emotionale Konflikte, bei denen ich kulturelle >Andersartigkeit< intensiv erlebt habe; sozusagen >Differenz< fuer mich auf einen Punkt gebracht wurde. Geblieben ist mir von diesen Szenen das Gefuehl des Erstaunens, sicher auch der Verunsicherung, wenn man auf einmal feststellt, dass man sich nicht normgerecht verhalten hat und die kulturellen Codes nicht richtig beherrscht. Damit haengt ebenfalls die Erkenntnis zusammen, dass kulturelle und soziale Prozesse aeusserst dynamisch und verwirrend komplex sind. Geblieben ist mir von diesen Szenen aber auch die Gewissheit, dass trotz aller kultureller Differenzen Kommunikation moeglich ist und es letztendlich viele Gemeinsamkeiten gibt. Die Faszination kultureller Vielfalt, die Erfahrung kultureller Differenz und das Interesse, fremde Lebenswelten besser verstehen und erklaeren zu koennen, haben mich zum Studium der Ethnologie gefuehrt. Das Studium ermoeglichte mir eine analytische Reflektion ueber die subjektiven Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend. Ueber das Studium konnte ich die theoretischen und methodischen Werkzeuge erwerben, um kulturelle Komplexitaet, d.h. die Zusammenhaenge zwischen sozialer, politischer und oekonomischer Struktur und dem Handeln der einzelnen Akteure, besser zu durchdringen. Hierbei war es mir auch wichtig, umfassender zu lernen, wie man Bruecken zwischen unterschiedlichen Kulturen baut; d.h. wie man als >kultureller Uebersetzer< agieren kann. Nach dem Studium der Ethnologie, Ur- und Fruehgeschichte sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte an den Universitaeten Muenchen und Goettingen promovierte ich 1990 mit einer ethno-archaeologischen Arbeit. In den darauffolgenden Jahren war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitaeten Goettingen und Bonn beschaeftigt und fuehrte Lehrauftraege an den Universitaeten Tuebingen, Hohenheim und Koeln durch. Auch war ich als Gastprofessorin an den Universitaeten Buenos Aires, Cordoba und Jujuy [Argentinien], der Universitaet San Simon [Bolivien] und den Universitaeten Tarapaca und Catolica del Norte [Chile] taetig. Von 1998-1999 hielt ich mich als Gastwissenschaftlerin am Laboratoire d’Anthropologie Social [College de France] in Paris auf. Im Rahmen mehrerer interdisziplinaerer Forschungsprojekte fuehrte ich laengerfristige Feldaufenthalte [insgesamt 3 ½ Jahre] im Andenhochland Nordwest-Argentiniens und Nord-Chiles durch. Seit 2002 leite ich das Sekretariat der internationalen Wissenschaftsorganisation >International Human Dimensions Programme on Global Environmental Change<, welches weltweit sozialwissenschaftliche Forschung zum globalen Umweltwandel koordiniert. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Mensch-Umwelt-Beziehungen, kulturelle Dimensionen des Risikomanagements, Umweltwandel und Globalisierung, soziale Identitaet und Geschlechterbeziehungen. Neben dem bereits erwaehnten Interesse, kulturelle >Andersartigkeit< zu verstehen und zu erklaeren, durchziehen noch zwei weitere Konstanten mein berufliches Leben. Zum einen das Bemuehen darum, disziplinaere Grenzen zu ueberschreiten, zum anderen die Frage, wie man interdisziplinaere und internationale Forschung und Lehre organisiert. Die in diesen Bereichen erworbenen Kenntnisse im Wissenschaftsmanagement sind auch in meiner neuen Funktion als Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts von grosser Bedeutung. Was sind meine Einsichten bezogen auf interkulturelle Dialoge? Die Erkenntnis, dass Bruecken zwischen den Welten nicht von selbst entstehen, dass sie gebaut werden muessen und an ihrem Erhalt kontinuierlich gearbeitet werden muss, dass diese Bruecken flexibel gestaltet und ausgebaut werden muessen, damit sie nicht zu Einbahnstrassen oder Sackgassen werden. Es bedarf kontinuierlicher inhaltlicher und organisatorischer Arbeit, vieler kleiner unspektakulaerer Schritte aber auch finanzieller Investitionen, damit dauerhafte, kreative und produktive Kooperationen eine Realitaet werden. Grundvoraussetzungen fuer interkulturelle Dialoge sind der gegenseitige Respekt und die Bereitschaft, Vertrauen aufbauen zu wollen; aber auch die Bereitschaft, sich dem Prozess des Aushandelns gemeinsamer Plattformen intellektuell und emotional auszusetzen. Auch muss man sich selbst gut kennen, um auf den >Anderen< zugehen zu koennen; so wie man ja auch ueber den >Anderen< viel ueber sich selbst erfaehrt. Neben der Personalfuehrung und dem Management des Ibero-Amerikanischen Instituts bestehen meine Hauptaufgaben darin, die >Aussenministerin< der Institution zu sein und es in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern strategisch weiterzuentwickeln, z.B. ueber nationale und internationale Kooperationen, inhaltliche Schwerpunktsetzungen, aber auch Drittmitteleinwerbung. An der Position reizen mich die Gestaltungsmoeglichkeiten, die Herausforderungen sowie die Lern- und Entwicklungspotentiale fuer mich als Person, die sie mit sich bringt. Das Ibero-Amerikanische Institut ist bereits bei seiner Gruendung als eine Institution konzipiert worden, die ueber ihre drei Saeulen - Informationszentrum, Forschungszentrum, Kulturzentrum - als Bruecke zwischen den Welten fungieren soll. Diese Rolle der Institution als Koordinationsplattform fuer interkulturelle und transkulturelle Dialoge und als Katalysator von Kooperation, nachhaltig zu festigen und auszubauen, stellt fuer mich das Spannende und das Interessante dar. Nicht nur ergaenzen sich die drei Saeulen - Informationszentrum, Forschungszentrum, Kulturzentrum - hervorragend; ihre Kombination beinhaltet darueber hinaus ein kreatives Spannungsfeld, welches eine sich wechselseitig verstaerkende Vielfalt ermoeglicht. Sich diesem Spannungsfeld auszusetzen, es auszuhalten und dazu beizutragen, dass es inhaltlich und organisatorisch in produktive Bahnen gelenkt wird, macht fuer mich den Reiz meiner neuen Aufgabe als Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts aus. Das Institut verbindet drei Bereiche auf originelle Weise miteinander, die ansonsten zumeist parallel nebeinander stehen. Die Kombination der besagten drei Saeulen schafft einen in dieser Form in Europa einzigartigen facettenreichen institutionellen Korpus. Kern des Informationszentrum ist die drittgroesste Fachbibliothek auf der Welt zu Ibero-Amerika. Das Forschungszentrum fuehrt in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen Projekte zu den Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa und Identitaetskonstruktionen in Lateinamerika durch, initiiert und koordiniert die systematische Auswertung der umfangreichen Nachlaesse und gibt Publikationen heraus. Das Kulturzentrum organisiert eine breite Palette von Veranstaltungen, die von Lesungen, Diskussionsrunden, Konzerten, Ausstellungen bis hin zu Filmvorfuehrungen reichen. Die Kombination dieser drei Saeulen praedestiniert das Institut dazu, als Bruecke zwischen den Welten agieren und diese Vermittlerrolle aktiv gestalten zu koennen. Es traegt dazu bei, die relevanten Aktivitaeten auf dem Gebiet der ibero-amerikanischen Kultur in Berlin zu buendeln und nach aussen sichtbar zu machen und gemeinsam mit den politischen Vertretern der Laender Ibero-Amerikas und Deutschland die finanzielle Nachhaltigkeit der Aktivitaeten abzusichern.