Soziale Medien wie Facebook sind zur Informationsquelle Nummer 1 geworden. Dabei spielen aber weniger seriöse Nachrichten eine Rolle: Unscharfe Videos und Artikel, die im Titel „10 Dinge, die…“ oder “20 Gründe, warum…” tragen, sind zum Fastfood der Informationswelt mutiert. In den Kommentarspalten findet man dazu noch einen ganz eigenen Slang aus Subjekt-Prädikat-Superlativ. Berliner Gazette-Autor Patrick Krienke kommentiert das Phänomen.
*
Soziale Medien – das sind die komischen Dinger, die alle benutzen und niemand versteht – Neuland im gewissen Sinne. Dennoch geben nach einer Erhebung der Bayerischen Landesmedienanstalt mittlerweile 85% der Jugendlichen unter 25 an, Facebook als vornehmliche Quelle der Information zu nutzen. Erst weit dahinter kommt das Webseiten-Internet, das oft gescholtene Privatfernsehen. Seriöse Tageszeitungen sind wenn überhaupt noch Randerscheinungen, wie gute Restaurants – in der Masse gesprochen -neben Fast-Food-Ketten und Dönerläden eine Randerscheinung sind.
„Im Warteraum einer Klinik machte dieses ältere Paar etwas fantastisches. Das ist so cool.“, oder „Dreißig Dinge, die Du akzeptieren solltest, wenn du zwischen 20 und 30 bist“ sind zwei der Überschriften, die in sozialen Medien beliebter sind als vergleichbare Nachrichten-Posts, die ebenfalls auf diesen Plattformen kursieren.
Sensation, Spannung und Trigger
Seiten wie heftig.co verstehen es mit der kruden Mischung aus Sensation, Spannung und Trigger für kurze Momente die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sind damit vermutlich in der Werbung das nächste große Ding. Die Seite heftig.co von zwei Betriebswirten aus Potsdam ist zur Zeit der Durchstarter in den sozialen Netzwerken.
Einzelne Videos werden auch gern über 170.000 Mal geteilt. Am Rande fallen vor allem zwei Dinge auf: Die enorme Zeit, die der Konsument mit unscharfen Videos und deren Nichtigkeiten verbringt und vor allem die furchtbar einfallslose Sprache, mit denen die kleinen Clips angepriesen werden.
Um es im Slang der „Aufsehen-Erreger“ zu formulieren: „Als ich erfuhr, wie die Texte entstehen, war ich geflashed. Voll Krass.“ Solche Sätze kommen nicht aus der ungelenken Google-Auto-Übersetzung US-amerikanischer Alltagssprache. Vielmehr sitzen in Potsdam gleich mehrere Texter, um dieses Bullshit-Bingo aus schlechtem Deutsch, Subjekt-Prädikat-Superlativ und jugendlicher Ausrufungssprache zusammen zu zimmern.
Dabei sind auch die Bezugzusammenhänge vollständig dem kleinstädtischen Kanon der USA entlehnt. Es geht räumlich um High School, Stadt, Klinik oder das unbekannte Irgendwo. Bezüge zu konkreten Zeiten, Orten, Personen und alle anderen Rahmenbedingungen, die den Journalismus in den unterhaltenden Formen ausmachen, spielen keine Rolle. Organisationen, Beteiligung oder Gesellschaft ebenfalls nicht.
Sicherlich haben Seiten wie heftig.co oder auch die inzwischen zur Online-Brigitte mutierte Huffington Post diese Formate nicht erfunden. Es ist nur erschreckend, wie gut sie funktionieren. Es ist das Fast Food in der Informationswelt, die klebrigen Süßigkeiten. Karies bemerkt der Patient schließlich auch erst, wenn das Gebiss mal wieder richtig gebraucht wird.
Anm.d.Red.: Das Foto stammt von Oleg Vadeev und steht unter einer Creative Commons Lizenz.
2 Kommentare zu ““30 Dinge, warum…”: Fast Food der Informationswelt”