Kiezbericht Neukoelln – ob ich einen solchen Text als Reportage schreiben koennte? Vielleicht haette das neue Stadtmagazin ja Interesse, sagte ein Bekannter. Das war Donnerstag abend. Ich dachte an die Kommunisten Strasse, die Soliparty-Kneipe um die Ecke. Eine Neuentdeckung, die ich so liebe, weil Leute mit normalen Klamotten immer gleich gemustert werden, als seien sie die schlimmsten Kapitalisten. An die Neukoellner Buergerstiftung, die sich letztes Jahr gegruendet hat, und die Lebensqualitaet im Kiez verbessern will. Lebensqualitaet bedeutet in Neukoelln auch, zu jeder Tagesszeit ungeschminkt durch die Strassen laufen zu koennen, ohne aufzufallen. Auch ins Programmkino, denn dort ist man ohnehin fast alleine.
Leider sind viele Nachbarn traurige Gestalten. Schon frueh morgens legen sie bei Edeka Toastbrot und Jaegermeister auf’s Band. Aber es gibt auch die alte Dame mit dem Dackel. Sie hat die Sueddeutsche abonniert. Oder das hilfsbereite Ehepaar von gegenueber, dessen 80-Kilo-Hunde Tequila 1 und Tequila 2 heissen. Die Hoelle, das sind die anderen. Was ich Donnerstag abend verdraengt hatte, war der Muellberg vom Vormittag. Eine kleine Halde im Hof, ich verzichte auf eine Beschreibung der Gerueche. Die Hausverwaltung bestellte die Muellabfuhr.
Karfreitag rueckte dann die Feuerwehr an, eine brennende Muelltonne. Die christlichen Feiertage werden hier im Kiez also also ernst genommen – ein Tag vor Weihnachten hatte die Laterne vor meinem Fenster in Flammen gestanden. Samstag kam das Technische Hilfswerk. Maenner mit Helmen und dicken Westen, bewaffnet mit Aexten. Sie machten sich im Hinterhaus zu schaffen. Die Muellabfuhr, die Feuerwehr plus Polizei, das technische Hilfswerk plus Polizei, dann heisst es nur noch warten auf den Krankenwagen, meinte meine Mitbewohnerin. Der Osterspaziergang am Sonntag musste daher leider doch ausfallen.