Alles auf Anfang

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als wuerde sich ein Kreis schliessen. Aber zwischen der deutschen Film- und Fernsehakademie [DFFB] von damals und der von heute liegen fast 40 Jahre – und sie liegen auch zwischen dem Bitomsky, der die DFFB damals als angehender Dokumentarfilmer mit einem Hochschulabschluss verlassen hat und dem, der heute den Posten des Direktors innehat. Man kann also nicht sagen, dass dies eine Rueckkehr zum Ursprung waere.

Die Welt ist eine andere geworden, und die Studenten interessieren andere Dinge, und sie wollen andere Filme machen. Das muessen sie auch, das erwarte ich von ihnen. Ich erwarte, dass wir zusammen neue Formen des Filmemachens ausprobieren, dass wir Fragen, die vielleicht alt sind, mit neuen Ideen begegnen und nicht mit alten Antworten. In diesem Sinne stehen wir vor einem Neuanfang. Wenn man lehrt, muss man immerfort lernen. Insofern ist die Situation des Neuanfangs so neu nicht.

Aus Amerika, wo ich bis vor kurzem als Dokumentarfilmer und Dozent lebte, schaut man auf Deutschland aus der Ferne, und da sieht es sehr klein aus – sogar komisch klein und unwichtig. Man kann gar nicht ausmachen, was da wirklich vorgeht. Es zeichnen sich aus der Distanz weder die grossen Strukturen ab und erst recht nicht die Details. Eher sind zusammenhanglose Bruchstuecke erkennbar, und daraus kann man sich kein Bild machen.

Dass auch vom Kino in Deutschland kaum etwas mitzukriegen war, versteht sich dabei von selbst. Das meiste habe ich wohl verpasst, und ob es schade darum war, muss ich noch herausfinden. Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit dazu. Insofern stecke ich auch noch in diesem Lernprozess. Dass sich das Land veraendert hat, ist klar, und die Veraenderungen scheinen jenen zu aehneln, die unter dem Druck der Konservativen von den Republikanern in den letzten Dekaden in den USA in Gang gesetzt worden sind.

Als ich im Herbst letzten Jahres nach Deutschland zurueckgekommen bin – das war im Vorfeld der Wahl – dauerte es eine Weile, bis ich begriff, was unter den >Reformen, die noetig sind< zu verstehen war: naemlich der weitere Abbau von sozialen Errungenschaften und der Ausverkauf des Gemeinwesens. Das kannte ich aus Amerika. Bestuerzend neu daran aber war, wie diese Kampagne von Umbenennungen, die in Deutschland schon auf ein historisches Beispiel zurueckblicken kann, von allen Zeitungen, von allen Journalisten und vielen intelligenten Leuten mitgemacht wird. Wenn ich einen Werkzyklus von mir wie die >Deutsche Trilogie< heute betrachte [>Deutschlandbilder< [1984], >Reichsautobahn< [1985] und der >VW-Komplex< [1989] [Anm. d. Red.]] glaube ich, dass ein Teil fehlt. Es muesste eine Tetralogie sein, mindestens. Die >Deutsche Trilogie< geht bis ans Ende der 80er Jahre. Jetzt sind nochmals 15 Jahre dazu gekommen, ein groesserer Zeitraum als jener, der die Nazis an der Macht gesehen hat. Manches ist inzwischen geschehen, und wir leben in einer veraenderten Gesellschaft. Wo liegen die Bruchstellen dieser Veraenderung? Die Bruchstelle, die den Beginn der Epoche markiert, die Bruchstelle, die ihr Ende anzeigt, und was genau ist geschehen? Als ich nach Deutschland zurueckgekommen bin, liefen in manchen Supermaerkten Lautsprecheransage ab, wie >Deutschland ist nicht Kaese! Sagen Sie uns, wie Sie das sehen<, oder so aehnlich. Es war komisch, wie das Brainwashing den Patriotismus in der Naehe von Konsumartikeln und vom Konsumismus ansiedelte. >What’s good for the banks is good for the country, and a business man should rule it<, sagt ein betruegerischer Baenker in einem Film von John Ford. In der Tat wird Amerika ja auch auf diese Weise regiert. Nun hoert man dergleichen auch hier, ein bisschen zaghaft, verstellt und ungelenk, noch. Man hat auch weniger Uebung.

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