Menschen in der Öffentlichkeit zu fotografieren – so wie es berühmte und unbekannte Fotografen fast 100 Jahre lang praktizierten – ist mittlerweile praktisch nicht mehr möglich.
Seit es das Internet gibt,haben viele Menschen eine Furcht davor entwickelt, ungefragt darin abgebildet zu werden. Deswegen reagieren im 21. Jahrhundert viele Zeitgenossen ausgesprochen aggressiv auf jeden, der einen Fotoapparat in ihre Richtung hält.
Eine Freundin spekulierte einmal, der Grund für diese Photophobie sei Eitelkeit: Die meisten Menschen hätten schlicht Angst davor, unvorteilhaft im Netz zu sehen zu sein. Daran ist sicher etwas Wahres,
aber es steckt wohl noch mehr dahinter:
Es ist die Angst vor dem Kontrollverlust, die Angst davor, in der Digitalwelt als Abbild unterwegs zu sein, ohne zu wissen wo und wie oft, ohne Einfluss auf den Kontext zu haben, auf die Reaktionen und ohne all das verhindern zu können.
Die Angst, als digitaler Geist ruhelos durch die Netzwerke zu treiben. Eine sehr verwandte Phobie zu der anekdotisch überlieferten Angst amerikanischer Ureinwohner, die in einer Fotoaufnahme den Raub ihrer Seele mutmaßten und Fotografen mithin Seelenräuberei unterstellten.
Meine Fotoserie NOFAC.ES besteht aus Schnappschüssen von Menschen in der Öffentlichkeit, auf denen die Gesichter der Fotografierten nicht zu erkennen sind.
Ich lasse den Menschen also ihre Seele, obwohl ich sie ablichte und ihre digitalen Abbilder ins Netz stelle. Das obige Bild entstand in Hong Kong und zeigt eine Gärtnerin im Hong Kong Park, direkt neben der Treppe zum Hong Kong Visual Arts Center.
Anm.d.Red.: Das Foto stammt von Mario Sixtus. Es steht unter einer Creative Commons Lizenz.