Der Tag war ungewöhnlich wolkig gewesen. Von mittags bis zum frühen Abend lagen wir an einem Strand an der Ostküste Sardiniens. Alles verdichtete sich an diesem unspektakulären Tag. Doch wirklich Wichtiges kommt im Leben ja selten spektakulär daher.
Morgens waren wir wie üblich besucht worden vom international ausstellenden und verkaufenden Collagekünstler der Insel. Auf einer Anhöhe im Wald durften wir in dessen entlegenem Refugium für drei Wochen wohnen. Zahllose Früchte, Gemüse und Kräuter baute er auf etwa zwei Fußballfeldern an.
An jedem frühen Morgen kam er die Serpentinen aus dem Dorf am Meer zu uns hinaufgefahren und wässerte und pflegte diesen Garten. Unsere Tochter liebte die Tomaten; den Auberginen und Zucchini stand ich dagegen skeptisch gegenüber. Die Melonen, Zitronen und Feigen, die Kaki und Gurken, das Basilikum, Oregano, die Minze und die Rauke aber erfreuten uns täglich.
Am Rande unseres Frühstückes hatten wir noch die Kurzfassung eines Forschungsantrages in akademisches Englisch übersetzt; dann war unser Kind in seinen rechtschaffenen Vormittagsschlaf hineingedämmert. Später am Strand hatte ich die achtundsiebzigste (“Adieu”), recht kurze, von insgesamt einhundert Erzählungen der Comédie Humaine des Honoré de Balzac zu lesen begonnen und beendet.
Alles war neu für sie
Wir waren in das Wasser getaucht. Sonnenschirme und Handtücher hatten wir dem Laufe der Sonne folgend fortbewegt, in kleinen Schritten. Unserem kleinen Mädchen, das bald elf Monate alt sein würde, hatten wir den Sand und das Meerwasser nahegebracht. Ich hatte ihr die Flasche angerührt und gegeben. Sogar eine winzige Wasserschildkröte hatte ich ihr zeigen können. Unglaubliches Aufsehen hatte diese unter den fast ausschließlich italienischen Badegästen hervorgerufen.
Nun stand ich, die Sonne schien noch schimmernd auf meiner Haut zu liegen, unter der Dusche unseres winzigen Badezimmers, der Schatten einer beigen, freundlichen Spinne zeichnete sich auf dem Duschvorhang ab, und aus den sehr kleinen Lautsprechern sang mir weich und fordernd Delphics “Doubt”.
Meine Top of the Pops 2010:
Theorie
Müdigkeitsgesellschaft, Byung-Chul Han
L’insurrection qui vient, Comité invisible
La Religion du Capital, Paul Lafargue
Reality Hunger, David Shields
Eine Wirklichkeit des Sirenengesangs, Erich Wolfgang Skwara
Alben
Christina Aguilera: Bionic
Interpol: Interpol
György Kurtág: Kafka-Fragmente
Magnetic Man: Magnetic Man
Major Lazer & La Roux: LazerProof
Underworld: Barking
Kunst
Besuch bei Verwandten (Museum für Gegenwartskunst Siegen)
Harun Farocki (Museum Ludwig Köln)
Susanne Kriemann (Berlinische Galerie)
Pop Life (Hamburger Kunsthalle)
Filme
Welt am Draht, Rainer Werner Fassbinder
The Invention of Lying, Ricky Gervais
The Limits of Control, Jim Jarmusch
Moon, Duncan Jones
PINK, Rudolf Thome
Konzerte
Gerhard Rühm (Kunsthochschule für Medien Köln)
Daisuke Ishida (Universität der Künste Berlin)
Kaleidoskop (Radialsystem V)
Lecture
Georgina Born (The University of Texas at Austin)
Veit Erlmann (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)
Vincent Meelberg (Århus University)
Michel Serres (Haus der Kulturen der Welt Berlin)
Mark M. Smith (Museum für Kommunikation Berlin)
Literatur
Honoré de Balzac: La Comédie Humaine
Oswald Egger: Die ganze Zeit
George Perec: Tentative d’Epuisement d’un Lieu Parisien
Erich Wolfgang Skwara: Im freien Fall
Mario Vargas Llosa: Los cachorros. Pichula Cuellar
Show
Part Troll, Bill Bailey
Newswipe, Charlie Brooker
The Old Spice Man, Isaiah Mustafah
Lasst uns alle Juden sein, Oliver Polak
Altes Jagdhaus, Joachim Stern
ein wahres Stück Kurzprosa, sehr stimmungsvoll!
überrascht, dass Michel Serres Vortrag bei Dir nicht auf Platz Nummer eins gelandet ist… Ist das vielleicht ein Darstellungsproblem innerhalb des 1-5 Rankings?
@KW Ganz einfach: Alle Listen sind alphabetisch geordnet;
das entlastet die Gelisteten von unnötigem Leistungsdruck. :)
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@S Danke!