Vor kurzem hieß es: Kinder können nicht lange genug gestillt werden. Jetzt lautet der Vorwurf: Kinder, die zu lange an Mutters Brust kleben, saugen sich den Start ins Leben weg. Abwertend spricht man allenthalben von “Attachment-Parenting”. Und wir sind mal wieder mitten in einer Debatte um die angemessene Versorgung unserer Kinder. Berliner Gazette-Autorin Susanne Miearu sondiert.
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In der aktuellen Ausgabe der ELTERN-Zeitschrift (09/2012) findet sich ein Artikel von Xenia Frenkel mit dem Titel Was stört uns eigentlich an Jamie Lynne?. Die Abbildung der stillenden Jamie Lynn Grumet auf dem Cover des Time Magazine und das Interview mit ihr haben in den USA eine Diskussion über Langzeitstillen und Attachment Parenting losgetreten. Natürlich schwappte diese Welle der Diskussion und Empörung nun auch zu uns über.
In der ELTERN-Zeitschrift schreibt Frenkel daher darüber, wie “Foto und Botschaft dahinter [ELTERN] befremdet” hat. Und auch der bekannte Familientherapeut Jesper Juul hat seine Meinung zum Langzeitstillen in einem Interview im Focus (22/2012) mitgeteilt: “Der Time-Artikel stellt Mütter vor, die das sogenannte Kontinuum-Konzept praktizieren, bei dem Kinder wie Säuglinge gehegt werden. Ich finde das übertrieben, weil Mutter und Kind dadurch eine grenzenlose Symbiose eingehen.” Ich möchte nun nun zu diesem “Attachment-Parenting-Bashing” Stellung beziehen.
Ist Stillen in unserer Gesellschaft sexuell aufgeladen?
Zu Anfang ein Zugeständnis an Xenia Frenkel: Sicherlich lässt sich über die Ästethik des Fotos auf dem Time Magazine diskutieren. Zu sehen ist die 26jährige Jamie Lynne Grumet, die ihren 3jährigen Sohn stillt, der in Tarnhosen auf einem Stuhl steht, um an die Brust zu gelangen. Frenkel bezeichnet diese Inszenierung als “latent aggressive, aufreizende Pose, die einen unangenehmen sexuellen Beigeschmack hat”.
Während Grumet selbst im Interview von dem übersexualisierten Blick auf den weiblichen Körper in unserer Gesellschaft spricht und damit quasi vorab schon auf Frenkels Aussage reagiert, geht die ELTERN-Autorin sofort in den Angriff über und fragt ironisch, ob dies wohl das Problem mit dem Stillen begründen würde. Dabei übersieht Frau Frenkel anscheinend, dass das genau eines der Probleme ist, mit dem sich stillende Frauen in unserer Gesellschaft konfrontiert sehen.
Es gibt Platzverweise im Abgeordnetenhaus für eine stillende Mutter, weil sich ein Abgeordneter im Schamgefühl verletzt fühlte. Schamgefühl – welchen Hinweis darauf, dass Stillen sexuell aufgeladen wird, soll es noch geben? Neben diesem bekannten Beispiel aus der Presse gibt es im Alltag zahlreiche weitere Situationen, die dies belegen: Platzverweise an öffentlichen Orten, in Cafés, selbst in Arztpraxen.
Langes Stillen soll keine positiven Eigenschaften mehr haben?
Doch Frenkels Einwände gegen das Langzeitstillen sind damit noch nicht aufgebraucht: Recht zu geben ist Frau Frenkel darin, dass die Entscheidung für oder gegen das Stillen immer auch “wirtschaftliche und sozio-kulturelle Gründe” hat. Das belegen diverse Studien. Übrigens hat hier auch die öffentliche Meinung zum Stillen einen wesentlichen Einfluss, die ja durch Magazine wie die ELTERN-Zeitschrift beeinflusst wird – dies aber nur am Rande erwähnt, denn Frau Frenkel geht in ihrer Begründung noch weiter.
Vielleicht, so argumentiert sie, würde die Abnahme des Langzeitstillens mit dem guten Angebot an Nahrung in unserer Gesellschaft oder der Möglichkeit zusammenhängen, Bindung auch anders aufbauen zu können. Außer Acht lässt Frau Frenkel dabei anscheinend, dass “gesunde Ernährung” ebenfalls von verschiedenen Faktoren abhängig ist und das erweiterte Angebot nicht unbedingt nur einen positiven Einfluss hat, wie beispielsweise in der KIGGS-Studie festgestellt werden konnte. Zudem sind auch die protektiven Einflüsse auf Krankheitsentstehung bei Kindern und Müttern auch nach dem ersten Stilljahr nicht zu verachten.
An dieser Stelle lohnt sich auch ein Blick auf Jesper Juuls Aussage über “dieses lange Stillen, das ein Kind ja ohnehin nicht mehr sättigen kann”. Abgesehen von Berichten von Müttern, die ihre Kinder mit 12 Monaten noch voll stillen und deren Kinder anscheinend davon gesättigt werden, vergisst Herr Juul auch hier die anderen Vorteile des Stillens zu erwähnen, die auch nach dem ersten Geburtstag noch Gültigkeit haben. Was den Umstand betrifft, dass Bindung auch anders hergestellt werden kann, hat Frau Frenkel natürlich Recht. Damit würde sie sogar Herrn Juul auf angenehme Weise widersprechen, der ja in seinem Interview davon berichtet, dass das lange Stillen es Vätern unmöglich machen würde, eine aktive Rolle zu übernehmen. Was nun?
Kann Bindung auch anders als durch Stillen aufgebaut werden oder nicht? Warum sollten das nur nicht-stillende Mütter schaffen, Väter aber nicht? Sollte nicht jede Frau muss selbst entscheiden können und das Recht haben, sich anders zu entscheiden, ohne dafür zu verurteilt zu werden?
Doch von Toleranz gibt es bei den Attachment-Parenting-Verurteilern wie Frenkel keine Spur. Sie behauptet, Attachment Parenting-Eltern würden allen anderen den Kampf ansagen nach dem Motto: “Wer nicht stillt, bis der Schulbus kommt, ist keine richtige Mutter, sondern ein egoistisches Biest, das seinem Kind vorsätzlich nicht nur lebenswichtige Nährstoffe verweigert, sondern auch die alles entscheidende Mutter-Kind-Bindung.“
Und sie geht noch weiter: “Wenn Stillen und Tragen bessere Menschen aus uns machen, frage ich mich, wie es zu dem Völkermord in Ruanda kommen konnte. Tutsis und Hutus stillen und tragen ihre Kinder im Schnitt gut drei Jahre”. Entschuldigung, Frau Frenkel, aber das ist ja nun völlig unpassend! In diese Argumentationsweise würde noch passen, dass Hitler und Stalin wahrscheinlich auch gestillt wurden und man ja gesehen hat, was aus ihnen wurde…
Studien über Vorteile des Stillens – reiner “Mumpiz”?
“Nur solle man bitte nicht auf den von Dr. Sears und anderen Stillfanatikern behaupteten Zuwachs an Intelligenz, Empathie und Moral hoffen. Das ist Mumpiz, und wenn es dafür wissenschaftliche Studien gibt, beweist das nur, dass man selbst für den gröbsten Unsinn Wissenschaftler findet, die einem zur Theorie die passenden Ergebnisse liefern.” schreibt Xenia Frenkel, die sich anscheinend mit der Analyse statistischer Werte bestens auskennt. Vielleicht sollte sie sich mit diesem Wissen an die Mitarbeiter der SuSe– und anderer Studien wenden. Auch Herr Juul argumentiert übrigens in ähnlicher Weise: “Ich kenne keine Studie, die belegt, dass aus diesen Kindern [Langzeitgestillten] glücklichere Erwachsene werden.”
Aber auch hier gilt: Es gibt auch keine Studien, die das Gegenteil belegen oder zeigen, dass “diese Kinder” die psychischen Schäden haben, die ihnen in der aktuellen Diskussion gerne zugesprochen werden. Fakt ist, dass das lange bzw. überhaupt das längere Stillen relativ neu ist in unserer Generation. Es hat sich nach dem Boom der künstlichen Säuglingsnahrung in den 1980ern erst neu entwickelt – nachdem es Millionen von Jahre anscheinend ganz gut gelaufen ist.
Wie wäre es mit Toleranz?
Xenia Frenkel, vierfache Mutter und dreifache Großmutter, ist bereits häufiger durch eher “altmodische” Einstellungen in Sachen Kindererziehung aufgefallen. Wie sie selbst in dem genannten Artikel schreibt, haben sich ihre Kinder nach 12-13 Monaten selbst abgestillt. Erfahrungen mit dem langen Stillen hat sie also nicht. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum sie so vehement und fanatisch gegen die Langzeitstillerinnen vorgeht. Von der ELTERN-Zeitschrift wäre jedoch zu wünschen, dass solche Artikel mit vielen Unwahrheiten, Ungenauigkeiten und schlechtem Vorwissen zukünftig nicht mehr erscheinen.
Denn ja: Es geht hier auch um eine Generationsfrage und vielleicht gehört Xenia Frenkel einfach einer Generation an, die die neuen Erkenntnisse nicht akzeptieren kann. Und auch von Herrn Juul wäre zu wünschen, dass er sich differenzierter mit dem Thema auseinander setzt und solche Aussagen überdenkt oder zumindest zuvor fachlich recherchiert.
Ob Attachment Parenting oder nicht: Heute haben Eltern die Wahl, wie sie ihre Kinder aufwachsen lassen möchten. Doch diese Wahl ist nicht einfach. Immer wieder gibt es Zweifel: von der Schwangerschaft über die Geburt bis an das Ende des Lebens als Eltern. Was Eltern daher brauchen, ist keine gegenseitige Verurteilung auf Grund von Ansätzen und Theorien. Sie brauchen Unterstützung und gutes Zureden – für welchen Weg sie sich auch entscheiden. Uns wäre viel geholfen, wenn wir damit aufhören würden, uns ständig über die Ansichten und Einstellungen anderer zu stellen und einfach Toleranz und Akzeptanz üben. Schließlich gibt es, wenn man einmal die Augen öffnet, von Fremdem auch viel zu lernen.
Anm.d.Red.: Das Foto oben stammt von See Wah und steht unter einer Creative Commons Lizenz.
das mit Ruanda ist nun wirklich ein Griff ins Klo! bessere Selbstkontrolle im Übereifer wäre angebracht. Mal abgesehen von diesem dummen Tonfall: Ich finde diese Hinweise der Attachment-Parenting-Gegner durchaus angemessen. Denn die Frau, die hier zitiert wird, kritisiert einen neuen Trend. Sagen wir: ein neues Zurück-zur-Mutter-Natur, eine Idealisierung der Mutter, des Mutter-Daseins. Und das ist auch frauenfeindlich, nein? wendet sich gegen eine Emanzipation der Frauen, oder? die nicht an traditionelle Rollen gegfesselt werden wollen. Das Zitat entspricht überigens auch meiner Beobachtung:
“Wer nicht stillt, bis der Schulbus kommt, ist keine richtige Mutter, sondern ein egoistisches Biest, das seinem Kind vorsätzlich nicht nur lebenswichtige Nährstoffe verweigert, sondern auch die alles entscheidende Mutter-Kind-Bindung.“
ich freue mich! danke für diese Worte! von einer Mutter, mit Verstand – und Erfahrung, sagt mir mein Gefühl :) richtig?
@belami: Ich denke, Emanzipation bedeutet, dass man sich selbst entscheiden kann, wie man die Mutterschaft lebt. Und für manche Frauen bedeutet dies eben, dass sie im Mutter-Dasein aufgehen. Was ist daran verkehrt?
Im Übrigen haben wir in der Einstellung zu Mutterschaft und dem Umgang mit Babys und Kindern noch eine große Last aus der Nazi-Zeit zu tragen. Literarisch kann dies übrigens sehr gut nachgewiesen werden anhand des Buches “Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind”.
Damit meine ich übrigens nicht das Aufgehen im Mutter-Dasein, sondern vielmehr das Schreien-Lassen, das Stillen nach Rhythmus, die Abhärtung.
ich möchte mich Nina R. @#2 anschließen: die Autorin macht einen sympathischen Eindruck fern von reißerischen Thesen und Phrasendrescherei.
und doch noch eine Frage, weil ich mir nach dem zweiten Lesen nicht mehr sicher bin: muss man eigentlich Mutter sein, um mitreden zu dürfen? muss man eine Frau sein? welches Mitspracherecht haben Männer?
Danke an bärentaze und Nina R.!
@bärentaze: Nein, man muss keine Mutter sein. Zwar wird die ganze Diskussion momentan ja an den Müttern aufgehangen, weil sie es ja sind, die stillen, aber letztlich ist es eine Einstellung, die ebenso die Männer betrifft. Denn auch bei den Männern gibt es ja eine Bewegung zu mehr Natürlichkeit und kindgerechterem Verhalten: Sie tragen die Kinder im Tragetuch oder einer Tragehilfe, sie unterstützen Mütter im Stillen, sie entscheiden mit, ob das Kind mit im Elternbett schlafen darf. Männer sidn ebenso wie Frauen mit Attachment Parenting beschäftigt – nur regt sich NOCH niemand darüber auf.
Nicht nur die Nazi-Zeit: Im Osten Deutschlands gab es eine weiterführende jahrzehntelange Dikatur mit Wochenkrippen, Abstilltabletten ohne Wissen der Mutter bereits im Kreißsaal, Abgestillt+wieder arbeitend 8Wochen nach der Geburt und je nach Region widersprüchlicherweise wiederum Gelder für Muttermilchspenden und Lob für Stillen. Überall aber wurde hier der 4h-Rhythmus, das Schreien-Lassen und allein Schlafen als DEN richtigen Weg propagiert entgegen vieler richtig tickender Mutterherzen. Von der würdelosen Behandlung zur Geburt ganz abgesehen. Aber “die gute Mutter” (Mutti) in der DDR hat bestens funktioniert (welch ein schrecklich Wort in diesem Kontext). Somit gibt es beinah 1Jahrhundert Fremdeinwirkung in diesem Bereich. Die Nachwirkung ist stark: Die Angst vor dem “verwöhnten Baby” sitzt sehr tief in den Deutschen. Besonders merkt man das an den Kommentaren bis hin zu Konflikten mit den älteren Generationen, welche vermutlich ihre eigenen Erlebnisse nie verarbeitet haben und der Verunsicherung junger Familien. Den eigenen Weg finden mit diesen Voraussetzungen ist nicht immer leicht, aber genau das ist Emanzipation junger Familien. Ich denke auch: Offenheit+Toleranz für mehrere mögliche Wege -jede Familie ist in ihrer Situation individuell- sollte heute den O-Ton geben, nicht die Hackordnung. Familien- +Kindeswohlgefährdende Wege natürlich ausgenommen…
Und das “Mitspracherecht” der Männer, eine sehr spannende Frage: in welchem Bereich? Was betrifft den Körper der Frau, was betrifft direkt die Partnerschaft und welche individuellen Lösungen können gefunden werden? Wie kann ich die Mutter meines Kindes unterstützen, was direkt meinem Kind zugute kommt? Muss ich im Zeitalter von Gender Mainstreaming als Vater die Mutter imitieren oder kann ich mit meinen biologischen+persönlichen Voraussetzungen andere, weitere Bereiche und Aufgaben, Erfüllungen sehen und wahrnehmen, die sonst keiner ausfüllen würde? Muss ich vielleicht auch zuerst einmal für mich selbst Stellung beziehen zur Frage der Sexualisierung?
Ich hab keine Kinder, ich will keine Kinder und dennoch hab ich im Beruf täglich mit ihnen zu tun: Ich kann nur sagen, es wird leider meist zuviel Gewese gemacht, hier unterhalten sich Akademiker über ihre Kinder. Eine ganz kleine Minderheit. Weiße Bildungsbürgerkinder wird es in ca. 50 Jahren in Deutschland kaum noch geben und dann fragt keiner mehr nach Stillen und Attachment-Parenting, doch die Politik verpasst gerade, sich um die nächste Generation in Deutschland zu kümmern, dass sind die Kinder der Migranten. Die Diskurse ums Elternsein in diesen Milieus sind meist andere. Wann wird darüber diskutiert??
zunächst mal: Danke für die differenzierte Darstellungsweise! ich habe das Gefühl, dass es, sobald es um die Themen Mutterschaft, Elternsein, Kinder geht, die Gemüter sehr heiß laufen und die Gehirne allenthalben runtergefahren werden. Ich finde es wichtig, sich mit den aufgeworfenen Fragen auseinanderzusetzen: Für Mütter, für Menschen mit Kinderwunsch, für alle, die sich mit Kindern auf die ein oder andere Art auseinandersetzen. Den der Trend, hin zur “Übermutter” und mehr Natürlichkeit, konnte ich im letzten Jahr am eigenen Leib erfahren. Man muss sehr willensstark sein, wenn man heute sagt “nein, ich stille nicht”, und “unser Kind schläft im eigenen Bett (im eigenen Zimmer”, denn wie Anne Weidlich richtig darstellt, diese Herangehensweise im Umgang mit Säuglingen hat eine sehr negative Vorgeschichte. Ich finde nur: Die ganzen Ratgeber-Bücher, gut gemeinten Ratschläge in zig Seminaren etc., die nehmen Menschen mit Kindern oft die Freiheit, selbst herauszufinden, was am besten für sie und ihre Kinder ist. Und es ist paradox: Die Vielfalt der Ratgeber-Literatur allein deutet schon an, wie Komplex es heute ist, Kinder zu umsorgen, dass es da nur einen richtigen Weg geben soll, scheint doch wirklich sehr unwahrscheinlich.
Zum Thema Emanzipation: Ich kann Susanne nur Recht geben – sich emanzipieren bedeutet die Freiheit zu haben, sich von gängigen Rollenbildern zu lösen. Leider sind die Diskurse um Mutterschaft- und Frausein heute immer noch sehr überformt von dogmatischen Vorstellungen (Karrierefrau, Übermutter), so dass es vielen Frauen sehr schwer fällt, sich überhaupt einzugestehen, was sie eigentlich wollen. Je weniger Nachwuchs es gibt, desto größer wird der Druck auf die Frauen, alles richtig zu machen. Mich interessiert: Durch welche (politischen) Interventionen könnte man den Druck etwas reduzieren? Betreuungsgeld, mehr Kita-Plätze? Was denkt ihr?
Ich denke, es kommt auf die Art von Seminar, Buch etc. an: was versprechen diese, was sind ihre Ziele? Ein bestimmtes Schema zu vermitteln oder Begleitung im eigenen Weg bieten? Geht es um Methoden oder geht es um die Personen? Es gibt diese Vielfalt ja auch, um genau diesen vielen verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden und damit es eben nicht so einseitig ist.
Druck reduzieren: Wo fängt der an? Meistens bei mir selbst, dann ist die Frage vor allem wie gehe ich damit um? Wieviel lasse ich zu? Wo brauche ich Unterstützung und auch mal Abschirmung? Daraus ergeben sich dann häufig kreative Ideen, wie der Druck insgesamt reduzierbar wäre. Eine super Grundlage, um darüber mit anderen -besonders davon Betroffenen- ins Gespräch zu kommen.
Wenn es um Kindererziehung und -pflege geht,kochen die Gemüter schnell hoch. Und das ist im Prinzip ja auch gar nicht verkehrt, geht es doch um nichts Geringeres als das Wohl unserer Kinder – oder sollte es zumindest. Schade finde ich nämlich, wenn aus der Frage “Was ist das Beste fürs Kind?” die Frage “Wer ist hier die beste Mutter?” wird – und die klingt für mich in Xenia Frenkels latent beleidigter Reaktion an. Ein profilneurotischer Bitchfight ist hier wirklich fehl am Platz.
Im Vordergrund sollte immer die Frage nach dem Kindeswohl stehen – aber auch die Frage nach dem Wohl der Mutter bzw. der Eltern sollte nicht ganz vergessen werden. Stillen (oder nicht Stillen) ist eine sehr persönliche, emotionale Angelegenheit, da sind Druck und enge Vorgaben sogar potentiell gefährlich (können zum Beispiel Wochenbettdepressionen begünstigen). In Sachen Ernährung sollten wir uns nichts vormachen: ALLE unsere Kinder, egal ob und wie lange gestillt, sind prima ernährt; die hier diskutierten Unterschiede sind perfektionistische Detailfragen. Deshalb denke ich, dass die beste Vorgabe zum Thema immer noch im Ernährungsplan der FKE steht: Dort heißt es schlicht und einfach: “Stillen, solange Mutter und Kind es wünschen”.
Liebe Leute, auch wenn es keine Langzeitstudien über langes Stillen gibt, so gibt es Studien über den Sinn und Zweck von Stillen und demnach reichen 6 Monate aus – Stichwort “Immunsystem”. Es gibt noch was anderes für Mütter als Stillen bis zum Abwinken.
@Helena: Das ist so nicht ganz richtig. Die WHO empfiehlt folgendes: “Exclusive breastfeeding is recommended up to 6 months of age, with continued breastfeeding along with appropriate complementary foods up to two years of age or beyond.” und Säuglinge benötigen im ersten Lebensjahr auf jeden Fall Milch – Muttermilch oder künstliche Säuglingsnahrung. Das Wort “Beikost” nach dem 6. Monat bedeutet schließlich, dass es sich um eine Kost zusätzlich zum Grundnahrungsmittel Milch handelt.
Natürlich hast Du recht, dass es noch andere Dinge gibt. Und genau darum geht es ja: Dass Frauen ihre eigene und ganz persönliche Entscheidung treffen dürfen. Ob nun 6 Monate, 12 Monate oder wie auch immer darüber hinaus.
@all: Hier geht nicht nur um Sinn und Zweck des (Langzeit-)Stillens, sondern um Debatten, in denen Normen etabliert werden: Dabei entstehen normative Bilder von Kindern, Frauen als Mütter (ex negativo Männer als Väter) und Eltern im allgemeinen. Kurz: es geht um die Bausteine unserer Gesellschaft!
Insofern finde ich, dass beide/alle Seiten valide Punkte, immer dann, wenn blinde Flecken einer Position aufgezeigt werden.
@ Helena Neumann: “Es gibt noch was anderes für Mütter als Stillen bis zum Abwinken”. Klar, aber wie sieht dieses Andere aus? Mit einem Cocktail in der Hand am Pool chillen, während das Kind sich selbst ein Bütterchen schmiert? Oder doch eher: Brei oder Breizutaten einkaufen, zubereiten, wärmen, Kind und Umgebung weiträumig sauereisicher abdecken, in langem, mühseligem, dann doch mehr oder minder sauigem Prozess Löffel für Löffel füttern, hinterher Reste entsorgen, Geschirr spülen, Kind reinigen, Küche putzen, Lätzchen waschen…? So sieht jedenfalls unser Beikostprojekt im Moment aus. Versteh mich nicht falsch, das alles macht auch Spaß und ist aufregend, aber doch ungleich viel mehr Mühe als bloß schnell mal die Brust auszupacken. Das Ding ist halt, dass Stillen, wenn es einmal eingespielt ist, eine unschlagbar bequeme Angelegenheit ist. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, warum Frauen das möglich lange betreiben wollen. Mit reaktionärer weiblicher Aufopferung hat das unter Umständen weniger zu tun als mit ganz gesundem Egoismus.
welche neuen, überbreiten kinderwagenmodelle könnt ihr denn derzeit empfehlen?
Ich stimme grundsätzlich vollkommen mit dem letzten Absatz des Beitrags von Susanne Mierau überein. Ich möchte mich auf die von Magdalena aufgeworfene Frage nach möglichen politischen Interventionen beziehen. Ich kann diese Frage nicht beantworten, finde sie jedoch besonders interessant, weil ich mich persönlich eigentlich immer mehr frage, ob die Diskussion um Erziehung, Kinder, Eltern und Bildung nicht schon längst viel zu sehr politisiert ist. Mit der Frage der Politisierung geht für mich aber grundsätzlich immer auch die Frage nach den Grundlagen der Diskussion einher. Welche Rolle spielen die Medien (Magazine wie ELTERN etc.), welche Rolle spielt der Umgang mit Wissen und Wissenschaft (auch im Beitrag von Mierau ist die Auseinandersetzung mit Ergebnissen von Studien ein wichtiger Bezugspunkt, Ratgeberliteratur, medienwirksame Bildungsforscher und -Politiker argumentieren deutlich mit „wissenschaftlichen“ und „neuen“ Ergebnissen). Wie wird der Bezug zur Wissenschaft rhetorisch und politisch eingesetzt. Auch wissenschaftliche Forschung und die Kommunikation von wissenschaftlichen Ergebnissen ist nicht per se neutral und unpolitisch. In der Öffentlichkeit hingegen wird in Diskussionen selten ein kritischer Umgang mit Wissenschaft gepflegt. Und schließlich: Was liegt den Diskussionen zugrunde, welche Begriffe werden genutzt, welche Ziele spielen eine Rolle etc.?
Ich frage mich zum Beispiel, wie das Wohl des Kindes eigentlich definiert wird. Denkt man an Auseinandersetzung um die Kita-Plätze oder frühkindliche Förderung, fällt doch auf, dass „Wohl“ und „Glück“ einerseits mit gesunder Entwicklung und andererseits – und damit auch korrelierend – einseitig und verallgemeinernd mit einem speziellen und für alle verbindlich-idealen Bildungsziel verbunden ist, das zumindest politisch betrachtet letztlich nur auf Wirtschaftlichkeit und Leistung abzielt. Dass es also weniger darum geht, individuelle und freie Entscheidungen zu fördern und anzuerkennen oder auf die Individualität eines jeden Kindes und seiner Eltern Bezug zu nehmen, sondern dass es um überindividuelle gesellschaftlich-politische Ziele geht. Alles richtig gemacht zu haben bedeutet doch im Kontext der öffentlichen Diskussion (und von allen Lagern) immer auch: Dein Kind ist erfolgreich. Das führt mich zu der Frage danach, wie Kinder, Neugeborene in unserer Gesellschaft eigentlich „definiert“ und wahrgenommen werden. Es geht also nicht nur um normative Bilder von idealen Vätern und Müttern, sondern auch normative Auffassungen darüber, was und wie ein Kind eigentlich ist (also nicht nur juristisch gesehen, sondern eher hinsichtlich dem, was vorausgesetzt wird und dem, was als Grundlage für die Erziehung, für pädagogische Konzepte etc. angenommen wird, z.B. greift das tabula rasa-Prinzip oder dergleichen).
Ist doch interessant, dass das ein solch brisantes Thema ist. Da schlagen die Wellen hoch! Stillen ist super praktisch, aber nur so lange, wie die Mutter einigermaßen verfügbar für das Kind ist, heisst im Umkehrschluss, nicht vollständig für den Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Ein gestilltes Kind kann eben nicht eine Woche ohne Mutter sein, während die auf Dienstreise ist. bzw. ist das dann der Anfang vom Ende der Stillzeit. Hier geht es um Haushalten, um Ökonomie und die geht nun einmal direkt durch den Körper der Frauen, das wusste schon der 1. und 2. Feminismus. Bindung ist auch so ein Topos, der nicht außerhalb von Ideologie zu diskutieren ist. Schließlich geht der gesellschaftliche Wunsch nach Bindung nur so weit, wie sie das Funktionieren innerhalb unseres individualistischen Systems noch ermöglicht. Langzeitstillende, Latte Macchiato trinkende Bürgerinnen überall haben vielleicht auch einfach nur eine Form des “I would prefer not to” entwickelt.
Ich finde dieses Thema sehr spannend und wichtig und dennoch ist es schwer zu einem Punkt zu kommen.
Zum einen denke ich, dass jede Mutter und jedes Kind anders ist, welches es zu berücksichtigen gilt. Auch macht es sinn die ersten 6 Monate zu stillen wegen wie oben beschrieben dem Entwickeln des kindlichen Immunsystems. Wenn man Unicef oder der WHO folgt, dann wird im durchschnitt weltweit ungefähr bis zum 4.Lebensjahr gestillt. Ich finde man darf dabei nicht vergessen, dass es in Entwicklungsländern unter Umständen viel notwendiger ist länger zu stillen als in Ländern der ersten Welt. Einfach weil Muttermilch genau richtig temperiert und hygienisch einwandfrei ist. Diese Tatsache ist bezüglich der Frage von langem Stillen in ärmeren Ländern von viel wichtigerer Bedeutung als z.B. hier zu Lande. Ich finde auch beides problematisch. Zum einen finde ich diesen Stillzwang unangemessen und genauso der Trend früherer Generationen die Kinder nur 1 Monat zu stillen. Für mich ist dies von einem Extrem ins andere überzugehen und beide sind nicht flexibel und gehen auf die jeweils einzigartige Mutter-(Vater-)Kind beziehung ein. Es gibt die unterschiedlichsten Gründe wieso manche Frauen nicht stillen können und ich finde, mit solchen Umständen sollte man offen und flexibel umgehen. Eine sichere Bindung zum Kind ist auch dann herzustellen, da stillen per se keine Bindung automatisch erwarten lässt.
Generell finde ich, dass man auf die Bedürfnisse des Kindes und der Mutter schauen sollte. Zudem sich mir die Frage stellt wo fängt Langzeitstillen an? Ab einem Jahr? Ab zwei Jahren? Oder ist dies subjektiv? oder ist der Übergang nicht fließend?
Ich finde stillen sollte spätestens da aufhören, wo es eher dem Bedürfnis der Mutter entspringt als dem Kind. Ich denke, dass die Kleinen entsprechend ihrer Entwicklung von ganz allein Interesse entwickeln am Essen und Stück für Stück sich auf natürliche Weise davon lösen. Auf diese Signale sollte man achten und sich von seinem Kind leiten lassen.
ich finde eine mutter sollte ihr Kind nicht stillen, wenn das für sie nicht passend ist. Denn es ist sicher viel schädlicher für die Mutter-Kind-Beziehung wenn sie es tut,weil sie sich gedrängt fühlt anstatt mit einem guten Gefühl die Flasche zu geben. Ich finde es ebenfalls nicht gut als Mutter aus dem eigenen Wunsch heraus das Stillen weiterführen zu wollen bis “zum Schulbus”. Ich weiß nicht, ich würde davon ausgehen, dass Kinder selbst ab einem gewissen Alter das Interesse am stillen verlieren und lieber das Essen wollen was die Eltern auch essen?! Wenn sie eben nicht von der Muter animiert o.ä. werden weiter an Mamas Brust zu hängen. Ich persönlich finde spätestens ab dem Moment wo die Kleinen sprechen können und selbstständig essen können, würde ich erwarten, dass sie die Brust nicht mehr brauchen als Trost o.ä. Nähe und Liebe ist schließlich das wichtigste egal ob mit oder ohne stillen.
in the seventies pediatricians advised against breast-feeding
auna proposal for artificial feeding currents of thought now … dopo20 years it proposes breast feeding all natural icosti perhaps happens to be looking to push the industri manufacturers of infant formula?
I hope that everyone has had a chance to see how the economic benefit outweighs any ethical value