Unbequeme Wahrheiten: Whistleblower, AKWs in Japan und der UN-Watchdog der Kernkraftszene

Seit der Katastrophe vom 11. März 2011 erneuert sich in Japan eine Protestbewegung gegen die Kernkraft. Sie wird von Informationen bestärkt, die durch Whistleblower und andere HeldInnen der Zivilgesellschaft an die Öffentlichkeit gelangen. Der Bruch der BürgerInnen mit einer Kultur der Duldung sowie einer Politik der Geheimhaltung offenbart tiefe Risse in der Gesellschaft. Sie klaffen nicht zuletzt in den Strukturen des UN-Watchdogs der Kernkraftszene: IAEA. Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki verschafft sich einen Überblick.

Kurze Zeit nachdem Erdbeben und Tsunami das Atomkraftwerk in Fukushima weitgehend zerstört und in Ausnahmezustand versetzt hatten, meldete sich die Enthüllungsplattform WikiLeaks zu Wort, Julian Assange, ihr Chef, twitterte sinngemäss, „schaut in die US-Depeschen, die Risiken bei Japans AKW’s waren bekannt!“

Unbequeme Wahrheiten öffentlich machen

Lange bevor Assange die US-Depeschen leakte, hatten Whistleblower die Behörden über diverse Risiken informiert, es gab eine Krankenakte gut für manch eine Bestattung, aus den Erkenntnissen wurden jedoch keine, beziehungsweise nicht die nötigen Schlüsse gezogen. Jetzt, da es in Fukushima dafür zu spät ist, fragt sich: Hätte man auf die Whistleblower doch hören sollen? Und vielleicht noch wichtiger: Welche Whistleblower haben sich in den letzten Jahren zu Wort gemeldet und wurden bislang nicht ernst genommen?

Unbequeme Wahrheiten öffentlich machen – das ist das Los des Whistleblowers. Die Geowissenschaftlerin Leuren Moret hat damit Erfahrung. Während ihrer Zeit im Livermore Nuclear Weapons Lab, wir schreiben die 1990er, konnte sie dem Schwindel in ihrem Arbeitsumfeld nicht länger zusehen und avancierte zur „Geheimnisverrärterin“.

Als Moret Sommer 2003 auf Kernkraftmission in Japan unterwegs war, mit der Aufgabe betraut, Atomkraftwerke zu inspizieren, sah sie ihre Arbeit abermals von den herrschenden Bedingungen korrumpiert. Alle blendeten die Wahrheit radikal aus, eine Wahrheit, die sie ein Jahr später in der Japan Times publik machen sollte. Mit Blick auf das Hamaoka Atomkraftwerk und die Erdbebenanfälligkeit seiner Umgebung schrieb Moret:

„It is not a question of whether or not a nuclear disaster will occur in Japan; it is a question of when it will occur. [...] This may create a nuclear disaster even greater than Chernobyl.“

In Japan kursierte die Rede vom nuklearen Roulette – doch niemand unternahm etwas. Heute ist wieder davon die Rede, alle blicken dabei auf Fukushima, nur wenige registrieren, dass in Hamaoka die weitaus größere Gefahr droht, geologisch betrachtet ist der Boden, auf dem das Atomkraft steht, einer der unsichersten Flecken Erde der Welt.

Warum hört niemand auf die Whistleblower? Warum hat die IAEA all die Jahre nichts unternommen? Wird sie fortan aktiv?

Die Geschichte der Atomkraft und die Geschichte der Whistleblower konvergiert an einem weiteren Punkt in den US-Depeschen. Bald nach ihrer Veröffentlichung, also Anfang Dezember vergangenen Jahres, wurde der UN-Watchdog der nuklearen Szene nervös. Es ging dabei um mehr oder weniger folgenschwere Peinlichkeiten. Tomihiro Taniuchi, so enthüllten die durch WikiLeaks öffentlich gemachten Dokumente, sei vor allem mit Blick auf die Sicherheitsbestimmungen für japanische AKW ein schlechter Manager. Immerhin waren ihm die grundlegenden Unzulänglichkeiten der Kraftwerke Japans bekannt – ob Fukushima oder Hamaoka.

Obgleich diese schwere Dienstvernachlässigung auch durch die Medien ging, hatte dies für die Arbeit der IAEA keine Konsequenzen. Andersherum konnte sich sich die Organisation von den Vorwürfen niemals wirklich freimachen: Korruption, Vetternwirtschaft, unseriöse Sicherheitsstandards. Im Gegenteil: SelbstYukiya Amano, Chef der Behörde, wurde durch die WikiLeaks-Enthüllungen der Korruption „überführt“. So heißt es in den US-Depeschen etwa, vermerkt von einem Diplomaten der Vereinigten Staaten, er sei „director general of all states, but in agreement with us“.

Heute wissen wir: die Enthüllungen über die IAEA hätten früher veröffentlicht oder früher ernst genommen werden sollen. Die Atomkonzerne sind korrupt – das ist Binsenweisheit. Jetzt ist uns bewusster denn je: ihr Watchdog ist es auch. Helfen nur noch Whistleblower. Doch die helfen nur, wenn sie ernst genommen werden. Hamaoka sollte nicht warten bis ein weiterer Held aus den Reihen der BürgerInnen kommt.

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