Digitalisierung – ist das eigentlich wichtig?

Die Digitalisierung gilt als die große Revolution unserer Epoche. Vergleichbar mit der Industrialisierung vor zweihundert Jahren. Noch hat die Reflektion darüber keine gesamtgesellschaftliche Dimension erreicht. Dass es sich dabei auch um ein Vermittlungsproblem des Journalismus handelt, zeigt der Kampf der Medienhäuser um das Leistungsschutzrecht. Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki kommentiert.

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Die Digitalisierung hat das Land in den vergangenen 20 Jahren weiträumig durchdrungen. Und dabei gespalten. Eine tiefe digitale Kluft klafft im kollektiven Bewusstsein. Die Mehrheit ist in Sachen digitale Revolution “mental noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen”. Das meint der Blogger Mario Sixtus mit Blick auf den Bundestagsbeschluss, der ein von zahlreichen Experten, Politikern und Bürgern als absurd empfundenes und entsprechend bekämpftes Gesetz zum angeblichen Schutz geistigen Eigentums ermöglicht – das so genannte Leistungsschutzrecht (LSR).

Da die Digitalisierung auch maßgeblich jene betrifft und in ihrem Selbstverständnis bedroht, die für die Aufklärung des kollektiven Bewusstseins zuständig sind, wird hierzulande seit mehr als einer Dekade so gut es geht Verklärung betrieben. Zumindest versuchen die Mainstream-(allen voran Springer-)Medien alles in ihrer Macht stehende damit gewisse Fragen und Einsichten hinsichtlich der Digitalisierung unter den Teppich gekehrt werden. Wie weit es damit gekommen ist, zeigt die demonstrative Entscheidung der FAZ, einen LSR-Gegner zu Wort kommen zu lassen – man kann sich inzwischen damit profilieren, “eine offene Debatte zu ermöglichen.”

“Vielfalt der Presselandschaft nicht mehr Staatsräson”

Wer sich für das LSR interessiert, wer sich dagegen engagiert, gehört in Deutschland zu einer Minderheit. Menschen, die zu dieser Minderheit zählen, sollten sich Fragen stellen, die mir kürzlich am Rande einer Diskussion zu Meinungsfreiheit vorgebracht worden sind: “Tun wir genug? Tun wir das Richtige? um das, was uns wichtig ist und was wir für die gesamte Gesellschaft als wichtig erachten, als Thema auf die Agenda der öffentlichen Aufmerksamkeit zu setzen?”

Eine Antwort auf diese Fragen: Man wird in Zukunft deutlich mehr tun und deutlich bessere Arbeit leisten müssen, wenn wahr ist, was Kommunikationsforscher Karsten Wenzlaff mit Blick auf den LSR-Beschluss konstatiert: “Nicht mehr die Vielfalt der Presselandschaft, sondern die Erhaltung des Geschäftsmodells der Printzeitung ist mittlerweile Staatsräson.”

Es gibt zahlreiche Stellschrauben, an denen man drehen kann. Eine jedoch beschäftigt mich an dieser Stelle am meisten. Wenn die Mehrheit hierzulande mental noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist; wenn zudem die Öffentlichkeit immer zentralistischer von einigen großen Mainstream-Medien orchestriert wird – können digitale Anliegen und Zukunftsfragen in der angemessenen Breite überhaupt vermittelt und diskutiert werden?

Wahrnehmung von Wichtigkeit

Bis heute wissen nicht alle, auch jene, die davon schon mal gehört haben, was das LSR eigentlich ist. Die Geschichte des Gesetzes ist die Geschichte einer mangelhaften Konstruktion. So dass man lang und breit erklären muss, was es eigentlich damit auf sich hat. Natürlich tragen auch Mainstream-Medien dazu bei, das Verständnis zu erschweren: denn sie sind Partei in dieser Sache und sprechen von Wölfen, wenn sie Schafe meinen. Selten zuvor war Lobby-Arbeit so wirksam.

Doch die Aufklärung in Sachen LSR lässt auch deshalb zu Wünschen übrig: Wer Bescheid weiß, wer das Gesetz kritisiert, wer dagegen kämpft, hält es selten für notwendig die Außenstehenden in den Disput und in die Sache einzuweihen. Eine der Tendenz nach selbst-referentielle Haltung scheint zu obwalten. Frei nach dem Motto: Was mir und meiner Community wichtig ist, was einige Politiker aus welchen Gründen auch immer mal oben auf die Tagesordnung gesetzt haben – das muss einfach wichtig sein. Wer sollte schon dagegen einen Einwand erheben?

Nach dem LSR-Beschluss beklagen einige aus dem Lager der Eingeweihten eine unausgewogene “Wahrnehmung von Wichtigkeit”. CARTA-Herausgeber Wolfgang Michal sagt: “Das Gesetz war einfach nicht so wichtig (das höre ich jetzt auch von Grünen, denen das Gesetz bisher sehr wichtig war). Wenn man die Netzresonanz dagegen hält, war es ENORM wichtig. Über diese Differenz in der Wahrnehmung von Wichtigkeit müssten wir dann wohl mal nachdenken.” Jörg Braun folgert in der Diskussion auf CARTA: “Das zeigt vielleicht und leider welchen Stellenwert das Internet bei vielen MdBs hat.” Es klingt viel Enttäuschung aus diesen Worten. Aber auch Ernüchterung.

Manch einer kommt zu dem Schluss: Vielleicht gibt es auch noch andere Dinge als das LSR. Oder auch: Das Netz ist wichtig. Aber in Sachen Relevanz nicht identisch mit dem LSR. Im Hinblick darauf eher ein “unbedeutender Schauplatz” (Zeit Online). Dagegen ließe sich einwenden: Kein unbedeutender, sondern ein irreführender Schauplatz. Denn bedeutend ist der Schauplatz sehr wohl. Immerhin geht es hier um die Macht der Verwerter. Doch der Schauplatz ist insofern irreführend, als dass hier eben nicht die Probleme derer verhandelt werden, um die es vermeintlich geht beziehungsweise gehen sollte.

Vorgeschoben wird von seinen Verfechtern, dass das LSR die Rechte der Urheber schützen soll – wo es in Wirklichkeit um die Rechte der Verwerter geht, die die Urheber in Zukunft keinen Deut besser stellen werden. Im Gegenteil: Die sich weiter verschärfende Krise alter Geschäftsmodelle aus der prä-digitalen Ära wird weiter dazu führen, dass unten herum, also im Bereich der Content-Entwicklung und -Herstellung, eingespart und rationalisiert wird.

Digitalisierung – wen betrifft das?

Es lohnt weiter über “Wahrnehmung von Wichtigkeit” nachzudenken. Auch und gerade in Anbetracht der Tatsache, dass es nicht oft vorkommt, dass ein Thema aus dem Bereich Netzpolitik einen so prominenten Debattenplatz bekommt. In einer solchen Situation ist Relevanz nicht zuletzt eine Vermittlungsfrage. Ich vereinfache mal: Digitalisierung – wen betrifft das? Alle. Wen interessiert das? Wenige. Urheberrecht – wen betrifft das? Sehr viele. Wen interessiert das? Sehr wenige. LSR – wen betrifft das? Viele. Wen interessiert das? Sehr wenige.

Dennoch konnte dieses Spezial-Thema in den vergangenen Monaten sowohl von den Verfechtern als auch von den Gegnern als Projektionsfläche für die Verhandlung größerer Themen genutzt werden. Hier wurde von den Verfechtern schlampig bis unsauber von Ebene zu Ebene übersetzt. Dagegen konnten aber größtmögliche populistische Effekte erzielt werden. Wenige Menschen haben Angst vor dem, was das LSR als Bedrohung ausgibt. Dafür haben umso mehr Menschen Angst vor den Veränderungen, die die Digitalisierung angeblich mit sich bringt. Angst vor Technik. Angst vor Computern. Angst vor Programmen. Angst vor Algorithmen. Angst vor Google.

Die Gegner des LSR haben es vergleichsweise sauberer angestellt von Ebene zu Ebene zu übersetzen. Sie konnten beispielsweise glaubhaft machen, dass das LSR in Zeiten der Digitalisierung innovationsfeindlich sei.

Dennoch sind sie weitgehend auf einer spezialistischen Ebene hängen geblieben. Bei ACTA hat vieles deutlich besser geklappt. Auch die Vermittlung. Ebenso wie die Breitenwirkung. Ich erinnere mich an die Schüler unserer Multimedia-AG in Neukölln, die ACTA als Bösewicht aus einem Superhelden-Film begriffen. Sie glaubten: “ACTA nimmt uns YouTube weg.” (Nicht, WIE sie es übersetzen und WAS dabei rauskommt, sondern, DASS sie es überhaupt übersetzen, ist hier bezeichnend.) Beim LSR hat diese Übersetzung des komplizierten Fach-Diskurses in die Köpfe von 12-jährigen Kindern nicht stattgefunden. In Anlehnung an die dunkle Seite des Hip Hop hätte aus den drei Buchstaben LSR der Name eines gewaltbereiten Gangsta-Rappers werden können. Wie auch immer: Die Kinder haben vom LSR bis heute nichts gehört. Das “Dauerfeuer im Netz” (Michal) ist nicht auf den Rest der Gesellschaft übergegangen. Dazu konnte auch die groß angelegte Kampagne Verteidige Dein Netz nicht beitragen.

Fundamentaler Umbruch ohne fundamentale Reflektion

Obwohl das LSR einen prominenten Debattenplatz bekommen hat, ist eine breite und offen ausgetragene Debatte nicht in Sicht. Das sollte zu denken geben. Ganz allgemein sollte man wie auch schon in vielen anderen Situationen fragen: Was ist los mit der Debattenkultur in Deutschland? Ist noch alles in Bewegung oder stecken wir fest? Was ist die nächste Entwicklungsstufe? Spezifischer jedoch sollte man mit Blick auf das Thema fragen: Wie lässt sich das große Ganze in Stellung bringen? Wie wird aus einem Spezialthema eine größere Erzählung? Wie lässt sich in der Mikro- die Makrostruktur sichtbar machen?

Ein Schritt in die richtige Richtung wäre, Netzpolitik nicht mehr “zu eng (zu) definieren”, damit, wie Ökonom und Aktivist Leonhard Dobusch sagt, “auf diese Weise spannende und vor allem gesellschaftlich relevante Fragen (nicht mehr) übersehen – selbst wenn sie jahrelang quasi „nebenan“ diskutiert werden.” Ein netzpolitisches Thema wie das LSR sollte in diesem Sinne anschlussfähig gemacht werden. Aber anschlussfähig an was? Die großen Debatten, die die Digitalisierung zum Gegenstand haben, sind in Deutschland noch nicht in der Prime Time angekommen. Die Kanzlerin hat die Digitalisierung nicht zur Chefsache erklärt.

Richtig, es gibt andere Dinge, die wichtig sind. Aber langsam muss es auch auf diesem Gebiet vorangehen. Wie der Journalist Kai Biermann in seinem Kommentar zum LSR-Beschluss bemerkt: “Das Internet verändert den Umgang mit dem Urheberrecht, denn die Kopie ist nun nicht mehr die teure Ausnahme, sondern die nahezu kostenlose Regel. Dieser Umbruch ist fundamental, er betrifft alle Kulturgüter und damit die gesamte gesellschaftliche Entwicklung. Welches Thema bestimmt nun also hierzulande die Debatte über diesen Umbruch? Geht es vielleicht darum, wie Künstler in Zukunft Geld verdienen und leben können, geht es also um die Hersteller dieser Kulturgüter? Oder geht es darum, was Kunst ist, was also als eigenständiges Werk und was als Kopie angesehen werden soll?”

Die Debatte um das LSR könnte all diese Fragen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Und sie könnte noch weiter gehen, eine Ebene höher übersetzen und nach den Implikationen für gesamte gesellschaftliche Entwicklung fragen: Was passiert mit Arbeit, Kreation, Produktion und Bildung? Damit einmal die Folgen der Digitalisierung, die vergleichbar sind mit den Folgen der Industrialisierung, im kollektiven Bewusstsein präsent und entsprechend von allen diskutiert werden. Die Frage, die bleibt: Ist das LSR tatsächlich geeignet für eine derart große Erzählung? Und wenn ja, wie lässt sich das anstellen? Wenn nein, ist es in Zukunft geboten, nur noch auf entsprechend narrativisierbare Themen zu setzen? Was passiert dann mit den anderen Issues? Aus den Antworten darauf dürften sich die zentralen Lektionen dieser Episode ziehen lassen.

Anm.d.Red.: Die Berliner Gazette unterstützt die Initiative gegen das Leistungsschutzrecht (IGEL). Die Fotos sind von Mario Sixtus und stehen unter einer Creative Commons Lizenz. Update: Aufgrund der im Kommentarbereich deutlich gewordenen Mißverständnisse (#1, #20 und #21) hat der Autor einen Satz im Text in Bezug auf die Reaktion der Kinder in Neukölln ergänzt: “Nicht, WIE sie es übersetzen und WAS dabei rauskommt, sondern, DASS sie es überhaupt übersetzen, ist hier bezeichnend.”

54 Kommentare zu “Digitalisierung – ist das eigentlich wichtig?

  1. Das ist ein sehr interessanter Beitrag.

    Ich denke, man kann Diskussionen nicht einfordern. Entweder sie entstehen, weil das Interesse da ist, oder sie tun das nicht, weil das Interesse fehlt. Eine ohne Interesse erzwungene Diskussion entfaltete keine Wirkung. Das beweist die Google-Kampagne zum LSR, die niemanden interessiert, deutlicher als jeder Erläuterungsversuch.

    Wer ein Interesse daran hat, das LSR zu verhindern, der darf deshalb vielleicht nicht auf die Kinder in Neukölln und einen Schlagwortsatz wie: „Das macht Youtube kaputt“, bauen. Keiner meiner Medienfreunde konnte mir in einem Satz erklären, was eigentlich das Problem am LSR ist. Das allein macht das Thema untauglich für eine öffentliche Diskussion. Deshalb sollten seine Gegner nicht auf die Öffentlichkeit bauen, wie sie es bislang tun. Sondern gezielt ihre Interessen dort vertreten, wo es darauf ankommt: auf politischer Ebene.

    Herzliche Grüße

    ChK

  2. Die Bedeutung des LSR für die Digitalisierung wird in vielerlei Hinsicht weit überschätzt. Eine treibende Kraft für digitale Entwicklungen ist es bestimmt nicht. Die können nur mit originellen Ideen aus einzelnen Medien selbst entstehen.

  3. @#1: apropos “Kinder in Neukölln”: hier geht es nicht darum, dass die Kinder verstehen, was wirklich “at stake”, was wahr ist und damit zum Lieferanten der wahren Botschaft werden, sondern darum, ob ein Thema eine gewisse Breitenwirkung in der Diskussion erreicht. Und die Kindern sind hier natürlich in einer besonderen Weise als Gradmesser interessant, denn sie sind die jüngsten Akteure in dem betroffenen Feld: Digital Natives. Wenn sie Digitalisierungsthemen reflektieren, dann kann es sich nur um ein Ereignis der besonderen Art handeln.

  4. @#3: apropos “Kraft für digitale Entwicklungen (…) (die) nur mit originellen Ideen aus einzelnen Medien selbst entstehen.”

    Aber bedarf es da nicht eines gewissen gesellschaftlichen Klimas und eines gewissen rechtlichen Rahmens, damit das geschehen kann?

    Letztenendes entsteht doch nichts aus sich selbst, sondern ist direktes oder indirektes Produkt der Gesellschaft.

  5. mental noch nicht im 21 jahr angekommen, das klingt wie, “du bist von gestern”. das einem mehr als 5o millionen großen teil der bevölkerung zu sagen, ist schon ganz schön happig. sollte man das nicht wenigstens zur diskussion stellen? ist das alles nicht ansichtssache?

  6. Liegt das Problem etwa nicht weitaus tiefer, als bisher von allen, also Gegnern und Befürwortern begriffen wird? Internet und Digitalisierung brechen gewohnte Ordnungen auf und verlangen nach neuen Regeln des Miteinanders, wie einst der Umbruch in die industrialisierte Welt. Nur wenige sind bisher im 21. Jahrhundert angekommen, so dass vor allem unsere bürgerlich-traditionelle Politikerkaste fast nichts von den Problemen, die zu lösen sind, erkennt und sich unverändert und bereitwillig mittels Lobbyismus von der Wirtschaft und deren Konzernen am Gängelband führen lässt. Und die Medien sind weder demokratisch noch frei, sondern im Dienste dieser Machtinteressen. Wen wundert es dann, wenn eine ernsthafte Debatte über das LSR sich nicht in Gang setzt. Entschieden werden wird, was Kreative, Urheber etc. für ihre Arbeiten erhalten also von denen, die über das Kapital verfügen. Wohin so ein Weg führt, erfahren wir zur Zeit ganz drastisch am Beispiel der Rettungsmaßnahmen der Finanzwelt. Für eine Debatte, wie wir unsere Welt auch im digitalen Zeitalter lebenswert erhalten, gibt es noch keinerlei Bewusstsein, noch hat sie – auch nur im Ansatz – bereits begonnen – auch unter den direkt Betroffenen. Oder gilt deren Verhinderung schon zu den Mitteln derjenigen, die davon profitieren? Krystian Woznickis Beitrag könnte ein lebensnotwendiger Anstoß sein.

  7. @Herr Knappes: “Keiner meiner Medienfreunde konnte mir in einem Satz erklären, was eigentlich das Problem am LSR ist.”

    Konnte denn einer Ihrer “Medienfreunde” in einem Satz sagen WAS DAS LSR ÜBERHAUPT IST?

  8. @boyzone (#7): ich spreche hier von einem kollektiven bewusstsein, wie es von den mainstream-/massenmedien beeiinflusst und dominiert wird. hier wird noch weitgehend in den kategorien und prioritäten der prä-digitalen ära argumentiert und debattiert. insofern die aussage: mental noch nicht angekommen im 21. jahrhundert.

    (das 21. jahrhundert steht hier für die digitale ära.)

  9. @Horst A Brunopolik: über die Verhinderung von Debatten sollte man sich ernsthaft Gedanken machen. Was ist darunter zu verstehen? Ist das viele Debattieren und die Konjunktur von Debatten-Talk-Shows sowie Debatten-Portalen ein Ausdruck gesunder, vitaler Debattenkultur? Oder dreht sich alles um sich selbst? Weil die Spielregeln der Debatten nicht neu konfiguriert werden. Weil diejenigen, die Debatten lancieren ein Agenda-Setting betreiben, dass v.a. dem Selbsterhalt dienlich ist.

    PS: Im vergangenen Jahr ist von vielen erkannt worden (etwa im Kontext der Wullf-Geschichte), dass die Blogs und das Netz im Allgemeinen die zwischenzeitig errungene Stellung eines Debatten- und Agenda-Setting-Implusgebers wieder an die alten Medien (TV, Bild Zeitung und Co.) abtreten mussten.

  10. In Frankreich gibt es seit Anfang Februar ein Abkommen zwischen Google und französischen Verlegern.Im Kern wird Google den Verlagen einem 60 Mio. Euro schweren Fonds zahlen. Suchtreffer sind aber nicht Teil des Deals… Mehr Informationen hier :
    http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/frankreich-googles-geheim-abkommen-wird-noch-geschrieben-a-881775.html
    Und hier: http://upload-magazin.de/blog/6266-das-leistungsschutzrecht-frankreich-und-die-heimlichen-gedanken-von-frau-burmester/

  11. @Krystian Woznicki: Liegt ein Grund des Versiegens einer Debatten-Kultur vielleicht im Vertrauensverlust in unsere Mainstream-Medien, wo früher diese Debatten ihren Platz hatten? Internet-Foren wie die Berliner Gazette gelang es bisher (noch) nicht, deren Stelle einzunehmen. Das Netz und seine vielfältigen Möglichkeiten schwächeln m.E. an der ihnen innewohnenden Vielfalt/Fülle und Zersplitterung. Der erforderlichen Konzentration hinderlich ist die Flüchtigkeit von Netzinformationen. Netz-Kultur kann Agenda-Setting nur wirksam begegnen durch kreative Konzentration aus freien, wissenschaftlich unabhängigen Bereichen. Und das LSR führt geradewegs ins Zentrum bevorstehender Umwälzungen unserer Gesellschaften.

    Es sollten sich Foren neu etablieren und festigen, die an die Seite der Printmedien rücken bzw. sie sogar übernehmen. Google kann hier kaum dienlich sein. Ich stelle mir eine Plattform – ähnlich Wickipedia – vor, wo die Themen der Zeit kompetent debattiert und auch breit wahrgenommen werden können. Wollen wir nicht absolut (Kapital)interessengesteuert werden, sollte versucht werden, die im Netz noch freien Räume bald auszufüllen.

  12. Vielleicht als Kommentar eine ganz subjektive Beobachtung meiner medialen Wahrnehmung der LSR Diskussion. Bleiben wird mir die Verwunderung das ein US amerikanischer Softwarekonzern ganzseitige Werbeseiten in meiner Lieblingszeitung (taz) schaltete. Das war schon recht bizarr, da sonst kaum Werbung in der taz zu finden ist und die eigentliche LSR Berichterstattung in der print taz viel weniger Raum einnahm. Es wird wohl die Erinnerung bleiben zum ersten mal google Lobbyarbeit wahrgenommen zu haben, immerhin. Die IGEL iniative war vielleicht zu sehr auf den Onlinebereich fokussiert, für mich leider jedenfalls fast unsichtbar. Sicher hilfreich wäre eine größere offline Sichtbarkeit der IGEL gewesen, ich zumindest hätte mich weniger über die penetrante “rette google’s netz” Kampagne geärgert.

  13. @Krystian Woznicki #6
    In der Tat, die digitale Entwicklung kann nur von Menschen selbst vorangetrieben werden. Und die ist trotz 20 Jahren Massen-WWW eben noch nicht so weit vorangeschritten, dass ein Netzthema wie das Leistungsschutzrecht bereits von breitem Interesse wäre. Was vor allem daran liegt, dass Internet und Onlinemedien längst noch nicht so tief im persönlichen Leben von Menschen angekommen sind, dass netzpolitische Themen wie das LSR bereits so breites Interesse finden wie andere medienpolitische Themen wie etwa die GEZ-Gebühr. Das kann man bedauern oder auch nicht – es ist schlicht so. Medien- und Gesellschaftsentwicklungen vollziehen sich halt nicht unbedingt so, wie es Netztheoretiker gerne hätten. Hinzu kommt auch, dass der Medienwandel von Print zu Digital und die Entwicklung und Verbreitung von Onlinemedien immer noch weit am Anfang steht. Er ist im Prinzip ein Prozess von mindestens einem halben Jahrhundert, also trotz Ungeduld von Internetfreaks eine Jahrhundertaufgabe. “Netzarbeiter” sind zwar sicher technische und mediale Avantgarde, aber sie nehmen sich selbst und netzpolitische Themen leider häufig auch wichtiger als sie es schon sind. Die “Netzgemeinde” ist vorerst auch zahlenmäßig eine gesellschaftliche Minderheit – um deren Diskussionsthemen sich die große Masse bisher kaum schert. Da hat wohl auch diese Netzavantgarde eigenen Promotionsbedarf und Kommunikationsdefizite für ihre Themen.

  14. Das Problem ist ganz einfach zu erfassen, der Protest hat im wesentlichen im Netz tattgefunden. Das kriegt also niemand mit außer denen, die sowieso schon dabei sind. LSR ist deutsch, ACTA war international. Das Probleme der digitalen Bohemians ist, dass sie sprachlos sind, sobald es aus der Community rausgeht. Wer hat den Bock, Plakate zu kleben oder sich bei Minustemperaturen auf den Marktstand zu stellen, wenn man bequem von der Couch aus einen bösen Twwet schicken kann?

  15. Frueher konnten nur gute Freunde und kleine Gruppen Konzerten von Kumpels beiwohnen, oder Mitschnitte tauschen. Seit Myspace kann dies jetzt die ganze Welt mitbekommen, und sogar auch ein Talentscout darueber stolpern. Ganz neue Chancen tuen sich fuer Kreative auf. Doch nur die wirklich wirklich guten fallen positiv auf. Wer also schon auf dem Dorf ausgebuht wurde, wird im Netz bei gleicher Leistung keine Lorbeeren ernten. Ist das Produkt nicht gut, kann Google auch nicht helfen. Alte Regeln, neues Spiel. It belongs to u

  16. Ich finde diesen Beitrag sehr klug und die Frage, wie die Debatte über das Leistungsschutzrecht geführt wurde erweitert sich tatsächlich auf die Frage nach der Debatte zum Urheberrecht, hieraus wieder auf die Frage nach dem Umgang der Gesellschaft mit Kreativen und deren Werken, nach kulturellem Schaffen und dessen Vergütung, der Verantwortung und Verwaltung der Ergebnisse, nach geistigem und körperlichem Eigentum, warum dieses überhaupt existiert und wie unsere Wirtschaft beschaffen sein soll.

    Nicht nachvollziehen kann ich aber, wie man die Reichweite dieser Debatten aufzeigen kann und gleichzeitig positiv bewerten, dass Schüler ACTA als Bösewicht aus einem Superhelden-Film “begriffen” haben. Dies zeigt doch nur, dass die Schüler einer Dämonisierung aufgesessen sind, die andere – wissende – ihnen zuvor vorgaben. Eine höchst alarmierende Entwicklung, die zu debattieren eine weitere Dimension von Netzpolitik aufzeigt, die womöglich noch größer ist als die Debatte um Urheberrecht, Kultur und Wirtschaft. Es ist die Dimension des Zusammenhangs von Information und Freiheit.

  17. @Peter Nümann: +1

    ACTA ist in der Tat deswegen gekippt worden, weil es auf falsche Sachverhalte verkürzt worden war, und niemand – auch keine Qualittsmedien – diese Verkürzung kritisch aufgegriffen haben.

    Insofern geht der Vergleich fehl, und der wunsch die Debatte ums LSR möge ebenso verkürzt werden, macht Bauchschmerzen.

    Gruß,

    SH

  18. Die gesamtgesellschaftliche Ebene des digitalen Wandels wird insbesondere in Deutschland zu wenig verstanden. es gibt kaum ernstzunehmende intellektuell ernstzunehmende und gesellschaftlich verantwortliche Diskurse darüber.

    Große kulturevolutionäre Brüche werden generell in ihrer kurzfristigen Wirkung überschätzt. Negativ (wie z.B. bei den beiden Urheberfundamentalisten in den beiden Kommentaren #6 Peter Nümann (Abmahnanwalt) und #7 Stefan Herwig (allen hier bekannt als ewig mahnender Musikproduzent) oder auch positiv (wie z.B. viele User und “Social Media Experten”, die eine völlig unkritisch begeisterte Nutzung von kommerziellen Diensten wie Facebook u.ä. predigen und praktizieren).

    Krystian hat völlig recht, darauf hinzuweisen, dass die Debatte aufgemacht werden muss. Praktisch umgesetzt könnte dies z.B. durch Veränderungen in der Bildung geschehen. Sieht man allerdings aktuell die politisch bestimmenden “Digitaldebatten” im Bildungsbereich fällt auch hier entweder ein zu kurzgedachter, zu oberflächlicher Aktivismus auf: “Alle Schüler brauchen Tablets, und diese merkwürdigen Digitalen Tafeln müssen überall hingestellt werden”, oder die (wegen den Kindern, wegen den Kindern!) bis ins unerträgliche gesteigerte Abwehrhaltung.

    Es geht irgendwie nicht an die Substanz unserer Kultur. Es geht entweder über banale oberflächliche (meist kommerzielle) Veränderungen oder um die Sicherung althergebrachter Einkünfte irgendwelcher Berufsgruppen, die durch den unvermeidlichen Wandel als eine der ersten betroffen sind. Beide Herangehensweisen helfen Null wenn es darum geht über ein positives Kultur- und Gesellschaftsverständnis in einer digital vernetzten Welt nachzudenken.

    Der von Leonhard Dobusch im Artikel verlinkte Ansatz wird von mir ja auch seit Jahren bereits gedacht und mit meinen bescheidenen Mitteln umgesetzt. In aller Kürze: Das Netz verstehen als einen Bestandteil eines im Anthropozän gefundenen neuen Wachstumsverständnisses, mit einer neuen Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz.
    Zusammenarbeit und Wissen sind die neuen alten Grundpfeiler, auf denen eine Gesellschaft ihre Regeln aufbaut. Dafür muss man sich natürlich von der ins Hirn getriebenen angeblichen “Alternativlosigkeit” der jetzigen Situation lösen.
    Auch wenn es aktuell (Regentschaft Merkel, globale Kapitalismuskrise) nicht so wirken mag, aber dieser Wandel wird in Ansätzen bewusst und unbewusst breiter angedacht und praktiziert als es scheint. Wie jeder kulturelle Wandel bricht er nicht plötzlich auf, sondern wuchs bereits lange unter der Oberfläche.

    Wenn man das Netz mit diesem neuen aufklärerischen Anspruch an Wandel verbindet, werden sowohl die abstrusen Forderungen von Verlegern, Urheberrechtsfundamentalisten und ähnlich aufgescheuchten Interessengruppen deutlich in ein anderes Licht gerückt (man versteht ihre Beweggründe, aber sieht, dass ihr Streben rückwärts gewandt ist), als man auch klar versteht, dass man das Netz nicht den neuen Kapitalisten (Google, Facebook, Amazon) überlassen darf bzw. es sich zurückerobern muss, wenn diese es bereits in ihren Fängen haben.

    Jetzt könnte man sagen, dass machen viele Netzaktivisten heute bereits, doch es geht um die Motivation, die sich ändert. Es sind nicht mehr Reflexe in einem vermeintlich heldenhaften Kampf (Datenschutz-Kriege, ACTA-Bösewichte etc.), sondern es ist eine viel entspanntere und trotzdem kräftige Art, den Wandel aktiv und produktiv zu gestalten sowie gleichzeitig all die in ihre Grenzen zu weisen, die sich aus Gier oder Angst wehren gegen diesen Aufbruch in eine zweite Moderne, eine vernetztere, kosmopolitischere und gleichzeitig individuellere und gemeinschaftlichere Moderne.

  19. @Thomas: “Das Problem ist ganz einfach zu erfassen, der Protest hat im wesentlichen im Netz tattgefunden.”

    na ja, die Debatte, wenn auch schief gebnet, auch in den Mainstream-Medien stattgefunden oder auch auf Podiumsdiskussionen mit einer Breitenwirkung über das Netz hinaus, bei denen zB Christoph Keese nicht der Fremdkörper war, sondern Google-Vertreter.

    “LSR ist deutsch, ACTA war international.” das ist richtig, aber es gibt beim LSR durchaus auch eine internationale Dimension: das Problem der Presseverlage mit Google taucht auch in Ländern auf so unterschiedlich wie Frankreich und Brasilien. Es wird national angegangen bzw. gelöst, der Protest bzw. die Kritik an den “Lösungen” hat sich nicht grenzübergreifend vernetzt, ebensowenig wie im Zuge dessen eine internationale Gegenbewegung zu Google entstanden ist.

    “Das Probleme der digitalen Bohemians ist, dass sie sprachlos sind, sobald es aus der Community rausgeht”

    guter Punkt!

    “Wer hat den Bock, Plakate zu kleben oder sich bei Minustemperaturen auf den Marktstand zu stellen, wenn man bequem von der Couch aus einen bösen Twwet schicken kann?”

    Clicktivism / Slacktivism in diesem Kontext zu attestieren – ich bin mir nicht sicher, ob das greift. ich habe den Eindruck bei vielen Engagierten geht es deutlich darüber hinaus.

  20. @Music Management: es entstehen im Netz durchaus neue Nischen für Produkte, die eigenen (netzspezifischen) Qualitätskriterien gemäss sich konfigurieren ( was sich u.a. an flattr zeigt und seinen flattr-Stars bzw. Starlets) – all das im Schatten / bzw. als Alternativen alter Ordnungen. Neben alten Regeln gibt es somit auch neue Regeln, und ja, ein neues Spiel.

  21. @Peter & Stefan: das ist ein Mißverständnis, dass sich übrigens auch oben in der Diskussion (Kommentar #1) ergeben hat. Analog zur Antwort darauf möchte ich klarstellen:

    Hier geht es nicht darum, dass die Kinder verstehen, was wirklich “at stake”, was wahr ist und damit zum Resonanzkörpern der wahren Botschaft werden, sondern darum, ob ein Thema eine gewisse Breitenwirkung in der Diskussion erreicht.

    Und die Kindern sind hier natürlich in einer besonderen Weise als Gradmesser interessant, denn sie sind die jüngsten Akteure in dem betroffenen Feld: Digital Natives. Wenn sie Digitalisierungsthemen reflektieren, dann kann es sich nur um ein Ereignis der besonderen Art handeln.

    Kurz: Nicht, WIE sie es übersetzen und WAS dabei rauskommt, sondern, DASS sie es überhaupt übersetzen (oder auch nicht) ist hier interessant.

  22. Mein Eindruck bei der Digitalisierung ist, dass wir hier eine dramatische Entfremdung der Politik von der Bevölkerung haben.

    Als das Internet in Deutschland Ende der 1980er Jahre aufkam, stemmte sich das BMFT dagegen, dass die deutschen Hochschulen ans Internet gingen. Der zähe Widerstand in der deutschen Politik gegen die Bevölkerung und gegen die Bürger hat sich seither verstärkt.

    Seit Ende der 1990er Jahre wird die öffentliche Verwaltung durch die Politik von den Bürgern abgeschottet. Einzigartig in der Welt, werden mit qualifizierter Signatur, eID. De-Mail und nun noch E-Government-Gesetz teure, gegen Europa und gegen die deutschen Bürger gerichtet Zäune um die Verwaltung gezogen, um die deutsche Verwaltung international zu isolieren und den deutsche Bürger zu einem zweitklassigen Opfer des Staates zu machen.
    http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/02/26/e-government-in-der-trutzburg-das-rheingold/

    Bei der EU-Dienstleistungsrichtlinie erdreisten wir uns, sie offenen Auges einfach nicht umzusetzen. EU-Ausländer können bei uns nicht einfach und online ihre Gewerbe bei uns anmelden. Offen wird das Recht gebrochen (Art 8 EU-Dienstleistungsrichtlinie). Aber effizientes Arbeiten der Verwaltung interessiert das Parlament nicht: 24 Sekunden hat die erste Lesung des E-Governmentgesetzes gedauert.

    Die Open Data Bewegung wird von der Regierung durch Verschleppung, restriktive Lizenen mit Hass auf die Wirtschaft und globale Isolierung durch Nichtteilnahme an der Open Government Partnership boykottiert.

    Seit Ende der 1990er Jahre versucht man immer wieder wie in Diktaturen in Iran oder China die Nutzung des Internets zu überwachen. Zweimal hat man dabei Kinderpornogriafie missbraucht (der vorbestrafte Manfred Kanther, CDU, mit einer Kinderpornosuchmachinen 1998 und Ursula von der Leyen mit einer Totalüberwachung jedes Webzugriffes jeden deutschen Bürgers und Vergleich mit geheimen Listen, die ohne Überwachung durch die Justiz von der Polizei erstellt werden sollten (Übergang der Rechtssprechung von der Justiz auf die Polizei) im Zugangserschwerungsgesetz. Das Perverse dabei war, dass das Zugangserschwerungsgesetz mit einer großen Mehrheit von CDU, CSU, SPD und FDP (letztere haben trotz gegenteiliger Darstellung im freiheitlichen Marketing mit ihren Koalitionen in Bayern und Sachsen im Bundesrat zugestimmt). Der Staat lauscht so viel wie er kann, ohne durch das Parlament behindert zu werden. Die Untersuchung des durch den CCC aufgedeckten Bundestrojaners wird von den Datenschützern als geheime Komandosache gestempelt (VS-NfD). Die Evaluierung des Schilypakete (Schily war mal Grüner), die schlimmer sind als der Patriot Act, wird durch das Parlament verhindert.

    Das Urheberecht wurde gebeugt und verstümmelt. Selbst bei amtlichen Werken, die nach §5 UrhG versucht man durch rechtswidrige Lizenzvergaben die Nutzung von gemeinfreien Werken einzuschränken. Die Privatkopie wurde von Zypries verstümmelt. Und die veilen Juristen im Bundestag haben ihren Berufskollegen einträgliche Abmahngeschäfte eingeräumt,. die nicht einmal davor zurückschreckten, Kinder zu kriminalisieren. Nirgendwo außer bei uns gibt es die Störerhaftung. Eine Angleichung an internationale Standards wird einfach ausgesessen. Die WLAN-Initiative der SPD hat nicht den einfachen Gesetzentwurf zur Änderung des TMG genutzt und schnell eine Änderung herbeigeführt. Absurderweise hat der Gesetzgeber die Gesetzgebung an die Exekutive outgesourcet. Bock zum Gärtner. Bei Schulbüchern wollte man regierungsseitig tatsächlich Lehrer und Schüler heimlich beschnüffeln (deutlicher als die KMK konnte man seinen Geist nicht darstellen).

    Das LSR ist nur ein winziger Bruchteil in der Entfremdung des Parlamentes vom Volk. Der Willen des Volkers wird dort nicht mehr gebildet. Bei Zugangserschwerungsgesetz und ACTA musste der Wille des Volkes auf der Straße in einer APO verbalisiert werden. Die Parteien haben nicht mehr an der Willensbildung mitgewirkt, sondern sich gegen das Volk gerichtet. Beim LSR wurde das Volk dann müde. Man kann nicht bei jedem Gesetz über alle Massen arbeitsintensiv ein entfremdetes Parlament zur Ordnung rufen.

    Die Erlebniswelt der Bevölkerung hat sich längst von der des Parlamentes entfremdet. Über die Hälfte der Bevölkerung ist online. Natürlich sehen die meisten Filme und hören Musik, da wo sie bekommen. Sie haben keine Böcke mehr, von den öffentlich rechtlichen ausgenommen zu werden, die vom Parlament auch noch kastriert werden (Depublizierung). Kultur wird aktiv durch das Parlament verhindert. Steuerfinanziert wird Kulturgut aus dem Markt genommen:
    http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/05/13/sherlock-holmes-das-dartmoor-und-das-urheberrecht/

    Das Volk weiß längst, dass die Verschärfung des Urheberrechts nicht den Künstlern zu guten kommt. Wenn nach mehreren Jahrhunderten Urheberrecht Künstler in der Sozialkasse 12.000 € Jahres Einkommen als Musiker und 15.000 € als sonstiger Künstler angibt, weiß jeder wo der Hase läuft.

    Das Parlament arbeitet mit seiner gegen das Internet und die Bevölkerung gerichteten Politik gegen seine eigene Legitimation. Wie beim Kohlebergbau wird versucht, das Gestern zu retten, statt die Zukunft zu ermöglichen. Der Kampf gegen das Internet ist wie der Kampf der CDU gegen die Solarindustrie und die Windenergie, die Peter Altmaier gerade in Deutschland mit der sogenannten Engergiewende tötet (die Atomenergie steht immer noch als unverzichtabr im CDU-Grundsatzprogramm, und Leitungen die den Windstrom von RWE aus Borkum Riff ins Netz bringen könnten, werden einfach nicht gebaut und das Projekt abgebrochen).

    Wenn ich mir ansehe, dass die SPD auf ihrem Parteitag sich wieder erneut für die Vorratsdatenspeicherung trotz empirische Belegung der Nichtwirksamkeit ausgesprochen hat und nun im Parteiprogramm ein Leistungsschutzrecht angestrebt wird, dann glaube ich, dass die überwältigende Mehrheit des Parlamentes im Gegensatz zur Bevölkerung nicht mit dem Internet oder der Digitalisierung zurecht kommt. Realistisch gibt es da wohl nur zwei Alternativen: entweder wir sitzen das biologisch aus oder wir machen mehr Welle wie beim Zugangserschwerungsgesetz und ACTA. Von alleine wird das Parlament nicht mehr zur Vernunft kommen. Da scheint der Widerstand gegen die Digitalisierung zu groß.

  23. @Horst A. Bruno alias Brunopolik, #14: ich selbst bin auch Anhänger der Utopie einer “Wikipedia des Journalismus” oder einer “Wikipedia der Debatte”. Aber ich frage mich, ob wir nicht andere Visionen entwickeln sollten, die realistischer sind und entsprechend umsetzbar.

    Eine “Wikipedia des Journalismus” ist mit dem “People’s CNN” namens Indymedia im jahr 1999 entstanden – und seit einiger Zeit massiv in der Krise. WikiNews, einige Jahre später gegründet, ist nie wirklich groß geworden.

    Stattdessen floriert die Utopie “Wikipedia des Journalismus” auf Konzern-Portalen wie iReport, die auf dem offenen Grasswurzel-Prinzip aufbauen.

    Vielleicht besteht die Frage darin, wie man die Inklusionsmacht der Konzern-Portale (und dazu würde ich auch große soziale Netzwerke zählen) in neuer Weise nutzen kann. Also im medientheoretischen Sinne “mißbrauchen” kann für die von dir beschriebenen Zwecke.

  24. @Michael #16: “…im Prinzip ein Prozess von mindestens einem halben Jahrhundert, also trotz Ungeduld von Internetfreaks eine Jahrhundertaufgabe.”

    das ist ein hellsichtiger Hinweis! Denn ja: Wir sollten die Digitalisierung auch auf zeitlicher/historischer Ebene in einem größeren Zusammenhang sehen. Nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit und den Vergleich mit der Industrialisierung, sondern mit Blick auf die Zukunft.

    Vielleicht hilft es dann auch, die eigene Rolle in diesem Prozess besser zu definieren. Und damit auch die eigenen Möglichkeiten, hier etwas Sinnvolles und Nachhaltiges beizusteuern.

    Offenbar ist das jetzt genau der wichtige Kipp-Moment, in dem die gesamtgesellschaftliche Penetration der Digitalisierung entweder die (großen) existenziellen Fragen aufwirft oder eben nicht – und das Internet im Zuge dessen zu einem Toaster wird, den niemand kulturell, politisch, etc. hinterfragt.

  25. @Krystian Woznicki #27: “…… im medientheoretischen Sinne “mißbrauchen” ……” Nur ein “Unterlaufen” der Systeme kann noch zu befriedigenden wirksamen Lösungen führen. Günter Eichs “Maulwürfe” fallen mir dazu ein.

  26. Aufgrund der im Kommentarbereich wiederholt deutlich gewordenen Mißverständnisse (#1, #20 und #21) hat der Autor einen Satz im Text in Bezug auf die Reaktion der Kinder in Neukölln ergänzt: “Nicht, WIE sie es übersetzen und WAS dabei rauskommt, sondern, DASS sie es überhaupt übersetzen, ist hier bezeichnend.” Die Stelle ist im Text blau markiert.

  27. # 29
    “Internet im Zuge dessen zu einem Toaster wird, den niemand kulturell, politisch, etc. hinterfragt.”

    Steile, also unsinnige These – auch in Hinsicht auf das aufgeworfene Problem. Es wird im Internet und in weithin beachteter Medienpublizistik (Lobo, Schirrmacher usw.) nichts so sehr hinterfragt und durchgekaut wie das Internet.

  28. @Michael #31: die These ist mit Blick auf historische Entwicklungen im Bereich der Medien recht bodenständig: Medien, sofern sie Mainstream werden, sehr bald so “naturalisiert”, dass sie nicht mehr grundsätzlich hinterfragt werden, sondern einfach genutzt.

    Mit Blick auf das aufgeworfenen Problem – das Fehlen einer fundamentalen Hinterfragung der Digitalisierung – zeichent sich diese Tendenz bereits ab. Und was Lobo, Schirrmacher & Co. machen erreicht leider nur einen Bruchteil der Gesellschaft: es ist ein Ausdifferenzieren der Elite.

  29. »Die Debatte um das LSR könnte all diese Fragen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Und sie könnte noch weiter gehen, auf eine Ebene höher übersetzen und nach den Implikationen für gesamte gesellschaftliche Entwicklung fragen: Was passiert mit Arbeit, Kreation, Produktion und Bildung? Damit einmal die Folgen der Digitalisierung, die vergleichbar sind mit den Folgen der Industrialisierung, im kollektiven Bewusstsein präsent und entsprechend von allen diskutiert werden.«

    Könnte sie. Muss sie. Aber: Dazu gehört auch Debattenkultur, damit das möglich wird, was in einem interessanten Kommentar kritisiert wird: »Die gesamtgesellschaftliche Ebene des digitalen Wandels wird insbesondere in Deutschland zu wenig verstanden.«
    Fehlt eine angemessene Debattenkultur, gehen Neugier und durchaus vorhandenes Interesse für den digitalen Wandel zwischen Trollerei und Bashing anderer, kritischer Meinungen gar unter, ist “zu wenig Verständnis” eine der unschönen Folgen. Weil ein Großteil derer, die zur Debatte das ein oder andere beitragen *könnten*, entweder wieder aus der Debatte aussteigt – oder gar nicht erst daran teilnimmt.

    Auf diese Weise bleiben die kleinen Zirkel der Debatte das, was sie bislang sind: Elitäre Kreise, die sich offenbar in der Rolle der Elite gefallen und diesen Status liebend gerne verteidigen.

    Dabei wäre das “Mitnehmen” und Verstehen der Gesellschaft wichtigste Voraussetzung für eine positive Sichtweise und Entwicklung der Digitalisierung und ihrer Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, denn:
    »Nur Experten, nur Informationswissenschaftler und Hacker begreifen noch, wie weit das alles fortgeschritten ist. Wir als Gesellschaft verstehen das nicht mehr.« schreibt Shoshana Zuboff in der FAZ.
    (Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/protokoll-einer-zukunftsvision-das-system-versagt-12057446.html)

  30. @Heike: Der Artikel von Shoshana Zuboff war definitiv einer der anregensten Lesestoffe in den letzten Wochen. Danke, dass du ihn hier passend nochmals verlinkt hast.

    Hinsichtlich der Debattenkultur:

    Die neuen Dialog- und Diskursmöglichkeiten im Netz treffen auf eine Bevölkerung, die, gerade in den letzten Jahrzehnten, nicht befähigt wurde, sich im offenen Dialog miteinander auszutauschen und zu Ergebnissen zu kommen. Dies ist/wird ein Grundproblem des aktuellen Entwicklungsstandes der hiesigen Demokratie. Ein bestimmter Zustand der Debattenkultur ist aber keine Vorraussetzung für den wichtigen Diskurs über die Zukunft einer vernetzten Gesellschaft. Man muss die Zustände auch ab und an einfach akzeptieren, den ein oder anderen Mob wird man nicht zähmen können. Wer darauf wartet, wird nie die Zukunft gestalten.

    Es ist auffällig, dass Menschen, die sich ihre Sprechfähigkeit wieder aneignen, zu Beginn oft sehr viel negative Energie mittransportieren (s.a. der furchtbare, aber zutreffende Begriff “Wutbürger”).
    Dies ist immer wieder ein Störfaktor, sollte aber trotzdem verstanden werden als jeweils individueller Prozess, um eben mit einer gewissen Kultur sprechfähig zu werden. Wozu insbesondere auch der gute Streit gehört. Der Mensch ist kein Meinungsroboter, sondern muss den anderen auch sozial mit dessen Interessen einordnen können. Die Machtfrage ist nie abschliessend beantwortet und schwingt immer mit, egal welch edle Regeln sich eine Gesellschaft gibt.

    Es ist deswegen wichtig, bekannte Provocateure gegenüber anderen Dialogteilnehmern einzuordnen, damit diese nicht immer wieder eine Diskussion zurückziehen können. Dies sollte auf der Vermittlung von Fakten und beweisbaren Zusammenhängen beruhen, nicht auf Hörensagen oder gar Verleumdungen. Wenn z.B. gewisse Personen als reaktionäre Urheberrechtsfundamentalisten bekannt sind, sollte dies der betroffenen Dialoggruppe, in die diese Personen eindringen ohne ihre eigentlichen Interessen offenzulegen, mitgeteilt werden.

    Das Problem ist also, dass es im Web keine allgemein etablierten Rituale und Prozesse des Dialoges gibt. Solche Methoden haben in der physischen Welt immer gut geholfen, einerseits Menschen sprechfähig zu machen und andererseits bekannte destruktive Kräfte einzudämmen bzw. abzuwehren.

    Dieser Verlust der Gatekeeper und ihren Vorschriften für den Dialog ist eben Chance und Gefahr zugleich. Das emanzipatorische und aufklärerische Potential des Webs fällt nicht vom Himmel, nur weil das Web nun da ist.

    Reaktionäre Kräfte und neue Machtpotentaten können das Web in ihre Richtung ziehen. Die von mir in Kommentar #8 benannten Gruppen, z.B. die Urheberrechtsfundamentalisten sind bekannt dafür einen konstruktiven Dialog mit ihren kompromisslosen und oftmals beleidigenden und verleumderischen Methoden geschickt zu untergraben. Dies ist vielleicht in einer alten spieltheoretischen Rhetorikschule, in der es um interessengesteuerte Manipulation und nicht um Erkenntnis geht, ein beliebtes Verfahren. Für einen durch das Netz überhaupt erst in dieser Offenheit ermöglichten Dialog wirken solche Kreise oftmals schlicht destruktiv. Es ist deswegen notwendig, auch wenn das gegen die Grundidee der Öffnung verstösst, gewisse laute und hass-durchsetzte Gruppierungen klar ihre Grenzen aufzuzeigen, damit eine (Teil-)Debatte sinnvoll bleibt.

    Diesen Verteidigungskampf an mehreren Fronten gilt es parallel zu der breiten Aufklärung über die Chancen zu führen. Dies ist es, was die Netzaufklärung eben so schwierig macht. Die Störfeuer der Neokapitalisten sowie der sich als Opfer stilisierenden alten Besitzstandswahrern gilt es Paroli zu bieten und trotzdem eine gesamtgesellschaftliche Einordnung des Webs für die zweite Moderne vorzubereiten.

  31. Jens, als netzaffiner Öffentlichkeitsarbeiter hast Du bestimmt schon ausreichend Erfahrung mit einer Eigenart der Netzöffentlichkeit gesammelt: Vieles entlarvt sich auch ohne demonstrative Fingerzeige und Zutun von außen in rasanter Geschwindigkeit. Sprache und Vokabular sind aufschlussreich für den, der zu lesen vermag.

    Auch das möglicherweise als Ansatz zu verstehen für eine andere Debattenkultur, die dank des Verzichts auf martialische, bisweilen recht sinnarme Floskeln mitnimmt, anstelle abzuschrecken.

    …bitte zwischen “sinnarm” und “Floskeln” ergänzen: “deren Teilnehmer”. Zwecks besserem Verständnis. Danke. ;)

  32. @Jens Best: “Wenn z.B. gewisse Personen als reaktionäre Urheberrechtsfundamentalisten bekannt sind, sollte dies der betroffenen Dialoggruppe, in die diese Personen eindringen ohne ihre eigentlichen Interessen offenzulegen, mitgeteilt werden.”

    Welches sind denn Ihre “eigentlichen” Interessen? Wer bezahlt sie wofür?

  33. @”Peer Steinbock”: Oh, der erste irrationale Wadenbeisser aus der Fraktion der Urheberrechtsfundamentalisten. – Natürlich undercover, aber is’ okay, wir wissen hier mit anonymen Wichten umzugehen.

    Eine Bitte – Ich weiss es bringt nichts, aber ich versuche es trotzdem: Bitte stören sie nicht, hier unterhalten sich erwachsene, reflektierte und offene Menschen, sie werden mit ihren angedeuteten Unterstellungen und versuchten Verleumdungen hier niemanden beeindrucken.

    PS: Sie brauchen auch nicht zu antworten. Ich äußere eine Bitte, ich führe keinen Dialog mit ihnen.

    PPS: Sorry, an alle anderen, aber dieses Urheberrechtsfundamentalisten-Pack folgt mir gerade überall hin, weil ich ihnen gesagt habe, was von ihnen zu halten ist. Ich würde mich freuen, wenn wir das Thema, das Krystian in seinem Artikel anspricht fortsetzen könnten.

  34. @Heike: Prinzipiell hast du recht. Für den aufmerksamen Beobachter sind solche Fundamentalisten oft schnell zu erkennen und anzuzeigen. Bis dahin bringen sie aber oft eine unnötige Unruhe, die dann zu einer vergifteten Atmosphäre auswachsen kann.

    Das manipulative Potential sollte nicht unterschätzt werden. Es ist ab und an erschreckend zu beobachten, wie Fundamentalisten mit halbgaren Ideen und haarsträubenden Verleumdungen Menschen auf ihre Seite bringen können.

    Wie gesagt, eine ambivalente Herausforderung des Webs ist die Offenheit. Offenheit kommt mit einem Preis, sie kann weh tun und erfordert Regeln. Sie ist ein Ziel, das nicht von selbst geschieht, sondern von uns möglichst gerecht umgesetzt werden muss. Die Feinde einer offenen Gesellschaft sind auch die Feinde eines offenen Webs.

    Wie wir auch an Kommentar “Peer Steinbock” erkennen können, gibt’s es Personal, dass nicht eine Sekunde am Thema des Diskurses (hier “Die gesellschaftliche Bedeutung der Digitalisierung und ihre im Sinne des Menschen beste Umsetzung”) interessiert ist, sondern nur, meist mit einer pseudo-aufklärerischen Attitüde, versucht, Hass und Zwietracht zu säen.

    Ich finde es auch ein wenig zu kurz gegriffen, solches Personal Trolle oder Basher zu nennen, sie sind Feinde einer offenen Gesellschaft, weil sie sie bewusst zersetzen mit ihrer Art.

  35. Aus dem FAZ-Link (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kapitalismus/protokoll-einer-zukunftsvision-das-system-versagt-12057446.html): Eine ganz neue, noch nicht kartographierte Landschaft tut sich da auf.”

    Zuboff: “You’re in a new place. The bad news: There are no maps. The good news? You are the mapmaker.”

    Eine Anmerkung zum Posting, These: Die Digitalisierung im (geschlossenen) ortsunabhängigen Intranet erscheint mir weitaus wesentlicher als die offene.

  36. @#29: Unterlaufen und Maulwurf-Spielen – das klingt nach klassischer Subversion. Die Frage ist, wie weit diese Strategie führt. Also: wie skalierbar sie ist. Kann eine kritische Masse damit erreicht werden?

    Im medientheoretischen Sinne “mißbrauchen” bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings etwas anderes – etwas, das möglicherweise eine breitere Bewegung zulässt.

    Zum Beispiel (in Anlehnung an Stefan Heidenreich): Facebook wird programmiert. Aber was genau damit angestellt wird, das kann weder der Programmierer noch der Chef vorher genau determinieren.

    Das heißt, die Entwicklung einer solchen Netzwerk-Plattform ist abhängig vom Nutzungsverhalten der Mitglieder – und wenn diese ihren Interessen nachgehen und dabei gemeinsame Interessen entdecken, kann es im großen Stile zu einem Mißbrauch des Werkzeugs führen.

    Die Hoffnung bei dieser Lesart liegt wohl darin, dass Menschen entweder bewusst oder unbewusst Interessen verfolgen/entwickeln, die der Autorität/Macht zuwiderlaufen. Oder diese unterlaufen :)

  37. @Heike Rost#34: Was “das “Mitnehmen” und Verstehen der Gesellschaft” angeht, sollten wir klar unterscheiden zwischen einer normativen und einer affirmativen Lesart. Die Gesellschaft wie sie, einer bestimmten Setzung zur Folge, ist bzw. sein sollte (normativ). Oder die Gesellschaft, wie sie, gemäss Beobachtung, ist (affirmativ).

    Wir sollten meiner Meinung nach eine Gesellschaft mitnehmen, wie sie gemäß Beobachtung ist (natürlich sind da Setzungen inhärent, aber nachrangig). In erster Linie beobachten wir im Hinblick auf das Thema eine Gesellschaft, in der Digitalisierung nicht verstanden, nicht reflektiert wird – zumindest nicht ausreichend, gemessen an den Potentialen, die in einer solchen Auseinandersetzung schlummern.

    Vielleicht aber, um die Idee des Mitnehmens stärker zu akzentuieren, sollten wir den aktuellen Zustand zumindest als Arbeitsgrundlage begreifen und nicht so tun, als ginge da rein gar nichts, bzw. als
    seien da nur Eliten miteinander im Gespräch.

    Das meint im Übrigen auch Shoshana Zuboff nicht, wenn sie sagt: »Nur Experten, nur Informationswissenschaftler und Hacker begreifen noch, wie weit das alles fortgeschritten ist. Wir als Gesellschaft verstehen das nicht mehr.«

    Sie bezieht das nicht auf die Digitalisierung im allgemeinen, sondern auf einen einzigen Aspekt: die Überwachung.

    Kurz, wir sollten uns fragen: wer versteht etwas von der Digitalisierung – auch wenn es nur die Hälfte oder sogar noch weniger ist? Wer ist bereit darüber zu reden – auch wenn es nur auf Stammtisch-Niveau ist?

    Wenn wir uns die Debatte zur Digitalisierung derart inklusiv anschauen, merken wir, dass da sehr viele Menschen beteiligt sind – sowohl im aktiven als auch im passiven Verstehen. Dass da sehr viel Austausch stattfindet. Und wir sollten nicht davon ausgehen, dass das in Zukunft alles von selber besser wird, dass wir uns als Gesellschaft steigern. Eher das Gegenteil wird der Fall sein. Das gesamtgesellschaftliche Reflexionsniveau wird sinken.

    Wir müssen die Erhitzungen des öffentlichen Systems, die uns nerven, weil soviel Unsinn hervorgebracht wird, ertragen und als Chance begreifen. Denn morgen schon ist die Digitalisierung ein Toaster. Und alle wollen nur noch wissen, wann die nächste Version verfügbar ist.

  38. @Krystian #41: “Subversiv” ist eine wirksame Art, totalitärer Macht, wie sie sich zunehmend etabliert, zu begegnen. Für Hans Erich Nossack war es der Partisan. Aber davon ist unsere digitale Gesellschaft meilenweit entfernt. Sie folgt bereitwillig und wenig hinterfragend dem medialen Stream.

  39. Welche Partei hat eigentlich netzpolitische Kompetenz? Kann man anlässlich einer aktuellen Meldung kritisch fragen. Sollte man. Frau.

    Über das Leistungsschutzrecht sagte Steinbrück im Interview mit ZEIT ONLINE: “Schwarz-Gelb hat einen grottenschlechten Gesetzentwurf vorgelegt. Plötzlich werden nun diejenigen angeprangert, die ankündigen, dass sie das Gesetz grundlegend ändern wollen, wenn sie an der Regierung sind.”

    Die Grünen hingegen sprechen angesichts dessen der SPD die netzpolitische Kompetenz ab. Volker Beck, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünenfraktion, sagte, netzpolitisch sei die SPD damit unglaubwürdig geworden. Steinbrück sagte dazu: “Nun ja, unsere kritischen Einlassungen sind in der Sache gemeinsame rot-grüne Linie und Gegenstand eines abgestimmten Entschließungsantrags, da kann es also an der Kompetenz nicht fehlen.”

    http://www.zeit.de/digital/internet/2013-03/leistungsschutzrecht-steinbrueck-2

  40. Hallo: Das Wissenschaftsjahr 2014 wird sich der digitalen Gesellschaft widmen. Dann klärt sich vielleicht so einiges. Beste Grüße Ralf Bülow

  41. “warum erfährt der fundamentale Umbruch keine fundamentale Reflektion?”

    Weil Transformationsprozesse in der Regel von längerer Dauer sind vielleicht?

  42. Ich teile nicht die Einschätzung mancher, dass das Leistungsschutzrecht eine Niederlage gewesen ist. Natürlich ist ein unschönes Gesetz verabschiedet worden, was für Rechtsunsicherheit sorgen wird. Aber es ist auch umstritten, ob das überhaupt jemand treffen wird oder wieder einfach nur klassische Symbol-Klientel-Politik war. Natürlich sind Gesetze mit weniger Rechtsunsicherheit für das Netz besser geeignet. Das Leistungsschutzrecht sah aber früher schon gefährlicher aus. Was aber als Erkenntnis stimmt: Es gibt leider nur wenige, die sich über etwas Meckern und twittern hinaus in die öffentliche netzpolitische Debatte einmischen. Und ein Teil davon zerstreitet sich gerade in Flügel- und sonstigen Kämpfen der Piratenpartei und ist damit erfolgreich abgelenkt.

  43. Ich finde, dass Digitalisierung manchmal schon recht wichtig ist und zudem auch in der heutigen Zeit hilfreich sein kann, zB. wenn es im Aktendigitalisierung geht. Es ist kaum bestreitbar, dass digitale Akten weitaus einfacher zu verwalten sind und auch der Zugriff zu diesen Daten leichter ist.

    Liebe Grüße
    Charlotte

  44. Eure Seite gerade gefunden. Echt cool.
    Aber Digitalisierung betrifft schon lange nicht mehr allein den Journalismus. Die Frage ist doch nicht mehr, ob wir sie wollen, ob sie kommt; Sie ist schon lange da. Social Networks etc. … Wir sollten uns beeilen, das digial beeinflußte Leben zu unserem sozialen Vorteil zu nutzen.
    Digitaler Analphabetismus muß genau so überwunden werden, wie der uns bekannte Analphabetismus einmal wertvoll erschien ihn zu bekämpfen.

  45. Am Ende geht es doch immer darum, wie mächtige – sprich kapitalstarke – Interessengruppen in der Lage sind, die öffentliche Meinung zu lenken, ja zu kontrollieren. Ob das nun per Printzeitung oder Website passiert, ist schließlich egal. Die hier geführte Debatte ist wie eigentlich alle Debatten nur eine weitere Ablenkung von den wahren Problemen unserer postdemokratischen Gesellschaft.

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