Ein Element rebelliert

Ich bin in Australien aufgewachsen und war regelmaessig an Straenden, bevorzugterweise an solchen, an denen es durch die Tiede ausgehoelte Felsenbecken gab. Das waren meine ersten Aquarien. Jedes einzelne Becken beinhaltete eine einzigartige Welt mit seiner eigenen Topologie und seinen eigenen Bewohnern. Da der Zugang zu solchen Aquarien so einfach und vielfaeltig war, hatte ich gar nicht das Beduerfnis zu Hause ein eigenes zu kreieren. Mein sehnlichster Wunsch als Kind war es, unter Wasser atmen zu koennen.

Obwohl Aquarien architektonisch und binnenlaendisch schoen sein koennen, vermag ich trotz der hypnotischen Wirkung die Beduerfnisse der Kreaturen, die solch kuenstliche Raeume bewohnen, nicht ausblenden. Auch wenn diese Raeume fuer Fische absolut adaequat erscheinen, ist der beabsichtigte Effekt der Ausschmueckung auf den Aengsten und Leiden der Bewohner gebaut. Hier in London, wo ich seit langem lebe, gibt es einen sehr schicken Schneider, in dessen Salon ein wunderschoener Tank steht. Darin schwimmen exquisite schwarze und weisse Rochen, die unglaublich schoen sind. Der Tank ist perfekt ausgeleuchtet, sogar die Umwelt darin ist authentisch. Leider empfinde ich eine unertraegliche Spannung zwischen der Aesthetik dieses Aquariums und der natuerlichen Lebensweise der Rochen, was fuer mich die Intention des Designs total zerruettet.

Meine Arbeit als Komponist und Kuenstler beschaeftigt sich eher mit dem vom Menschen beobachteten [und manchmal gebrauchtem] Wasser. Ich finde >leere< Wassermassen metaphernreich und architektonisch provokativ. Das einzigartige Verhalten von Wasser als Element empfinde ich als Provokation gegenueber allem anderen Material. Mich fasziniert die Einbindung von Wasser in die Architektur durch z.B. Becken oder Springbrunnen. Der Umgang mit Wasserbecken in den Arbeiten von Barragan und Scarpa; die extraordinaere Symbiose von Wasser und Stein charakterisiert die Therme in Vals bei Zumthor; die optische Integration von Wasser in das Leben von Casa Malaparte durch Klang und das fast strukturelle Einrahmen der Sichten in und aus dem Haus - diese Orte sind mit dem Element Wasser sozusagen verheiratet und bieten eine erhabene Erfahrung von gebauten Raeumen. In jedem statischen Zustand von Wasser ist ein fundamentales Paradox enthalten. Meine Drucke und photographischen Arbeiten beispielsweise, spielen mit der Sicherheit, dass das zeitliche Fixieren eines Moments gegen jegliche Formen des Verhaltens von Wasser stehen. Der Titel meines Siebdrucks >Forgetting 1 and 2< bezieht sich auf die Identitaet seines Subjekts [einen Wasserfall], festgehalten vor und nach dem Moment. Das was im Werk nicht enthalten ist, ist genau das, wodurch sich das Subjekt definiert. Im Kontrast dazu stehen die Videoarbeiten >Dreaming Camera< und >Still Life<, denn sie konfrontieren ein vielschichtiges Problem: das Ablehnen des Wassers von Form und Struktur. Wenn man fuer einige Zeit einen Wasserfall anschaut, merkt man den innerlichen Zwiespalt, ob man sich auf die Formvielfalt konzentrieren soll, oder seinem Geist einfach freien Lauf lassen soll. Unsere Erinnerung von sich bewegendem Wasser ist eine Abstraktion, eine Impression die sich daraus formt, die einzelnen Bewegungen vergessen zu haben. Wie die Erinnerung an Flammen ist sie ein Umriss des Vergessenen, der unwiederbringlichen, nicht wiederholbaren Momenten. Im Gegensatz zu all dem steht das Aquarium, das des Wassers Freiheit verneint und uns die haptische und mnemonische Erfahrung nimmt. Wasser in Aquarien aehnelt einem ausgestopften Tier das gleichzeitig als Haustier und Kompagnon dient. Beim Aquarium geht es also um alles, ausser um das Wasser, das es erst moeglich macht. Es gibt eine offensichtliche Beziehung zwischen Wasser als Bild und Wasser als Klang. Deshalb ist es keine Ueberraschung, dass wir fluessige Metaphern benutzen, wenn wir ueber Klang sprechen; Klang >fliesst<, >dringt ein< und >schwimmt<. Die physische Plastizitaet von Wasser macht es zu einem Element, was durch zeitliche Veraenderungen undefinierbar wird, genau wie Toene, die charakteristisch zeitfixiert sind. Unsere Erfahrungen mit Wasser brauchen und sind vor allem beeinflusst von Zeit. Ein Stein oder eine Photographie koennen augenblicklich erkannt werden. Fuer Musik und Wasser dagegen braucht man etwas Zeit. Meine Arbeit versucht von wasserspezifischem Verhalten zu erzaehlen, einem Bereich, in dem subtiler, stetiger Wandel zu einer stetigen Norm wird. Der Raum in dem man sich bewegt, wenn man schwimmt oder taucht ist vollkommen losgeloest von unserer gewohnten Umwelt und befugt uns Gedanken ausserhalb des normalen Diskurses ungehindert >fliessen< zu lassen. Ich versuche solche Raeume mit meinen Klangarbeiten zu erzeugen. Ich baue diese Raeume fuer meine Zuhoerer, die sie dann besetzen koennen. Einige meiner Werke sind von einem taoistischen Sprichwort inspiriert. Dieses Sprichwort ist eine Metapher ueber die Sinnlosigkeit des Versuchs etwas in die Wasseroberflaeche eingravieren zu wollen. Die jahrelange Auseinandersetzung mit Wasser als Umwelt, als Metapher und als Subjekt, hat meine Faszination fuer dieses Element stetig gesteigert; es definiert sich dadurch, dass es sich der Beschreibbarkeit entzieht. Klang laesst sich, glaube ich, genau so wenig schriftlich beschreiben, geschweige denn festhalten. Wir koennen ueber unsere Erfahrungen mit Klang und Wasser schreiben, aber wie so oft sind Worte diesbezueglich einfach inadaequat. Unsere Kultur hat viel zu viel Vertrauen in die Sprache gelegt und kann daher Phaenomene, die sich dieser entziehen, in ihrer subtilen transzendentischen Komplexitaet gar nicht mehr begreifen, weil sie nur ausserhalb unseres Diskurses ergruendbar sind. Wir muessen anerkennen, dass parallele Zonen existieren, die ausserhalb der gesprochenen Sprache liegen. Bedeutungsvoller Austausch ueber Wasser findet in ungesprochenen Konversationen statt: in Gebaeuden, Filmen, Photographien, Klaengen, Dueften - in der Tat kann sich unsere Auffassung von Wasser nur ueber solch kraeftige und agile Disziplinen weiterentwickeln. Das gleiche gilt fuer Klang, denn keine Fuelle an Sprache kann ansatzweise vermitteln, was sich zwischen dem Ohr eines Komponisten und dem Auge eines Malers bewegt.

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