Seit den konstruktivistischen Sündenfällen des 20. Jahrhunderts (Unschärferelation, Beobachtungstheorie, Dekonstruktion und so weiter) waren die Dinge selbst viel weniger interessant als Beobachtungen und Aussagen über Dinge. Doch jetzt das: In einer mittlerweile unauffindbaren Radiosendung wurde die Methode der Dingforschung erwähnt.
In dieser Radiosendung ging es um das Fahrrad als ein “Ding der Nation” in den Niederlanden und darum, wie in diesem “Ding” nationale Tugenden gespiegelt werden.
Dingforschung also!
Dinge sind Klumpen von Informationen über Verwendung und Geschichte. Es gibt sie nur mit Gedächtnis und einem Medium. So waren die Dinge im Yps-Heft (Gimmicks) nicht deshalb so toll, weil sie gut funktioniert hätten, sondern wegen ihrer Geschichte als “Überlebensausrüstung” oder “Urzeitkrebse”. Klassischerweise sind es die Dinge der Religion und der Kunst, die Dinge als Informationshaufen entlarven: Reliquien aller Klassen, signierte Urinale oder Bilder von schwarzen Quadraten.
Die passende Medientechnik für eine digitale Vernetzung der Dinge als Informationsklumpen, für ein Internet der Dinge, ist auch fast fertig. Die kommende Version des Internetprotokolls (IPv6) vergrößert den Adressraum des Internets von 232 auf 2128 mögliche Adressen.
Damit hätte jeder lebende Mensch so viele IP-Adressen zur Verfügung wie eine Tonne Kohlenstoff Atome hat – genug Adressen für viele, viele Dinge also. Wenn alle Dinge adressiert und vernetzt sind, bringen Techniken der augmented reality die in der Vernetzung generierten Informationen wieder zu den Dingen. Die Informationsseite der Dinge wird noch mal ganz neu aufgerollt.
Die ersten Dinge überhaupt sollen solche gewesen sein, die andere Dinge ordnen und sammeln konnten, also Körbe, Schalen, Krüge und ähnliches. Das scheint sich zu wiederholen, beliebt bleiben Meta-Dinge. Was den ersten Menschen ihr Faustkeil oder Korb war, ist den Kapitalisten ihr Produktionsmittel. Das nächste große Ding müsste dann eines sein, mit dem man Dingnetze manipulieren und augmented realities erzeugen kann. Das nächste große Ding ist ein Dingbrowser.
Wie genau kann man sich so einen Dingbrowser vorstellen? (technisch und inhaltlich)
Das tät mich auch enorm interessieren!
snom VoIP Telefone sind übrigens schon heute IPv6 ready!
fyi: Am 24.2. findet die Abschlussveranstaltung zu dem Forschungsprojekt “Internet der Dinge” statt. http://www.internet-der-dinge.de/Abschlussveranstaltung.html
In der Populärkultur ist das Ding (The Thing) ein undeinierbares Wesen, a “parasitic extraterrestrial lifeform”:
http://en.wikipedia.org/wiki/The_Thing_%28film%29
Und in der Computerkultur als Bezeichnung für einen Internetprovider aus New York bekannt, der in den frühen 1990er Jahren gegründet wurde und Dependencen u.a. in Berlin und FFM lanciert hat:
http://de.wikipedia.org/wiki/The_Thing
mir gefällt die bild dazu!!!
die neuen mobilen internetgeräte (iphone, android, tablets) könnten dingbrowser sein. mit einem dingbrowser könnte man automatische listen seiner dinge anlegen, seine dinge finden, sehen, ob man tendenziell eher dinge anhäuft oder wegwirft und wie viele dinge man hat. außerdem könnte man mit dingbrowsern informationen über dinge abfragen und bearbeiten, zb per augmented reality. das gibt es ja auch schon: man schaut durch sein dingbrowserding hindurch auf ein ding und bekommt informationen (preis, geschichte, technik) dazu aus dem netz. und da hat man dann auch schon die kritische dimension: wie werden die informationen generiert? wird man die dinginformationen dezentral ergänzen/kommentieren können oder werden die dinge nur amazon-links haben?
Der Buddhismus sagt: Nur wer wunschlos ist, ist glücklich. Wer braucht schon “Dinge”!
Zur Einleitung: “Ein Ding der Nation – Das Fahrrad in Deutschland und den Niederlanden, 1880-1940”, Promotion v. Anne-Katrin Ebert an der Uni Bielefeld. Publiziert als “Radelnde Nationen” beim Campus Verlag: http://www.campus.de/wissenschaft/geschichte/Kultur-+und+Alltagsgeschichte.40436.html/Radelnde+Nationen.94463.html