Waehrend meines Politologiestudiums am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin hielt ich mich fuer zwei Semester in Barcelona auf. Dieser Aufenthalt hat mein Interesse an Spanien und an der Iberischen Halbinsel bestaerkt. Entstanden war dieses – anfangs ueberwiegend politische – Interesse vor allem im Zusammenhang mit meiner Beschaeftigung mit dem Spanischen Buergerkrieg und der Franco-Diktatur, da ich Anfang der siebziger Jahre in Berlin einige hier lebende oppositionelle Spanier kennen gelernt und mich dann intensiver mit spanischer Geschichte und Gegenwart befasst habe.
Da ich waehrend des Studiums regelmaessig in Verlagen, Druckereien und Setzereien gejobbt habe, entstand die Idee zu einem Verlag, der sich schwerpunktmaessig der hispanophonen [und lusophonen] Welt widmen sollte. Zusammen mit einem frueheren Kommilitonen gruendete ich 1986 die edition tranvia; einige Jahre spaeter war ich der alleinige Verleger, da sich mein Kompagnon beruflich anders orientierte.
Verleger zu sein kann sich sehr unterschiedlich darstellen. Ein grosser Verlag erfordert und bietet anderes als ein kleiner Verlag wie etwa die edition tranvia. Ich bin ganz unmittelbar mit fast allen Arbeitsbereichen befasst, die es in einem Verlag gibt [mit Ausnahme des Drucks der Buecher], d.h. vom Lektorat ueber Layout und Korrektur bis zum Versand/Vertrieb der Buecher, dazu viel Organisatorisches, Buchfuehrung und dergleichen mehr. Das macht die Arbeit zum einen interessant, zum anderen reicht die Zeit nie aus fuer all das, was zu tun ist, und immer besteht die Gefahr, sich in zu vielem Klein-klein zu verzetteln.
Waehrend der ersten Jahre stand im Zentrum meiner verlegerischen Arbeit nicht so sehr die Buchproduktion, sondern eine Zeitschrift: >Tranvia – Revue der Iberischen Halbinsel<, mit regelmaessigen >Ausfluegen< nach Lateinamerika und in die portugiesischsprachigen Laender Afrikas und Asiens. Tranvia - zu deutsch Strassenbahn - erschien von 1986 bis 2003 regelmaessig alle drei Monate, insgesamt 70 Ausgaben; die Zeitschrift wurde von mir nicht nur verlegt, sondern auch herausgegeben und redaktionell betreut. Vor zwei Jahren habe ich mich entschlossen, Tranvia nicht weiter herauszubringen, da alles darauf hindeutete, dass die Zeitschrift ueber kurz oder lang in die roten Zahlen gekommen waere: Ab Mitte/Ende der neunziger Jahre ging die Zahl der Abonnenten langsam zurueck, der Buchhandelsverkauf brach geradezu ein und die Zahl der Anzeigen sank auf ein Minimum. Gruende dafuer moegen u.a. ein veraendertes Leseverhalten und die zunehmende Nutzung von Internet-Publikationen sein; zudem war fuer eine linke, kritische Zeitschrift fuer Kultur und Gesellschaft mit Spezialisierung auf die iberische Welt die >Marktnische< ohnehin recht klein. Ein weiterer inhaltlicher Ansatz der edition tranvia - sowohl auf die Zeitschrift als auch auf die Buecher bezogen - war das Verstaendnis der Iberischen Halbinsel als einer Region, die sich nicht einfach nur aus zwei Staaten, sondern aus mehreren, sprachlich und kulturell miteinander verwandten, aber dennoch voneinander verschiedenen Regionen zusammensetzt: Also nicht nur Spanien und Portugal, sondern auch Katalonien, das Baskenland, Galicien... Dieser Ansatz spiegelt sich auch in mehreren Buechern: Beispielsweise >F.C. Barcelona – Zwischen Sport und Politik< oder >Barcelona – Ein Tag und seine Folgen< [ueber die revolutionaere Entwicklung 1936/1937], >Euskadi< [ein Lesebuch zu Geschichte, Politik und Kultur des Baskenlands] und, erst kuerzlich erschienen, ein Band ueber in baskischer Sprache geschriebene Literatur. In Vorbereitung ist eine zweisprachige Anthologie mit galicischen Gedichten. Buecher zu lateinamerikanischen Themen wurden erst einige Jahre spaeter in das Programm aufgenommen. Es sind dies vor allem kultur- und literaturwissenschaftliche Studien, aber auch zwei Biographien von Emigrantinnen, die Anfang der zwanziger Jahre nach Argentinien bzw. in den dreissiger Jahren nach Uruguay emigriert sind. Zuletzt sind in der edition tranvia auch einige Buecher zu franzoesischen Themen erschienen, so etwa ein laengerer Essay von Victor Klemperer ueber Voltaire. Ich denke, dass jeder Verlag, der Literatur ueber andere Laender und Regionen sowie Uebersetzungen veroeffentlicht, einen Beitrag zum Kulturaustausch leistet. Dass es eine starke Dominanz von Uebersetzungen aus dem angelsaechsischen Sprachraum gibt und Uebersetzungen aus anderen [wie z.B. den iberischen] Sprachen einen nur kleinen Anteil haben, ist sicher ein Problem, das jedoch nicht so sehr den Verlagen anzulasten, sondern eher auf die generelle Ausrichtung des oeffentlichen Interesses zurueckzufuehren ist. Finanzielle Foerderung von Kulturaustausch in unterschiedlichster Form wie durch das Instituto Cervantes [Spanien] und das Instituto Camoes [Portugal] kann hier nur sehr begrenzt entgegenwirken. Entscheidend ist, wie sich das allgemeine Interesse an anderen Kulturregionen entwickelt. Die starke Zunahme von Spanisch als Fremdsprache oder das erhoehte [auch touristische] Interesse an einem Land wie Brasilien in den letzten Jahren hierzulande koennten auf eine veraenderte Wahrnehmung und damit auch auf eine >Diversifizierung< kultureller Ausseneinfluesse und des entsprechenden >Austausches< verweisen.