Tristesse Orale: “Es gibt keine Meinungen mehr.”

Meinung und Journalismus – das gehoert nun wirklich nicht zusammen. Und während der Philosoph Peter Sloterdijk das “Meinungablassen” aechtet, verengen Meinungsforscher den Raum fuer Meinungen. Krystian Woznicki hat das Krisengebiet persoenlich bereist und dabei eine Entdeckung gemacht: Tristesse Orale.

Meinungen sind heutzutage modifizierbar. Nicht zufaellig zeichnen sich aufstrebende Firmenneuzugaenge auch durch intellektuelle Flexibilitaet aus. Meinungen behaelt man lieber fuer sich, getreu dem Motto: Ich sage, was man hoeren will. Meinungen werden aber auch zu sehr an einzelnen Worten und Saetzen festgemacht, was manch einem zur Last werden kann. Und ueberhaupt: Was sind Meinungen noch wert, wenn Menschenparkaufsichtsrat Sloterdijk veraechtlich vom stumpfen “Meinungablassen” redet?

Zwischen Stammtisch und Gebetsmuehle, zwischen den Stuehlen: Die konstituierende Logik der kommunikativen Kategorie “Meinung” steht auf dem Spiel. Auch Meinungsforscher bezeugen dies: Je mehr Gesellschaften durch Umfragen erfasst werden, desto knappbemessener wird der Raum fuer… Meinungen. “Es gibt keine Meinungen mehr” lautet denn auch der Schluesselsatz einer popliterarischen Zusammenkunft. Ihr aktenkundiges Kennzeichen: Tristesse Royale. Ein Buch, das sie gemeinsam unter diesem Namen veroeffentlicht haben (ISBN: 3-548-31226-8) gilt einer meinungsbildenden Tageszeitung als das Manifest einer neuen Generation. Einer Generation, die erstmalig “ein scharfes, hoehnisches Nein zu 68 formuliert”, sich paradoxerweise aber eben auch den Generationskult und -pathos der 68ger marktgerecht einverleibt hat.

Von Revolution ist da zwar nicht die Rede, von einem Aufstand jedoch, einem “Aufstand junger Herren”. Diese Herren haben eine grosse Klappe, ecken aber nicht an. Pflegeleichte Dandys sind es eben, komplett mittekompatibel. Sie sind so cool wie ihr Wissen -aha, so stellt sich Deutschland also Tarantino als Gruppe vor. Passend zum Klima tragen sie Reservoir-Dogs-Garderobe. Schliesslich ist der defensive Lebensstil an der Tagesordnung: Tristesse Orale.

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