Rudimentaeres Deutsch

Als ich am 27. Juli dieses Jahres auf Mallorca ankam, hatte ich wenige Erwartungen. Ich dachte, es wuerde einfach nur ein weiterer schoener Sommer werden. Das erste, das mich jedoch ueberraschte, war die Calle del Jamon [Schinkenstrasse]. In Wirklichkeit hat sie einen anderen Namen, aber die Deutschen nennen sie so und der wirkliche Name ist laengst in Vergessenheit geraten.

Dort war das Hotel, in dem ich die naechsten 13 Wochen arbeiten und verbringen wuerde. Dort war auch der deutsche Wahnsinn zu Hause: Alles war auf Deutsch ausgeschildert. Spaeter in der Nacht waren ueberall schreiende Deutsche zu hoeren, die schlimmsten von ihnen fanden sich auf dem Bordstein ein. Am naechsten Morgen waren Reinigungskommandos in der Calle del Jamon unterwegs. Sie saeuberten den Gehweg, der aussah, als haette dort eine Schlacht stattgefunden: Glas, Flaschen, Alkoholreste, Erbrochenes… und all das nur wegen der Party, die die Deutschen in der Nacht davor gefeiert hatten.

Als ich meinen Arbeitsplatz betrat, hatte ich diesen Anblick laengst verdraengt – in der Annahme, es habe sich um eine Ausnahme gehandelt. Wer weiss, vielleicht hatte es einen besonderen Anlass gegeben. Ich nahm also meine Arbeit in dem Hotel auf, die darin bestand, das Managementprogramm zu ueberarbeiten. Alles schien so perfekt: RIU, die Firma, zu der das Hotel gehoerte, war im Wachstum begriffen; die meisten der Angestellten waren Deutsche oder sprachen Deutsch. Die Aussicht, dass ich mein rudimentaeres Deutsch verbessern wuerde, war also gut.

Am naechsten Tag wiederholte sich das Festival, dass die Deutschen in der Calle del Jamon veranstalteten, alle umliegenden Strassen waren davon uebrigens auch betroffen. Und als ich am Morgen darauf ins Buero ging, bekam ich wieder das Gleiche zu sehen: Reinigungskommandos, die die Strasse in Ordnung zu bringen versuchten. Unfassbar: dieser Vorgang wurde zur Routine. Er wiederholte sich an jedem weiteren Morgen und in den Naechten bekam ich immer schlimmere Auswuechse des deutschen Wahnsinns zu sehen.

Das Bild, das ich von den Deutschen hatte, verschwand nach und nach aus meinem Bewusstsein. Immerhin: Ich hatte im vorherigen Sommer die Gelegenheit gehabt, ein paar Wochen in Berlin zu verbringen. In jener Zeit lernte ich Deutsche kennen, die respektabel waren, gebildet, still, manchmal ein bisschen zu ernst,… vertrauensvolle Menschen. Fakt aber war: Diese Bilder gehoerten der Vergangenheit an, was sich nun vor meinen Augen ereignete, nahm taeglich groteskere Konturen an.

Sie tranken und hoerten nicht mehr auf zu trinken – den ganzen Tag lang, bis sie nicht mehr gehen konnten. Sie verschmutzen die Straende mit Flaschen, Plastikmuell und jedwedem Abfall. Womit sie sich besoffen, war mir eigentlich egal, auch dass sie es taten. Aber was mich wirklich stoerte, war der Schmutz, den sie produzierten und hinterliessen. In Deutschland werfen sie noch nicht einmal ein Stueck Papier auf den Bordstein…

Im September erfuhr das Ganze dann noch eine unerwartete Steigerung. Ich hatte nicht geglaubt, dass dies moeglich war, aber so sollte es kommen. Das Programm, an dem ich arbeitete, war schon fast abgeschlossen, als sich der Zulauf an Besuchern aus Deutschland vergroesserte. Sie schienen nur eines im Kopf zu haben: Sex und Party. Der deutsche Wahnsinn verdoppelte sich quasi und der Eindruck erhaertete sich, dass sie auf Mallorca eine Moeglichkeit suchten, sich auszutoben. Werden sie in ihrem Heimatland so gnadenlos unterdrueckt?

Ich verliess die einst so pittoreske Insel mit gemischten Gefuehlen. Nicht zuletzt, weil mir nicht klar war, wie das Programm, an dem ich gearbeitet hatte, einen entscheidenen Faktor beruecksichtigen konnte: Fragte man auf der Insel herum, was die Mallorquiner von den Deutschen hielten, gab es darauf eine fast einstimmige Antwort. Gut, ich habe nicht mit allen gesprochen, aber viele meinten: Sie sollten das Weite suchen.

Noch etwas anderes gab mir zu denken. Obwohl ich 13 Wochen von Deutschen umgeben und obwohl die deutsche Sprache omnipraesent war, hatte ich weder den Eindruck, die Deutschen besser kennengelernt zu haben, noch ihrer Sprache naeher gekommen zu sein. Meine wilden Tage in der Calle del Jamon endeten damit, dass ich nach Hause ging, ohne auch nur ein weiteres Wort Deutsch hinzugelernt zu haben. Die Lektion, die ich daraus ziehe, kann ich noch nicht so recht in Worte fassen, aber ich finde das Resultat meines 13-woechigen Aufenthalts auf Mallorca schon bezeichnend.

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