Unbedarfte Anti-Inszenierungen

Die Generation der Chat-Kids ist erwachsen geworden, zumindest auf dem Papier. >Miri-Sternchens< und >Warteschleifenpianisten< sucht man in den neuen Internet-Kontaktboersen vergeblich, Chiffren sind aus der Mode gekommen. Mitglieder gaengiger Foren legen neuerdings eine Offenheit an den Tag, die Aussenstehende befremden muss. Ob im >Studiverzeichnis<, einer Internetplattform, auf der sich angehende Akademiker tummeln, oder auf den Seiten des >Open Business Club<. Der amerikanische Soziologe Erving Goffman beschrieb Ende der 1950er Jahre das >Theater des Alltags< in all seinen Facetten: Die soziale Welt als Buehne, auf der sich einzelne Akteure in Szene setzen und Ensembles dem Publikum sozial erwuenschte Bilder von der Wirklichkeit vermitteln. Persoenliche Seiten vieler StudiVZ-Nutzer zum Beispiel muten dagegen wie unfreiwillige Anti-Inszenierungen an. Die angehende Juristin, die sich freimuetig als einkaufssuechtig bezeichnet, der Germanistik-Student, der seinen Freunden den Da Vinci Code von Dan Brown als Ferienlektuere empfiehlt. Politikwissenschaftler, die sich als Gruenenwaehler outen. Und all dies mit Vor- und Zunamen, Foto und Geburtsdatum. Zu viel Big Brother geschaut? Diese Unbedarftheit scheinbar intelligenter Menschen ist jedenfalls nicht zu >toppen<.

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