Die Idee, sich mit dem ost-westdeutschen Briefwechsel zu beschaeftigen und eine Ausstellung darueber zu machen, geht auf Erfahrungen mit dem sehr erfolgreichen Feldpostprojekt zurueck. Es war Mai vergangenen Jahres in Form einer Ausstellung im Museum fuer Kommunikation zu sehen und spuerte Geschichten rund um die Feldpost des Zweiten Weltkrieges an Hand von ausgewaehlten Briefen nach. Dabei beleuchtete es sowohl einzelne Familienerinnerungen also auch den historischen den Rahmen der Entstehung von Feldpost. Zudem wurde der Sammlungsbestand des Museums fuer Kommunikation ausgebaut.
Der Feldpost-Ausstellung lag folgende Beobachtung zu Grunde: Der Postverkehr der Truppen im Krieg geht meistens verloren, weil die Angehoerigen in der dritten Generation nichts mehr damit verbinden und die Zeitzeugen immer weniger werden. Vor diesem Hintergrund bestand das Ziel darin, die subjektive Sicht auf Krieg und Nationalsozialismus im Kontext familiaerer Erinnerungskultur zum Gegenstand kollektiver Erinnerung zu machen. Nach einem oeffentlichen Aufruf erhielten wir in fuenf Jahren ueber 50.000 Konvolute, so dass wir heute das groesste Feldpostarchiv des Zweiten Weltkrieges in der Bundesrepublik haben. Dieses Archiv erfreut sich einer grossen Nachfrage von Medien, Bildungs- und Forschungseinrichtungen.
Das Folgeprojekt zum ost-westdeutschen Briefwechsel ist ebenfalls als Ausstellung angelegt. Die Zeit der Teilung war eine Zeit des Briefeschreibens: 190 Millionen Briefe wurden jaehrlich zwischen Ost und West ausgetauscht. Die ausgewaehlten Briefe zeugen von den real-existierenden Kontakten, von gegenseitigem Informationsbeduerfnis und der Aufrechterhaltung und Neustiftung von Beziehungen. Die Briefe sind Belege fuer die politische Teilung und Dokumente kultureller und nationaler Einheit.
In der Ausstellung geht es zum einen um den Brief als subjektiv-biografische Quelle, darueber hinaus aber auch um die Einordnung in die gesellschaftspolltischen Rahmenbedingungen, unter denen die Briefe geschrieben wurden. Dazu koennen die ethnologischen sowie die historischen Wissenschaften gleichermassen einen Beitrag leisten. Die ethnologische Analyse nimmt die Briefe auch in ihrer subjektiven Wahrheit ernst, interpretiert sie im biografischen Kontext und vor dem Hintergrund der Teilung als >das Leben der Anderen<. Brieftheoretisch geht es um die Frage, welche Funktion die Korrespondenzen fuer die Beteiligten hatten: Waren sie dialogisch oder monologisch? Welche Selbst- und Fremdbilder wurden konstruiert? Die inhaltlichen Themen und Schwerpunkte verweisen aber auch auf die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen der Schreibenden. Und wie auch bei anderen Ausstellungen geht es auch hier darum, dass die originalen Objekte, hier die Briefe, angemessen praesentiert und interpretiert werden. Wichtig ist mir dabei die aesthetisch sichtbare Unterscheidung zwischen Original und Kopie, zwischen Fakt und Fiktion. Sie ist deshalb wichtig, weil die Grenzen immer mehr verwischen. So werden zum Beispiel in anderen Haeusern originaere Austellungsobjekte neben Nicht-Originale gestellt, was dem Besucher aber nicht angezeigt wird. Das Museum aber ist nach meinem Verstaendnis die einzige Institution, die den Unterschied aufzeigen kann und muss. Grundsaetzlicher gesprochen geht es um die Frage, wie wir mit der Erinnerung an die DDR umgehen, welchen Stellenwert sie in unserer Erinnerungskultur hat oder haben wird: Geraet sie in Vergessenheit? Wird sie abgewickelt? Konkurriert sie mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit? Ich bin sicher, dass wir mit der Ausstellung, die voraussichtlich am 3. Oktober eroeffnet werden soll, gerade in der jetzt aufkommenden Diskussion um die Aufarbeitung der DDR-Geschichte einen substantiellen Beitrag zur gesamtdeutschen Geschichte leisten koennen.