Wie können wir tatsächlich aus unseren Fehlern lernen? Der Schulleiter Peter O. Chott beschäftigt sich in unserer großen Umfrage zum Thema BILDUNG mit der gegenwärtigen Fehlerkultur. Seine wichtigste Erkenntnis: Wir sollten das “Modell Autodidakt” in Frage stellen. Das gemeinsame Lernen und der Mut zu neuen Fehlern müssen hingegen angeregt werden.
Kurz vor dem Abitur bildete sich – eher zufällig – eine Lerngruppe, in der die Mitglieder Mathematik- sowie Physikaufgaben und deren Lösungen besprachen. Die Gruppe entstand aus den Treffen heraus, die zum Zwecke der Freizeitgestaltung stattfanden. Selbstverständlich hatten wir uns vorher auch bei den Freizeittreffen über Schulisches unterhalten, aber die Gespräche ergaben sich eher zufällig und gingen auch selten in die Tiefe.
Das belastende “stille Kämmerlein”
In der Lerngruppe wurde sehr zielorientiert auf das Abitur in den genannten Fächern hingearbeitet. Das waren meine ersten Erfahrungen mit Gruppenlernen. In der Schule wurden wir dazu meines Wissens nicht angeregt.
Jede(r) lernte in den Jahren zuvor für sich selbst “im stillen Kämmerlein” und ich hatte das Gefühl (von meinem Vater forciert), dass ich immer zu wenig gelernt hätte. Das Lernen in dieser Gruppe war sehr effizient. Leider erkannte ich das erst sehr viel später.
Das Alleinlernen empfand ist immer als Belastung, vor allem, wenn es galt, Schwierigkeiten beim Verstehen zu bewältigen oder konzentriert und ausdauernd bei der Sache zu bleiben. Ich fand es in der Schule (v.a. in den für mich uninteressanten Fächern, und das waren die meisten) äußerst schwierig, mich alleine ausdauernd zu konzentrieren und die “Aufschieberitis” zu überwinden. Letztlich waren es aber diese Defizite, die mich dazu brachten, sich dem Komplex ‘Lernen lernen’ professionell zuzuwenden.
Fehler als Teil des Lernprozesses akzeptieren
Ein anderer Vorfall brachte mir das Lernenlernen noch näher. Es war ein Fehler. Während der Studienzeit musste ich ein Referat halten. Die Thematik ist mir entfallen. Ich erkundigte mich beim zuständigen Professor nicht nach der Literatur, sondern “wurschtelte” mich etwa zwei Wochen intensiv durch das Thema.
Nach dem Referat fragte mich der Dozent, ob ich das Referat selbst erarbeitet hätte. Auf meine Bejahung hin, lobte er mein Engagement und fragte weiter, wie lange ich denn dafür benötigt hätte. Ich antwortete wahrheitsgemäß, worauf der Professor lächelte. Er wies mich darauf hin, dass in der Präsenzbibliothek eine neue Dissertation zu diesem Thema stünde. Wenn ich diese Quelle genutzt hätte, wäre meine Arbeitszeit vermutlich auf einen Tag geschrumpft.
Ich zog meine Lehre aus diesem Fehler. Es ist ein Beispiel dafür, wie vor über dreißig Jahren mit Fehlern umgegangen wurde: Man beging sie und lernte (eventuell) daraus. Der heutige Begriff der Fehlerkultur umfasst aber mehr. Es geht dabei um eine aktive Auseinandersetzung, um eine Vorausschau, bei der man Fehler nicht als Makel (bei mir als Unwissenheit über eine zielführende Literaturrecherche), sondern als Bestandteil des Lernens akzeptiert und nutzt.
Aufbau einer Fehlerkultur
Vor allem auf den Gebieten der Medizin und der Unternehmensführung wird vom Aufbau einer “Fehlerkultur” gesprochen. Die “Halbgötter in Weiß” und auch die “gelackten Top-Manager” gestehen zunehmend Fehler ein und wollen diese konstruktiv verbessern. Auch ich beanspruche in meiner schulischen Führungsposition eine solche “Fehlerkultur”. Warum darf (ausgerechnet) ich als Schulleiter keine Fehler machen? Das ist die Botschaft, die ich meinen Mitarbeitern gebe.
Und weiter: Fehler (und nicht nur meine) müssen analysiert werden und zukünftig verbessert werden. Meinen Referendaren rate ich allerdings: “Sie dürfen Fehler machen, aber nicht fünf Mal den gleichen. Lassen Sie sich beim nächsten Unterrichtsversuch neue Fehler einfallen!”
Heute bilde ich mich durch alleiniges Literaturstudium, vor allem aber auf Kongressen oder Lehrgängen mit anderen zusammen weiter. Auch lerne ich aus der Analyse von Fehlern anderer relativ häufig. Das Internet ist mir bei meiner Fortbildung ein unentbehrlicher Helfer. Dabei nutze ich Wikipedia zur Orientierung und Datenbanken als wissenschaftliche Quellen. Ebenso machen Google alerts oder der Newsletter des Informationsdienstes Wissenschaft (IDW) meine Fortbildung effizient.
Schade nur, dass wir mit Bachelor-Punkten und NC-Druck in einer Bildungswelt leben, die Fehler eigentlich nicht mehr erlaubt…
Interessanter Text! @Mark Deffler: Ich glaube, dass Fehlermachen auch in der Bologna-Welt geht – in dem Text steht ja auch, dass die Fehlerkultur inzwischen auch in der Managerwelt angekommen ist. Warum dann nicht auch in der Uni?
Schöner Text und richtiger Ansatz zum Thema Lernen! Werde ich verlinken …
kann ich nur beipflichten, Fehler oder das Scheitern lösen bei mir das Gefühl “Versagt zu haben aus” Und bedeutet eine große Selbstentwertung. Darin besteht auch der große Vorteil des Gruppenlernens, das auch andere Fehler machen, sich plagen müssen. Guter Text der wesentliches trifft