Phantasma Babelfisch

Die Problematisierung babylonischer Sprachverwirrung schien nie groesser. Mit dem unausweichlichen Aufeinanderprallen von Sprachen im Netz wird das Phantasma der unendlichen Bibliothek permanent konterkariert. Ach, wuerde man doch Englisch, Franzoesisch, Japanisch fliessend beherrschen, Chinesisch vielleicht.

Wie viel Text staende einem doch zur Verfuegung. Petabyte an diskreten Buchstabenfolgen, die darauf warten, gesucht, gefunden und gelesen zu werden. Es gibt ihn ja immer, den einen Treffer, den einen Text, der eben nicht in der Muttersprache geschrieben wurde und mit Sicherheit der eine, der gesuchte Text ist.

Zumindest in der Science Fiction wurde das Problem der Sprache endgueltig geloest: Nicht durch eine Universalsprache, sondern durch die Behauptung einer transzendenten Logik als Voraussetzung generalisierter Uebersetzung. Seien es die uebernatuerlichen Faehigkeiten des Babelfisches [Per Anhalter durch die Galaxis] oder die analytischen Methoden des Universaltranslators [Star Trek]: Das Eindringen in das Gehirn durch maschinelle Analyse und Telepathie gilt hier als Bedin- gung der Moeglichkeit von sprachlicher Entwirrung und entzieht die Uebersetzung damit jeglicher weiteren Verhandlung.

Heute findet diese Verhandlung statt. Es ist ein Weg der permanenten Enttaeuschung ueber elektronische Volltext- Uebersetzer, >translate this<-Links und automatisierte Chat-Translatoren, die fuer kaum mehr als die Einkaufsliste genuegen. Sie behaupten die rein sachliche Ebene eines Textes, die dieser nur erfuellen koennte, wenn er sich als Aneinanderreihung von Objektreferenzen verstehen wuerde und damit Sprache zum eingleisigen Transportmittel degradiert. Doch Sprache ist eben mehr, Schrift mehr als das Geschriebene und >Text< nicht zufaellig etymologische Referenz auf >Gewebe< als Geflecht. Die prae-babylonische Loesung einer Universalsprache ist umgesetzt, jedoch auf einer nicht-sichtbaren und nicht-menschlichen Ebene. Es sind die Protokolle zur intermaschinellen Kommunikation über Rechnerarchitekturen, Betriebssysteme und Programmiersprachen hinweg: Sende diese E-Mail, gib mir die Startseite, nimm diese Datei. Diese Protokolle mit eingeschraenktem Vokabular [SEND, GET, usw.] funktionieren insoweit, als dass sie vor der Benutzerschnittstelle verborgen bleiben. Doch sind sie kein Fluchtpunkt fuer eine babylonische Entwirrung, nur Zeitzeugen des: >Was waere wenn< alles so einfach waere. Welt-Kunstsprachen, universelle Schriftsysteme. Von Esperanto bis zur Leibnizschen Pasigraphie mangelt es nicht an Loesungsvorschlaegen zur sprachlichen Hegemonie. Doch warum funktionieren sie nicht? Vielleicht, weil es eine insgeheime Anziehungskraft des Fremden, Exotischen, gibt, die mit dem esoterischen Verschluss durch sprachliche Verschiedenheit Reize und Brueche schafft, deren kreatives Moment man kaum abschaetzen kann. Vielleicht ist es erst die Unmoeglichkeit der einen, richtigen Uebersetzung, die die Vielschichtigkeit von Text und dessen vielversprechendes Zwischen-den-Zeilen ausmacht.

2 Kommentare zu “Phantasma Babelfisch

  1. uuups … Alles ´ne Frage der Übersetzung und des eigenen Verstehens. Muss doch JedeR machen. Du bewegst Dich auch anders als JedeR andere. Das muss mensch doch auch erst mal “kopieren” können. Nicht eben einfach sondern eine Leistung durch Distanz + Nähe. Weiterhin viel Spaß

  2. Esperanto funktioniert sehr wohl. Die Sprache verbreitet sich auch weltweit, mittlerweile gibt es auch in den meisten afrikanischen Ländern Esperanto-Sprecher, ebenso in Asien und Südamerika. Es gibt eine Esperanto-Wikipedia mit über 250.000 Artikeln, etwas mehr als etwa die dänische oder slowakische Ausgabe. China veröffentlicht täglich Nachrichten in Esperanto, http://esperanto.china.org.cn/ . Bei youtube kann man sich Lieder in Esperanto anhören, https://www.youtube.com/results?search_query=Esperanto+muziko , bei Facebook, Telegram, Twitter u.a. gibt es Esperanto-Gruppen und -Kanäle.

    Esperanto verbreitet sich in vielen Ländern und Bereichen. Leider ist es ein Problem, dass viele Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler nur sehr wenig über die Esperanto-Sprachpraxis wissen und dann oft behaupten, das alles gäbe es nicht. Da sie Professoren sind, wird ihnen sogar von renommierten Zeitungen geglaubt, auch wenn sich jeder mit ein paar Klicks davon überzeugen kann, dass es z.B. mittlerweile etwa zweitausend Esperanto-MuttersprachlerInnen gibt. Davon allerdings scheint die/der Durchschnitts-Linguist/in keinerlei Kenntnis zu haben.
    Veröffentlichungen zu Esperanto als Muttersprache sind hier zusammengestellt: https://eo.wikipedia.org/wiki/Denaskaj_Esperanto-parolantoj#Literaturo_pri_denaskuloj_(inkl._de_scienca)

    Ein Artikel über die Unwahrheiten zu Esperanto, die von SprachprofessorInnen verbreitet wurden, ist hier: http://www.interlinguistik-gil.de/wb/media/beihefte/JGI2018/JGI2018-Wunsch.pdf

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