Mobile Zukunftsmusik

Seit einigen Wochen bin ich wieder in Tokio. Vor einigen Jahren habe ich schon einmal als Designer in Japan gearbeitet. Diesmal habe ich jedoch die grosszuegige Unterstuetzung der Europaeischen Union bekommen und bin mit einem dreijaehrigen Arbeitsvisum eingereist.

Das Executive Training Programm [ETP], dessen Teilnehmer ich bin, hilft europaeischen Firmen eine Zweigstelle in Japan zu eroeffnen, um Waren bzw. Dienstleistungen von Europa nach Japan exportieren zu koennen. Um dieses Ziel zu erreichen, finanziert die EU den Aufenthalt und die Ausbildung einer Person der gefoerderten Firma. Die Ausbildung beinhaltet einen einjaehrigen Sprachkurs, woechentliche Workshops zur japanischen Wirtschaft und zwei dreimonatige Praktika in japanischen Firmen. Gefoerdert werden alle Berufssparten. Vorraussetzung ist, dass der oder die Gefoerderte eine klare Vision davon hat, wie das Programm ihm und der Firma, in der man arbeitet, von Nutzen sein kann.

In meinem Falle ist die Bedeutung von Japan fuer meinen Beruf ueberaus deutlich: Nach meinem Design-Studium in Berlin begann ich im Bereich der interaktiven Medien zu arbeiten. Eine Taetigkeit, der ich mittlerweile seit ueber 14 Jahren nachgehe und im Laufe derer ich in den letzten Jahren Software fuer Handys gestaltet habe, z.B. Icons, Buttons und Ablaeufe, die man benutzt, wenn man sein Telefon einschaltet. Hierbei habe ich an grossen Projekten fuer die meisten Provider und Carrier in Europa mitgearbeitet. Zuvor arbeitete ich selbstaendig und als Angestellter fuer zahlreiche Unternehmen, u.a. MetaDesign in Berlin.

Seit vielen Jahren habe ich ein persoenliches Interesse an Japan. Nun sind in letzter Zeit auch bei meiner Arbeit als Designer in den mobilen Medien japanische Produkte immer wichtiger geworden. >Alles, was mobil sein kann – wird es sein< weissagt uns Nokia, aber in Japan wird dies konsequent umgesetzt. Fuer mich ist Japan der ideale Ort, um Nutzung, Erfolge und Misserfolge der mobilen Medien zu studieren und auch um neueste Technik selbst auszuprobieren, die in Europa bestenfalls fuer die Zukunft angekuendigt ist. Das Programm bietet sehr gute Moeglichkeiten, sich intensiv mit Japan zu beschaeftigen. Die EU legt sehr grossen Wert auf gute Sprachkenntnisse und so muss jeder Teilnehmer jeden Tag, fuenf Tage die Woche fuer sechs Stunden zur Sprachschule. Anwesenheitspflicht! Die Pruefungen muessen erfolgreich absolviert werden. Nach dem einjaehrigen Sprachkurs wird man noch sechs Monate bezahlt, um zwei Praktika in japanischen Firmen durchzufuehren. Hierbei ist jeder Teilnehmer selber dafuer verantwortlich seine Praktikumsplaetze zu finden. Die Idee der Praktika besteht darin, den japanischen Arbeitsalltag hautnah erlebbar zu machen. Was sicherlich sehr gut moeglich ist. Soweit ich dies aus meiner jetzigen Position beurteilen kann, bietet dieses Programm eine sehr gute Chance, einen unfassenden Einblick in die japanische Sprache, Kultur und Arbeitswelt zu bekommen. Von diesem detaillierten Einblick in die japanische Kultur verspreche ich mir, zu einem intensiven Kulturaustausch in der Lage zu sein. Auf der Basis meines jetzigen Wissens um die japanische Sprache war es fuer mich noch nicht moeglich, kulturelle Differenzen zwischen Japan und Deutschland umfassend kennen zu lernen. Eine der groessten Unterschiede mag sein, dass in Japan das Netzwerk oder die Gruppe in der man sich befindet, sehr viel wichtiger ist als in Deutschland. In Deutschland ist es ueblich, sich als Designer mit einer Mappe vorzustellen, die die Arbeiten zeigt, an denen man gearbeitet hat. Dabei kann es schwierig sein, bei einzelnen Projekten exakt zu definieren, was denn nun die einzelne Person gemacht hat und was von dem gesamten Team entwickelt wurde. Es scheint mir nur zu konsequent, dass in Japan, wo die Arbeit des Einzelnen weniger wichtig ist als bei uns, ein Designer >seine< Arbeit mit Arbeiten vorstellt, die eigentlich im Rahmen einer Teamarbeit entstanden sind. Nein, ein Designer kann eigentlich nur mit Beziehungen eine Arbeit finden und sich dann in einer Firma langsam hocharbeiten. Oder er muss so beruehmt sein, dass jeder eh mit ihm arbeiten will. Diese unterschiedlichen Auffassungen von der individuellen Arbeit koennen die Zusammenarbeit schwierig gestalten. So koennte allein die Praesentation der >eigenen Arbeiten< in Japan als egozentrisch und selbstbezogen verstanden werden. Eine Moeglichkeit der vorsichtigen Annaeherung kann darin bestehen, mit Japanern ueber neue Ideen oder Projekte zu sprechen, an denen man arbeitet. Japanische Designer sind, wie natuerlich auch deutsche Gestalter, an neuen Trends interessiert, sie wollen wissen, woran andere Designer arbeiten. Wenn man darueber spricht und ab und zu durchblicken laesst, dass man an dem und dem Projekt mitgearbeitet hat, sollte zum Schluss klar sein, was man kann. Auf diesem Wege kann man seine Faehigkeiten zur Schau stellen, ohne den Anschein zu erwecken, ein >Ego Shooter< zu sein. Eigentlich waere das >japanische< Vorgehen auch fuer Eigenpraesentationen in Deutschland wuenschenswert. Aber der Vergleich zwischen Japan und Deutschland ist schon schwer.

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