De:Bug, die “Zeitschrift für elektronische Lebensaspekte”, stellt nach 16 Jahren ihre Print-Ausgabe ein. Damit verabschiedet sich ein Vorreiter des jüngsten Indie-Magazin-Booms – von 032C über Mono.kultur bis Apartamento. Und es verschwindet eines der wenigen Magazine vom Markt, das sich kompetent und publikumsnah mit Digitalkultur beschäftigt. Ein Abschiedsbrief von De:Bug Mit-Gründer Sascha Kösch.
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Die nächste Ausgabe der De:Bug wird wahrscheinlich die letzte sein. Nein, kein Witz. Zeit, Abschied zu nehmen. Ein unabhängiges Magazin (manchmal denken wir immer noch es wäre eine Zeitung) zu machen, ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden und die Beine, die man sich dafür ausreißen musste, wachsen auch nicht nach. Sechzehn Jahre Untergrund für alle! Ihr kennt die Geschichte.
De:Bug wollte immer alles vereinen: Musik, Technik, Netz, Selbstbeherrschung. Wir wollten die Schnittstelle zum Glück sein. Das Glück aber liegt am Ende wohl nicht unbedingt zwischen gedruckten Seiten. An Ideen für alternative Modelle hat es uns nie gemangelt, allein die Umsetzung aus dem Flickenteppich der Unabhängigkeit heraus erwies sich aber immer als unmöglich. Dann doch lieber mit Liebe die nächste Ausgabe machen.
Alles versucht, jetzt ist Schluss
Ihr kennt alle die Dramen, die Print zur Zeit erlebt. All jene, die in diesen Zeiten noch Musik verkaufen wollen, erleben ja ähnliches. Die Welt explodiert in Medien, die Konkurrenz für umsonst ist überall, die Margen werden immer kleiner und die Mischkalkulationen immer ausufernder.
Dazu droht immer die große Schere: Alles für umme und alles jetzt sofort. Und so schön das ist, als Zeitung ist man eben einfach langatmiger. Außerdem will man ja auch den langen Text, den schweren, wenn es sein muss, den gewichtigen, und nicht nur das schnelle Futter. Kleine, unabhängige Hausküchen mit einem unerklärlich unausrottbarem Hang zum traditionellen Medium, können in diesem Umfeld nur schwer überleben.
Rückblick: mit Stolz
Wir sind glücklich und auch stolz, das diese sechzehn Jahre lang durchgehalten zu haben. Obwohl es fast immer knapp, oft genug kritisch, nicht selten nur mit Ach und Krach und immer in zweifelhafter Selbstausbeutung ging. Wir sind glücklich, eine Stimme gewesen zu sein, die vielen etwas bedeutet hat. Glücklich mit den mehr als 50.000 Reviews, die wir für euch geschrieben haben und all die Musik die wir anschieben konnten.
Glücklich, all diejenigen zu sehen, die uns all die Jahre begleitet haben, die jetzt irre erfolgreich sind und auch die, die immer noch tapfer an der gleichen Stelle kämpfen, einfach weil sie so fest an ihr Ding glauben, dass es gar nicht anders gehen würde. Und wir sind glücklich, eine ganze Menge Themen so früh es eben ging in die Diskussion geworfen zu haben, auch wenn man es später sicher besser hätte abschöpfen können. Das alles war irgendwie unser Auftrag.
Wie wird’s weitergehen?
Wie es weitergeht, ist ungewiss. Werden wir De:Bug verkaufen? Wenn sich eine sinnvolle Möglichkeit ergibt, durchaus. Es kann nicht genug gut-gedrucktes Wort geben. Denn so wie Vinyl seinen Platz hat – der ja auch immer wieder neu gefunden werden muss – ist auch Papier ein Wert an sich. Man muss ihn nur herauskitzeln. Wird es online weitergehen? Wir hoffen es stark.
An alle, die uns über all die vielen Jahre unterstützt haben, erst einmal ein riesiges Danke! Unsere Abonnenten und alle anderen, denen wir noch etwas schuldig geblieben sind, bitten wir um ein wenig Geduld, bis wir wissen wie und ob es weiter geht. Jetzt aber erst einmal weiter die Überraschungen der der De:Bug 181 feinschleifen.
Anm. d. Red.: Mehr Artikel zum Wandel des Zeitungsmarkts gibt es in unserem Dossier Zeitung 2.0. Das Bild oben zeigt den Ausschnitt eines De:Bug-Covers (09.2013). Der Beitrag von Sascha Kösch erschien zuerst bei De:Bug-Online.
ein lesenswerter nachruf von j. häussler auf spreeblick, zitat:
Ein paar Mal habe ich gestern auf Facebook Reaktionen wie “Verdammt, ich hab’s zwar auch nicht gekauft, aber dass sie aufhören, das finde ich schon echt scheiße” gelesen und mich jedes Mal mit Kommentaren dazu zurückgehalten. Was soll man dazu auch sagen? Wenn nicht genug Leute Geld für ein Produkt bezahlen, dann kann das Produkt auch nicht mehr hergestellt werden, sofern die Macherinnen und Macher nicht mehr im Hotel Mama wohnen. So einfach und brutal ist das, und nur weil bei De:Bug (wie bei vielen anderen Indie-Produkten auch) die Selbstausbeutung die eifrigste Mitarbeiterin war, konnte das Team überhaupt so lange durchhalten.
Doch nicht nur davor muss man viel Respekt haben, sondern auch vor dem, was De:Bug war und ist. Nämlich das Medium in Deutschland, das schon über soziologische, politische und andere Aspekte des digitalen Lebens geschrieben hat, als die meisten anderen Magazine und Zeitungen noch überlegt haben, ob sie sich eine Webseite bauen lassen sollten. De:Bug war und ist aber auch das Medium, das Autorinnen und Autoren wie Anton Waldt ein Zuhause gegeben hat; das die kleine, fast unlesbare Schrift bei den Rezensionen trotz der Leserproteste durchgezogen hat, weil man fast alle Releases im Heft haben wollte; das über Soft- und Hardware-Instrumente geschrieben hat, weil vermutlich die Hälfte der Leserschaft nicht nur Konsument, sondern auch Produzent war und ist. Und das auch in Sachen Layout, Design, Format, Typografie immer weit vorn war.
De:Bug war und ist alles das, was in der deutschen Medienlandschaft so selten ist, so unmöglich zu sein scheint: Leidenschaftlich, nicht an der Marktforschung orientiert (sondern am eigenen Geschmack) und vor allem einfach gut.
Anfangs hatte ich ein Abo, später habe ich bis zur aktuellen fast jede Ausgabe am Kiosk gekauft, damit der Händler die nächste Ausgabe auch wirklich wieder bestellt. Und das, obwohl mich nur etwa ein Viertel des Inhalts wirklich interessiert hat. Nämlich all das, was nicht direkt mit den Künstlerinnen und Künstlern zu tun hatte, deren Musik mich kaum gepackt hat, die aber zentraler Bestandteil des Heftes waren und sind. Musikalisch war ich meistens auf einem anderen Dampfer als die Crew der De:Bug, aber ansonsten haben wir uns immerhin so gut verstanden, dass ich auch einmal ein, zwei kleine Artikel beisteuern konnte vor einigen Jahren.
Dass De:Bug kein Mainstream war, hat mich nie gestört, ganz im Gegenteil, es war schön, etwas “für sich” zu haben. Gerade in diesen Zeiten. Und trotz des gewollten und bewussten Nischendaseins hat sich De:Bug soweit ich weiß gar nicht so schlecht verkauft. Jedoch: Es reicht einfach nicht. Es reicht nicht, wenn Inbrunst, Liebe, Leidenschaft, Professionalität und eine kleine, aber treue Leserschaft vorhanden sind. Es braucht noch viel mehr Leserinnen und Leser, viel mehr Werbekunden, viel mehr Geld. Dafür hätte sich De:Bug verbiegen müssen und ich bin froh, dass dies nicht geschehen ist. Selbst, wenn es jetzt das Ende bedeutet.
So bleibt mir vorerst nur, mich zu bedanken für die tolle Arbeit und viele spannende Hefte, Artikel, Meinungen, Fotos, Reviews und Hinweise. Und den Macherinnen und Machern zu wünschen, dass sie Investoren finden, die entweder das Weitermachen ermöglichen oder dafür sorgen, dass ein paar De:Bug-Leute ein, zwei Jahre Ruhe finden, um über neue Projekte nachzudenken. Auf die ich mich dann freuen kann.
Danke, De:Bug. Ihr habt 16 Jahre ein äußerst cooles Heft gemacht, das mir immer Spaß gemacht hat.
http://www.spreeblick.com/2014/03/12/danke-debug/