Antagonistische Tendenzen

Die letzen fuenf Jahre habe ich an der Monash University in Melbourne Kommunikations- und Medienwissenschaft unterrichtet. In ein paar Monaten werde ich nach Nordirland ziehen und dort als Senior Lecturer fuer digitale Medien arbeiten. Mein Forschungsschwerpunkt liegt in der Beziehung zwischen neuer Medientheorie, Informationsoekonomie, digitalen Technologien, Nationalstaaten, kreativer Arbeit und sozialen Bewegungen. Bei dieser Forschung greife ich auf Mediengeschichte, Cybernetics, Sozialtheorie, politische Philosophie, kontinentale Philosophie, politische Oekonomie, internationale Beziehungen und Kulturwissenschaften zurueck. Ein grosser Teil der Arbeit, die ich in diesem Bereich gemacht habe, wird mit >Fibreculture<, einem Netzwerk fuer kritische Internetforschung und Kultur in Australasia, in Verbindung gebracht.

1901 wurden die kolonialen Gebiete in Australien zu einer Nation vereinigt. In vielerlei Hinsicht war die Voraussetzung fuer die nationale Unabhaengigkeit durch das interkoloniale Telegrafennetzwerk und den Wunsch zu kommunizieren hervorgerufen worden. Das grosse Paradox von 1901 und dem Staatenbund als einem Augenblick der Postkolonialitaet ist, dass er nicht den verkuendeten Start einer Republik als Regierungssystem bedeutete, sondern an der Spitze von Australien immer noch die britische Monarchie, die Koenigin von England steht. Aber vielleicht ist das die einzig angemessene Form, solange die australische Regierung und ihr Volk nicht dazu faehig sind, die Bedingung ihrer Existenz in Einklang mit der sozio-kulturellen Zerstoerung und Enteignung der einheimischen Voelker zu bringen. Solange bleibt die Republik ein Symbol, dessen Antagonismus es zu unterstreichen gilt.

Heutzutage, wo viele Kommentatoren der globalen Oekonomie und Kultur vom sogenannten Ende der Nationalstaaten sprechen, ist es wichtig, sich an die Beziehung zwischen Territorium und Technologien vor dem Internet, an eine virtuelle Kommunikation wie die des Telegrafensystems, zu erinnern. Waehrend Neokonservative und Dotcom-Enthusiasten von einer >grenzenlosen Welt< und einer >New Economy< schwaermen, eingeleitet durch die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, sind die maechtigen Nationalstaaten wie eh und je damit beschaeftigt, ihre Grenzen zu kontrollieren. Abgesehen davon, ob sie fuer oder gegen die Interventionen des US-Militaers in Afghanistan oder im Irak waren, operiert der sogenannte >war on terror< als Legitimation fuer den Diskurs der G8 Staaten, die ihre oekonomischen Interessen staerken wollen. Sie arbeiten dabei mit Firmen zusammen, die sie in Laendern mit politischer und ziviler Instabilitaet repraesentieren. In diesem Zusammenhang lassen sich Australiens militaerische Intervention in Ost Timor und vor kurzem auf den Solomon Inseln vermutlich am besten verstehen. Ganz ohne Zweifel beinhalten solche Interventionen, bei denen die australische Regierung ihre eigenen Gesetzescodes, Ordnung und Verwaltung den regionalen Nachbarn aufdraengen, neo-koloniale Kennzeichen. Waehrend solch ein Regierungs-Habitus zu einem Teil >geerbt< ist, oder angestaut durch die Erfahrung des britischen Kolonialismus, wuerde ich davon ausgehen, dass mit diesem neo-kolonialen Impuls, die zunehmend destruktive Logik des Kapitalismus verknuepft ist. Die politischen und sozialen Konflikte auf den Solomon Inseln in den letzten Jahren, koennen als ein Effekt der asiatischen Wirtschaftskrise zwischen 1997-98 verstanden werden. Die Abnahme von auslaendischen Investitionen in der Region, die Auferlegung von IMF- und Weltbankprogrammen als institutionelle Reformen im oeffentlichen Sektor, und der Kampf zwischen rivalisierenden Milizen als Resultat sozialer Spannungen erzeugt durch Arbeitslosigkeit, sind die Folgen. Anders formuliert gibt es nicht eine zu determinierende Kraft, die Australiens Streben nach Hegemonie ueber die Region bestimmt. Eher handelt es sich um eine Vielzahl an Kraeften, die den Zustand der Krise auf den Solomon Inseln hervorrufen. Das Paradox der australischen Expansion liegt darin, dass sie auf einem Angstdiskurs, und nicht auf dem Feiern des eigenen Landes beruht. Neben allen Lektionen, die Australien als soziale, politische und oekonomische Reformen gelernt hat, tritt nun eine Gesellschaft zum Vorschein, die verstaerkt auf Angst basiert. Damit unterscheidet sich dieser Diskurs stark vom Zeitalter des Imperialismus. Trotz des eher trueben Bildes, das ich hier entworfen habe, bleibe ich optimistisch in Bezug auf soziale Erneuerung und kulturelle Interventionen. Seit der Kolonialisierung war Australien immer ein Einwandererland. In den letzen 20 bis 40 Jahren gab es eine besonders reiche Periode verschiedenster kultureller Formationen, die durch einen Zustrom von Immigranten und Fluechtlingen aus Asien, dem Mittleren Osten, Afrika, Suedamerika und europaeischen Laendern bestimmt wurde. In diesem Sinne kann man von einer postkolonialen Bedingung sprechen, da die Buerger dieses Landes ein kulturelles Erbe mit sich bringen, das sich nicht auf das Erbe des britischen Kolonialismus zurueckfuehren laesst. Vielleicht noch wichtiger erscheint es, das die Ureinwohner Australiens mehr und mehr ihr Recht zur kulturellen, oekonomischen und politischen Selbstbestimmtheit durchsetzen. So etwas laesst sich als symptomatisch fuer eine postkoloniale Situation begreifen, in der die Gemeinschaft der Aboriginies, so wie ich sie wahrgenommen habe, zunehmend die Kontrolle ueber ihre Zukunft behauptet. Der Bereich innerhalb dessen sich eine unoffizielle postkoloniale Kultur in ihren Annahmen, Zielen und Strategien feststellen laesst, ist aber in vielerlei Hinsicht schwer zu lokalisieren, denn um das zu koennen, muss man selber Teil dieser Kulturen sein. Scannt man die kulturelle Landschaft, wird klar, dass den radikalisierten politischen Kulturaktivitaeten in den 1990er Jahren ein bisschen der Atem genommen wurde. Das war in vielerlei Hinsicht eine Zeit der Selbstzufriedenheit. Die Generation der 1960er hatte die Kontrolle ueber kulturelle und soziale Institutionen vererbt und begann rationalistische oekonomische Reformen zu implementieren: Institutionen, die einst als Produktionsort fuer kulturelle Interventionen und Experimente galten, vor allem die Universitaeten, zusammen mit der Film und Fernsehproduktion von oeffentlich Sendern, bekamen auf einmal nur noch wenig Unterstuetzung und verkamen zu depressiven Orten. Dies ist sicherlich nicht nur in Australien so, sondern gehoert zu einem weitverbreiteten globalen Phaenomen. Aber waehrend es diese Vernachlaessigung der kulturellen Aktivitaeten innerhalb der eher traditionellen Bereiche gab, bluehten vor allem im Bereich der neuen Medienkultur politische Interventionen im Stil von Indymedia auf. Eine Gruppe aus politischen Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen bildeten einen stummen Zusammenschluss gegen die Grenzschutzgesetze zwischen 2001-2002, die Haftanstalten fuer Fluechtlinge produzierten. Diese Fluechtlingslager wurden oftmals in isolierten Regionen, wie Woomera in Suedaustralien errichtet, und wurden vor kurzem auf benachbarte Pazifikinseln verlagert, wie Nairu, wo es keine Alternative als sich dem zu beugen gibt. Die >no-border< Bewegung versucht, gegen eine solche australische Politik anzugehen. Die Herausforderung fuer eine politisch aktive postkoloniale Kultur liegt im strategischen Gebrauch von neuen Kommunikationsmedien, als Mittel zur Schaffung von institutionalisierbaren Moeglichkeitsraeumen. Solche sozial-technologischen Formationen werden die Merkmale von organisierten Netzwerken annehmen, um unabhaengige Medienoekologien zu erzeugen, die sich nicht auf der Karte von Australiens etablierten politischen und kulturellen Institutionen finden lassen. Meiner Meinung nach waere das ein gutes Zeichen fuer die Weiterentwicklung von postkolonialen Kulturen.

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