Digitale Oberflächen prägen heute unsere Wahrnehmung. In der augmented reality gehen digital und analog sogar fließend ineinander über. Diese Art von Übergang zeichnet die Arbeiten des Medienkünstlers Matthias A. K. Zimmermann aus: Er lässt in seinen vielschichtigen Panoramen klassisch in Acryl gemalte Bilder mit am Computer generierten Szenerien verschmelzen und eröffnet so neue Möglichkeiten, Zugang zu unserer digitalen Realität zu finden. Der Medientheoretiker Stephan Günzel erkundet das Werk.
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Die Arbeiten von Matthias A.K. Zimmermann – insbesondere die Bilder der großformatigen Serie Levelmixer – reflektieren auf eine besondere Weise das Medium des Computerspiels: In der Collage der einzelnen (mal mehr oder minder offensichtlichen) Spielreferenzen wird deren Arrangement dem Regime der Fläche unterworfen: Sofern es sich nicht um skulpturale Kunst handelt, ist die Fläche die größte Herausforderung der bildenden Kunst, die von Künstlern jedweder Tradition und Kultur zugleich bearbeitet wird wie diese sie dabei auch stets zu überschreiten versuchen.
Japanische Landschaftsmalerei und Gotik
Doch nicht erst mit der Aufwertung der Zentralperspektive in der europäischen Renaissance zu der bis heute (global) führenden Bilddarstellungsform des Raums finden sich solche Transzendierungen. Zu den beiden maßgeblichen gehören die Inspirationsquellen von Zimmermann: die japanische Landschaftsmalerei und die Gotik. Die zweite gehört zu den unmittelbaren Vorläufern und Wegbereitern der Zentralperspektive, die erste zu deren Alternativen – neben der umgekehrten Perspektive der orthodoxen Ikonenmalerei oder der planimetrischen Wiedergabe von Raum auf Karten.
In Absetzung von der Romanik erschließt sich die Gotik im Spätmittelalter den Raum vor allem architektonisch: Durch freitragende Deckengewölbe wird der geöffnete Raum zunehmend als solcher erfahrbar. In der Romanik hingegen wurden die (hierzu vergleichsweise) niedrigen Decken von Säulen getragen, die selbst mit im Raum standen. Am Beginn der europäischen Neuzeit vollzieht sich damit ein Wandel, den es bereits schon einmal in der Geschichte gab – nämlich im Übergang von der ägyptischen zur griechischen und schließlich römischen Architektur: Auch hier rückten die Säulen aus dem Tempelinnenraum heraus und verschmolzen mit der Wand, sodass (wie es noch heute im Pantheon in Rom nachvollziehbar ist) im Innen eines Gebäudes die Spezifik der »äußeren« Raumerfahrung gegeben ist.
Die Kunstgeschichte hält verschiedene Vorschläge zur Kategorisierung dieses Übergangs bereit: Er wird in Österreich durch den Archäologen Alois Riegl als Wechsel von der Haptik zur Optik, in der Schweiz durch den Philosophen Heinrich Wölfflin von der Fläche zur Tiefe oder in Deutschland durch den Kunstwissenschaftler Erwin Panofsky vom Aggregat zum System bezeichnet. Letztere Kennzeichnung ist mithin die bekannteste – wird sie doch vorgebracht im Zuge einer vehementen Kritik der Zentralperspektive Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Weg bereitet werden soll dadurch unter anderem der modernen Kunst, die alles daran setzte, den Bildraum wieder auf die ihn konstituierende Fläche zurückzubringen. Zu denken ist hier in erster Linie an Kasimir Malewitsch und den nachfolgenden Kubismus; aber freilich auch all die Wahrnehmungsexperimente des Impressionismus, der sich ebenfalls von der starren Konstruktion der Perspektive zugunsten einer physiologischen Annäherung an den Raum als wahrgenommenen freizumachen suchte.
Kubismus: Theorie und Philosophie des Bildes
Der Kubismus – so stellte in Nachfolge Panofskys der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan heraus – macht damit die verborgene Botschaft der Perspektivkonstruktion oder des Bildmediums offenbar: Es verleugnet seine materielle Flächigkeit zugunsten der Illusion eines mit den Augen des Betrachters gesehenen Raums. Kubismus ist damit mehr als nur Kunst: Es ist gleichsam Theorie und Philosophie des Bildes und seiner Geschichte. Folgt man wiederum Panofsky, ist diese unerhört folgenreich, da die Zentralperspektive für kaum eine Bestimmung der Neuzeit nicht maßgeblich war: Hier zugehört in erster Linie die Aufwertung des subjektiven Standpunktes, infolge dessen sich der Glaube an die Existenz des Individuums etabliert, was wiederum der Motor der Säkularisierung ist.
Hierzu gehört aber auch die Annahme, dass der solcherart subjektiv erfahrene Raum dennoch ein objektiver, bereits vor der Erfahrung gegebener ist. Denn genau das vollzieht die Perspektivkonstruktion: Auf der leeren Fläche des Bildes erzeugen Tiefenlinien den durch die gotische Architektur gebauten, leeren Raum, in den dann erst Objekte positioniert werden. Diesen Raum wird die Physik mit Isaak Newton später den absoluten Raum nennen, dessen Vordenklichkeit noch heute eine ungeheure Herausforderung darstellt.
All das überdenkt eine Physik und mit deren Raum- gleichsam ein Weltverständnis, das Panofsky dasjenige des »Aggregats« – also der Versammlung – nennt: Im Aggregatraum werden die Teile nebeneinander platziert, ohne dass diese sich in eine übergeordnete Kohärenz einfügen. – Der Ort dominiert den Raum und nicht der Raum den Ort. Landschaftsdarstellungen der Antike, wie sie in Wandgemälden erhalten sind, zeugen von dieser »Versammlung«: Berge, Bäume, Menschen und Tiere stehen nebeneinander in der Fläche, aus der sie sich solcherart in einem körperlichen Eindruck erheben, aber der Raum zwischen ihnen wirkt seltsam entrückt. Mit keinem Maß könnten die Abstände zwischen den Dingen bestimmt werden, der Raum fällt gleichsam aus der Ordnung der Bildelemente heraus.
Vergleichbares konstituiert nun auch die japanische und allgemein die ostasiatische Landschaftsmalerei: Vor dem Hintergrund einer ortsbezogenen Auffassung von Raum ist dieser hier als ein »Zwischen« oder als Intervall (das heißt mehr oder minder regelmäßige Abständigkeit) präsent, in dem die Gegenstände, Häuser, Berge, Seen etc. präsentiert werden. Der erscheinende Bildraum ist ebenso gefüllt, wie die Bildfläche durch leere Felder charakterisiert ist, die zwar nicht zum Raum der Erscheinung gehören, ihn aber ebenso konstituieren wie die Fluchtlinien den absoluten Raum der Zentralperspektive.
Der maßgebliche Unterschied zwischen asiatischer und europäischer Darstellungsweise ist aber derjenige, dass diese als Systemraum ihr Gemachtsein verleugnet, während es dem asiatischen und antiken Landschaftsgemälde in quasi kubistischer Manier gelingt, seine Bildhaftigkeit mit anzuzeigen. Gewollt oder ungewollt sind Bilder dieser Art also von reflexiver Art: Es sind nicht nur Medien, die »«etwas darstellen, sondern an ihnen wird zugleich deutlich, »dass« und »wie« gezeigt wird.
Zurück zum Aggregatraum
In jüngerer Zeit wird diese Art der Reflexion daher auch dekonstruktiv genannt, da der Bildaufbau gegen seine eigene Konstruktion vorgeht, die gleichsam in ihre Bestandteile zerlegt wird: Der Weg führt hier also vom System- zurück zum Aggregatraum. (Etwas, das Computerspiele aufgrund ihrer digitalen Natur letztlich immer sind.) – Doch wäre es verkürzt, die vorliegenden Panels von Zimmermann als bloße Dekonstruktionen des klassischen Raumbildes der europäischen Tradition aufzufassen.
Vielmehr sind sie durch den Rückbezug auf die Gotik selbst in ihr verankert. Auch sind es trotz allem keine bloßen Collagen oder willkürliche Zitate, ihnen liegt eine strenge Komposition zugrunde, die zumeist durch die Abfolge unterschiedlicher Ereignisorte des Computerspiels konstituiert wird. Wenn man nach einer allgemeinen Kennzeichnung der Breitbilder suchen müsste, so wäre die treffendste Charakterisierung sicher die des »Feldes«, in dem unterschiedliche visuelle Konzepte versammelt sind: Es sind Aggregate von Systemen.
Der Feldbegriff ist der umfassendste Raumbegriff: Er findet sich sowohl in der griechischen Antike wie auch in der modernen Physik oder der asiatischen Philosophie. Platon etwa nennt den Raum chora – ein Wort, das im Griechischen das freie Feld vor der Stadt (der polis) bezeichnete. Eine treffende Charakterisierung des räumlichen Feldes wäre der »Ort der Örter«: Das Freie räumt den Dingen die Möglichkeit ein, an ihrem Platz zu sein. Doch wie schon im Aggregatraum der antiken Landschaftsmalerei ist das Zwischen der Raumstellen zwar nicht im Hinblick auf eine übergeordnete Kohärenz auslotbar, wohl aber stehen die Dinge miteinander in Beziehung.
Flächigkeit durch Distanzaufnahmen simulieren
In der modernen Physik wird der Feldbegriff mit dem Elektromagnetismus gerade auf solche Spannungsverhältnisse angewandt, die »vor Ort« raumstrukturierend wirken – nach dem Modell des Magneten gibt es so unterschiedliche Bereiche von Schwere oder Anziehung, sodass der ehedem neutrale, nicht gerichtete Raum mit Vektoren versehen wird. Albert Einstein erkannte hiervon ausgehend, dass es keinen feldleeren Raum geben kann: Das, was vormals als eine vom Raum unabhängige Zeit beschreiben wurde, ist nun in den Raum zurückverlagert als Bewegung durch ein Schwerefeld unterschiedlicher Qualitäten.
Es scheint daher kein Zufall, dass Der Levelmixer 3 auf der rechten Seite die schematische Darstellung eines traditionellen Fernsehbildschirms oder auch von ‑monitoren zeigt, die auf dem Prinzip des Kathodenstrahls oder Englisch Cathode Ray Tube beruhen und deren Abkürzung CRT rechts unten zu sehen ist: Bei dieser Technologie wird ein Magnetfeld eingesetzt, durch welches der Elektronenstrahl auf die gewünschte Stelle des Bildschirms gelenkt wird und dort die Leuchtpunkte der Maske in den drei Farben Rot, Grün und Blau treffen. (Das Testbild im unteren Zentrum von Der Levelmixer 4 zeigt entsprechend ein Resultat des Vorgangs in der Frontalansicht.)
Als einen weiteren Hinweis auf die Fernsehtechnik sind Arbeiten wie Der Levelmixer 1 anstelle in den RGB-Farben in der das Bild teilweise gänzlich dominierenden Farbe Grün gehalten, die für monochrome Computerbildschirme typische »Phosphorfarbe«. Die Kennzeichnung P15 in der rechten oberen Ecke des Panels verweist entsprechend auf das chemische Element Phosphor – mit seinem Energieniveauschema zur Linken –, das allerdings nicht als solches in den Bildschirmen verwendet ist, sondern nur Pate für die Namensgebung der Leuchtstoffe stand.
Zimmermanns Bilder rühren durch die Entscheidung für diese besondere Räumlichkeit, welche Fläche und Tiefe und selbst unterschiedliche Projektionstypen nebeneinander versammelt, an einem Wesenszug der Computerspiele: Auch diese sind von einer ausgesprochenen Heterogenität der zugrundeliegenden Räumlichkeiten. Anders als etwa Fotografie und Film, die sich zumeist der zentralperspektivischen Darstellung bedienen (oder aufgrund der fotografischen Apparatur mit Objektiv bedienen »müssen«) und allenfalls Flächigkeit durch Distanzaufnahmen simulieren oder in Form von Kontaktabzügen (Fotogramme) nur unter Weglassung des fotografischen Apparats erzielen, besteht für Gestalter in Computerspielen die Möglichkeit zur Wahl einer Perspektive oder auch des Verzichts darauf. Diese Möglichkeit ist freilich historisch gewachsen und war nicht von Anfang an gegeben; wohl aber besteht heute, wie seit dem Medium der Malerei nicht mehr, die freie Wahl für die eine oder andere Raumdarstellung.
Eintauchen in die Spielewelt
Die »Levelmixer« Zimmermanns sind nicht in erster Linie Mischungen von Levels, sondern sie mischen Spielelemente und ihre zugehörigen (innersystemischen) Räumlichkeiten zu »einem« Level zusammen – dem Aggregatraum des Bildes als Fläche: Entsprechend findet sich eine strenge Linearperspektive neben der akkurat geometrischen Kavaliersprojektion des Militärs ebenso wie ein hexagonales Raster in planimetrischer Darstellung neben der abgeschrägten Vogelperspektive einer historischer Stadtansicht. Besonders das Sexeckraster findet sich und dominiert bisweilen jedes Bild der Serie. Es stellt die mithin wichtigste Transformation von Spielräumen in der Geschichte der Brettspiele dar und ist noch heute die Grundlage nahezu aller Strategiespiele, die sich langfristig aus dem quadratischen Raster des Schachspiels mit jeweils vier Ecken entwickelt haben.
Von entscheidendem Nachteil ist, dass diagonale Züge (im Schach regulär über Distanz ausgeführt mit Läufer oder Dame) einen weiteren Aktionsradius aufweisen als Figuren mit orthogonalen Zugmöglichkeiten, sofern das Prinzip des Schachs als Simulation genutzt werden soll. Mit anderen Worten: Der Level des Schachspiels taugt nur für das abstrakte Spielen in einem reinen topologischen Raum. Wird versucht, mittels eines Brettspiels das Geschehen einer Schlacht zu simulieren, kommen diagonale Züge einem Zeitraffer oder Raumsprung gleich.
Ersten Kampfsimulationen wie dem sogenannten Kriegsspiel Georg Leopold von Reiswitz‘ aus dem Jahr 1824 liegen noch das Vierecksraster zugrunde. Obwohl im Spiel von Reiswitz bereits die realistische Topografie des Kriegsschauplatzes – einschließlich der den Krieg beeinflussenden Umweltbedingungen – nachgebaut werden kann, sind die Zugmöglichkeiten weit von einer Simulation des taktischen Geschehens entfernt. Lange Zeit behalten auch alle Varianten verwandter Formen des Kriegsschachs das alte Raster bei. Erst mit dem Strategiespiel Gettysburg, dessen zweite Auflage von 1961 erstmals ein hexagonales Raster zugrunde legt, wird dem Anspruch der realistischen Simulation des kombatistischen Handlungsraums hinsichtlich der Bewegungsmöglichkeiten Rechnung getragen.
Zumeist ist dieses Raster nur in Brettspielen sichtbar. In Computerspielen dagegen wird es kaschiert durch eine darüber gelegte – wiederum rechtwinklige – architektonische Anordnung, die zumeist in der bereits erwähnte Kavaliersprojektion zu sehen sind, aus der über die Winkel und Abstände die reale Konfiguration der simulierten Topographie ableitbar ist. (Zu sehen etwa am unteren Bildrand von Der Levelmixer 1 als Bildraumzitat aus Sim City 4, das als Aufbausimulation – anders als Kriegssimulationen – allerdings kein hexagonales Raster zugrunde legt, sondern die sichtbaren »Kacheln«.)
Die Nutzer von Strategiespielen meinen daher, sie würden topografisch in dem sichtbaren Schachbrettraum agieren. Vielmehr bewegen sie sich topologisch in dem von Zimmermann nun im Rahmen seiner Aggregationen hervorgehobenem Sechseckraster. Wie für McLuhan der Kubismus eine Entbergung der verstellten Wahrheit der Zentralperspektive (räumliche Konstruktion in der Bildfläche) bedeutet, so kann auch das Zeigen der Hexagonstruktur als Aufweis der medialen Botschaft einer wichtigen Gruppe von Computerspielen verstanden werden.
Auch der eigentlich innovativen Perspektive der Computerspiele gibt Zimmermann in seinen Bilder einen Platz: der linearen oder zentralperspektivischen – und damit eben jener, anhand derer Panofsky wie auch McLuhan ihre Bild- bzw. Medientheorien entwickelten. Zum ersten Mal prominent realisiert wurde die Renaissanceform des Raumbildes in dem Spiel Battlezone, das erstmals 1980 von Atari als aufrecht stehende Arcade-Maschine umgesetzt wurde. (Ein Ausschnitt des Bildschirms ist links unten in Der Levelmixer 1 links über dem Fadenkreuz zu sehen.) Epochal war das Spiel bereits aufgrund des imitierten Periskops am Automaten, durch das die Spieler zum Benutzen des Bildes hindurchsehen mussten und das weitgehend bewirkte, was heute als Immersion – als »Eintauchen« in die Spielewelt beschrieben wird.
Voraussetzung hierfür war eben die weitergehende Imitation der menschlichen Sichtweise, die durch die Zentralperspektive wiedergegeben werden soll. Emblematisch für das Spiel ist weitergehend die phosphorgrüne Darstellung, die allerdings durch eine am Bildschirm aufgebrachte Farbfolie erzeugt wurde, um das Aussehen eines Monitors im militärischen Kontext zu adaptieren. Die revolutionäre Perspektive wiederum wurde durch weiße Linien dargestellt, die nicht wie zumeist durch die Pixelgrafik eines Röhrenbildschirms dargestellt wurde, sondern als reine Vektorgrafik.
Der Kathodenstrahl wird hier nicht verwendet, um eine bestimmte Stelle in einer Bildzeile anzusteuern, sondern wird ohne Maske direkt auf den Bildschirm projiziert. (Verwendung fand die Vektorgrafik etwa auch in dem Adventurespiel Mystery House von 1980, das in Der Levelmixer 8, rechts unten zitiert wird.) Hierdurch können nur einfarbige Linien erzeugt werden, die allerdings als Grundlage einer perspektivischen »3D«-Darstellung die Formen der entsprechend verzerrten Objekte ohne die für Pixeldarstellungen typischen Stufungen abbilden.
Die Egoperspektive
Battlezone stiftet auf diese Weise das Paradigma für alle späteren sogenannten Egoshooter, die etwa mit Half-Life von 1998 oder der ein Jahre später daraus hervorgehenden Modifikation Counter-Strike dem Genre zur – im Zusammenhang mit amoklaufenden Schülern bisweilen traurigen – Berühmtheit verhalf. Kennzeichen all dieser Spiele ist nicht nur die Verwendung der Zentralprojektion mit ihrem Identitätsbezug zur Handlungsperspektive, sondern auch die Darstellung einer topografischen Ausschnittansicht des Levels in Form einer sogenannten Minimap, die Zimmermann bezeichnenderweise in manchen Fällen tilgt (was nur umso mehr dem Charakter seiner Bilder entspricht, die ja selbst schon »Karten« von Computerspiellandschaften sind).
Vorgeprägt wurde das Konzept der Egoshooter bereits 1973 – zu einem Zeitpunkt also, an dem Computerspiele überhaupt erst in der Populärkultur in Erscheinung traten – durch die Entwicklung des Spiels Maze War, das wie eine dreidimensionale Variante des erst sieben Jahre später veröffentlichten Pac-Man erscheint. Maze War läuft dem Genre aber nicht nur durch die Egoperspektive voraus, sondern auch durch die bereits vorhandene Kombination der Zentralprojektion mit einer Darstellung des Spiellabyrinths in einer Übersichtskarte. Diese für digitale Spiele historische Karte findet sich bei Zimmermann in Der Levelmixer 3 im Zentrum des ersten, linken Bildteils.
Das darunter befindliche Auge ist vom Avatar aus Maze War, der nicht nur hier, sondern auch in dem ursprünglichen Spiel im (seinerseits genrekonstitutiven) Labyrinth erscheint – immer dann, wenn in dem bereits ab 1974 mehrspielerfähigen Game gegeneinander über ein LAN-Netzwerk agiert wurde. Auf Zimmermanns Tafel schwebt das sehende Auge jedoch über einer Globalansicht der »geheimnisvollen Insel« aus dem aktuellen Strategiespiel Anno Online von 2013 und wacht gleichsam über die Versammlung der Level der Computerspielgeschichte.
Anm. d. Red.: Das Bild oben stammt aus Zimmermanns Werkreihe “Levelmixer”. In gedruckter Form liegt dieser Beitrag in dem Buch Digitale Moderne vor, das im Hirmer-Verlag erschienen ist.