Der Erfolg scheint den KünstlerInnen des Zentrums für politische Schönheit (ZPS) Recht zu geben: Sie informieren, klären auf, legen Finger in Wunden. Dem Künstler und Berliner Gazette-Autor Horst A. Bruno ist das zu wenig. Anhand der jüngsten ZPS-Aktionen stellt er die Frage, wo die Relevanz von Kunst beginnt und ob nicht zu einfach ist, immer nur auf die anderen zu zeigen. Ein Kommentar.
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In seiner NZZ-Kolumne kommentierte der Jurist und Publizist Milosz Matuschek die Aktion des Berliner Künstlerkollektivs „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) über den Rechts-Außen-Politiker Björn Höcke mit diesen Worten: „Doch die Währung der Kunst ist nicht mediale Aufmerksamkeit. Sondern Relevanz.“ Und weiter: Es sei die bisher harmloseste Aktion des Künstlerkollektivs gewesen.
Bei ihrer Aktion, Deine Stele setzt das ZPS dem Politiker Höcke mit 24 Betonstelen eine „Kopie“ des Holocaust-Mahnmals von Berlin vors Haus, und zwar als Reaktion von Höckes Sportpalastrede über den Terror des Mahnmals.
Erschreckend, was das ZPS über Höcke im Rahmen dieser Aufsehen erregenden Aktion – alle wichtigen Medien berichteten darüber – zu Tage förderte. Höcke, der ganz legal gewählt im Thüringer Landtag sitzt und sich dort in breiter Öffentlichkeit frech präsentieren kann. Höcke ist bei der AfD, u.a. wegen seinen Aktivitäten in der NPD und auch sonst umstritten, wird aber dennoch von ihr gehalten. Keine Frage, wenn man jetzt weiß, wer dieser Politiker ist, ist das auch ein Verdienst des ZPS. Das sollte nicht unterschätzt werden.
Aber zu fragen ist: Wer profitiert davon? Eine Öffentlichkeit, die es davon abhält, die AfD und damit eine Partei mit faschistischem Background zu wählen? Oder baut das gar eine Politiker-Persönlichkeit auf, schafft ihr Anhänger und auch Wähler aus Protest. Denn: Negative Popularität kann auch zu Solidarität führen.
Ebenso fragwürdig erscheint mir die ZPS-Aktion „Scholl 2017 – Von der Vergangenheit lernen“, wo junge Menschen vom ZPS gesucht werden, die bereit sind in eine Diktatur zu reisen, um dort Flugblätter gegen die Diktatur zu verbreiten. Vorgeschlagen werden hier China, Eritrea, Nord Korea, Russland, Saudi-Arabien, Simbabwe, Sudan, Syrien, Türkei, Tschetschenien, Usbekistan. Diese Länder werden damit unreflektiert stigmatisiert. Ihre Präsidenten und Herrscher also als Diktatoren gestempelt, ob sie nun auf demokratischer Basis gewählt wurden oder nicht.
Auf den Plakaten zu der Aktion des ZPS wird Putin neben Erdogan gezeigt. Damit werden die Klischees eines westlichen Mainstreams frei bedient und der “Westen“ als das demokratische Abendland ohne wenn und aber zementiert – also den gängigen Doktrinen unserer „Wertegemeinschaften“ gefolgt. Aber wurde nicht sie, diese westliche „Wertegemeinschaft“ schon längst und zigfach durch verbrecherische und unlegetimierte Kriege auf breiter Front total in Frage gestellt?
Haben sich die Akteure vom ZPS diese Fragen ernsthaft gestellt? Haben sie hinterfragt, was ihre Kunst außer Aufmerksamkeit in den Medien wirklich leisten kann? Oder schwimmen auch sie nur im allgemeinen Strom des Mainstreams der „westlichen“ Medien mit den bekannten fatalen Folgen?
Ernsthafte Kritik am ZPS
Kunst sollte und muss sich diese Fragen stellen, will sie ihrem Anspruch gerecht sein, d.h. Relevanz zu haben. Zu begrüßen ist, dass das ZPS das Marketing des Kunstbetriebes auszuklammern in der Lage ist, diesem so profitablen Wirtschaftszweig mit Aktionshäusern, Galerien einschließlich öffentlich geförderten Museen, der landauf landab die klassische Moderne und deren postmoderne Adepten feiert und damit Massen in die Museen lockt sowie Millionenbeträge bei Aktionen einspielt – aus entzogenen Steuergeldern?
In den Aktionen des ZPS geht es nicht mehr um Geld. Die Akteure wollen Information und Aufklärung -, zweifellos. Sie benutzen Kunst als politisches Kampfmittel für Meinung. Und Meinung gehört zur Substanz der Demokratie, der Basis des abendländischen politischen Denkens mit ihren gesellschaftlichen Ordnungen.
Dieses Denken, diese Ordnung, die Demokratie an sich wird vom ZPS kaum noch hinterfragt, sondern kommentarlos als westlicher Grundwert alternativlos verwendet. Hier muss ernsthafte Kritik am ZPS beginnen. Denn in den westlichen Demokratien der USA und in Europa, aber auch anderswo werden die Menschenrechte mehr und mehr missachtet – gehen also vor die Hunde – und Armut sowie Ausbeutung nehmen seit ein bis zwei Jahrzehnten infolge eines neoliberalen Wirtschaftssystems wieder erschreckende Ausmaße an. Auch Kriege oder Folter sind weder tabu noch wirklich geächtet als legitime Politik von Ländern, die sich anmaßen, Wächter für Demokratie und Menschenrechte zu sein. Selbst Sklavenhandel entsteht schleichend neu.
Historiker und Publizisten wie Daniele Ganser und Rainer Mausfeld zeigen schon seit langem, wie fragwürdig die Rhetorik mit der Demokratie und allem, was mit ihr in unserer Philosophie verknüpft wird, inzwischen geworden ist. Noch ist wenig davon in unsere politischen Diskurse eingegangen. Auch die KUNST scheint von solchen Erkenntnissen kaum gehört zu haben, wie auch am Zentrum für Politische Schönheit leider festzumachen ist und an den obigen Beispielen deutlich wird.
Das Zentrum für politische Schönheit hat zwar einen erfolgversprechenden Weg eingeschlagen, ohne Zweifel. Aber noch fehlt diesen Künstlern ein weiterer wichtiger Schritt, nämlich die uns vorgegaukelte Chimäre Demokratie, die das heutige neoliberale Gesellschaftssystem so meisterhaft nutzt, zu entlarven. Kunst ist der Wahrheit verpflichtet. Nur dann wird sie dem Anspruch gerecht, auch Kunst im aktuellen Verständnis zu sein.
Die Aufgabe von Kunst
Grundsätzlich ist Kunst zunächst einmal Ästhetik, also Form. Politische Aktionen als Form zu vereinnahmen und zum Mittel der Kunst zu machen, wie es das ZPS tut, muss problematisch sein, weil es bei politischen Aktionen vornehmlich um deren Inhalte geht. Von dort aus werden sie beurteilt und gemessen – nämlich als Politik und weniger als Kunst/Ästhetik. Damit setzen sie Freiheit und Offenheit von Kunst in einer unbeabsichtigten Ambivalenz auf Spiel. Es dürfte schwer fallen, sie wie etwa Dada als bloßen Protest zu sehen. Zu leicht verlieren sie den hohen Anspruch, den Kunst mit ihrer Aura hat.
Die Aktionen des ZPS sind bissig und treffen offenbar, was die Reaktionen zeigen, ins Mark der Gesellschaft. Sie klären auf und informieren – was der Großteil der Medien heute kaum noch tut. Kunst übernimmt damit Funktionen, die für „Demokratie“ existenziell sind. Bisher werden sie von den rechtlichen Ordnungen, den Gerichten noch geschützt. Sie bewegen sich innerhalb unserer Rechtsnormen und der „Demokratie“. Joseph Beuys würde sich freuen, könnte er das noch miterleben. Sein Kunstbegriff findet hier eine überzeugende Fortsetzung.
Aber: sollten die Politiker der AfD weiter in die Machtzentralen vorrücken, was zu erwarten ist, werden sie bald und schnell mit diesem „Spuk“ aufräumen.
Bekommt also diese Aktionskunst der Akteure vom ZPS eine Relevanz, wird sie politisch wirksam und ist sie somit das Salz in der Suppe unserer Kultur als deren Erweiterung, und zwar außerhalb vom traditionellen Marketing? Wie eine Mona Lisa oder Picassos Guernica? Ja und Nein. Sie ist zweifellos berechtigt und auch notwendig. Sie ist Reflexion in intensivster Form einer Gesellschaft der „Demokratie“ der Aufklärung und Humanität. Sie informiert, stellt Zusammenhänge her und legt bloß, und zwar außerhalb ökonomischer und auch politischer Regeln/Zwänge/Notwendigkeiten.
Sie ist keinem als sich selbst verpflichtet und wird höchsten moralischen Ansprüchen gerecht. Sie ist Moral. Darin würde sie sich schon ausreichend legitimieren, und zwar allein. Und daran würde sie sich auch immer messen lassen müssen/können. Damit stellt sie sich außerhalb der Ästhetik bisheriger Kunst. Künstler wie Emil Nolde oder Richard Strauss müssen nach solchen Maßstäben für Kunst trotz ihrer Genialität durchfallen. Kunst bekommt damit neue Legitimations-Optionen. Eine neue Ästhetik ist mit dieser Aktionskunst geschaffen. Es ist das Medium Kunst, was diesen Inhalten Freiheit, Offenheit und Moral verschafft. Damit wird eine Relevanz erreicht, die durch die Zeiten hält und dann in eine Reihe mit der Mona Lisa und Guernica gestellt werden könnte.
Relevanz erreicht Kunst also damit nur, wenn sie Mittel der Politik werden kann, Mittel, also Teil von ihr und damit auch ein Machtfaktor zur Steuerung von Entscheidungen, die reale Auswirkungen auf Ökonomie, Wissenschaft und Soziologie haben. Kann Kunst das überhaupt? Im Prinzip ja. Als Beispiel ist die Rockszene der siebziger Jahre, wo Bands Millionen mobilisierten und so der Vietnam-Krieg ein Ende fand. Kunst/Musik vereinte sich mit politischen Bewegungen und wurde Macht, die die Macht-Eliten nicht mehr ignorieren konnten. Kunst ist in der Lage, Massen zu mobilisieren, wie dieses Beispiel zeigt.
Wird das ZPS es schaffen uns mit seiner moralischen Kraft mitzureißen?
Dazu brauchte es jedoch mehr als Aufklärung und Entlarvung der Medien sowie der Politik, selbst wenn es noch so gekonnt geschieht. Dazu gehörte nämlich eine Gesellschaft, die es satt hat, wie Schafe belogen und vorgeführt zu werden. Das ZPS, aber auch andere – sind sie erste Anzeichen dafür, dass Situationen, wie die damaligen, dreißig Jahre nach der Weltkriegs-Katastrophe, möglich sein könnten?
Das Wollen und Können der Akteure des ZPS muss unbedingt vorm Versanden und Abdriften in politische Grauzonen bewahrt werden. Die Machteliten werden alles tun, um relevante Bewegungen der Kunst zu verhindern. Durch Einschränkungen auf legalen Wegen von Informations- und Kunstfreiheiten wie auch der Beschneidung des Internets.
Gesetzesinitiativen der jüngsten Zeit weisen bereits in diese Richtung. Kein Mittel wird ihnen da radikal genug sein. Kunst muss und kann mit ihren Energien und ihrer Kreativität die Politik des Mainstream unterlaufen. Das Zentrum für politische Schönheit muss zweifellos als ein überzeugender Schritt auf diesem Weg gesehen werden. Zur Solidarität des Menschlichen über alle Grenzen und Länder hinweg. Das ist ermutigend.
Anm. d. Red.: Das Foto oben stammt von Mario Sixtus und steht unter CC-Lizenz.
Das Problematische am ZPS ist die Verwendung von linken Folien zur Verbreitung klassisch faschistischer Ideologien und Sprecharten.
Davon ist auch dieser Artikel penetrant durchzogen. Im Jargon, der sich oben im Text einschleift steckt die Lüge:
“Höcke, der ganz legal gewählt im Thüringer Landtag sitzt und sich dort in breiter Öffentlichkeit frech präsentieren kann.”
Lingua Tertii Imperii? “Frech präsentieren” ist die unterste Goebbels-Schublade für einen – man kann es nun drehen und wenden wie man will – gewählten Landtagsabgeordneten. Selbst wenn ihn seine Partei rauswirft, bleibt er Abgeordneter. Und was soll das “ganz legal”? Gibt es auch illegale Abgeordnete? Hat nicht jede und jeder bei uns das gute Recht sich zu präsentieren, das Recht frech zu sein, ob Abgeordneter oder nicht?
“Höcke ist bei der AfD, u.a. wegen seinen Aktivitäten in der NPD und auch sonst umstritten, wird aber dennoch von ihr gehalten.”
Was waren denn diese Aktivitäten genau? Eigentlich gibt es nur den Verdacht, dass er in einer Neonazipostille eines Nachbarn etwas unter einem Pseudonym Ladig veröffentlicht habe zum Thema organische Marktwirtschaft, auf Grund eines linguistischen Evidenzbeweises betreffend des Vokabulars. Das mag sein, das mag nicht sein, das kann sein, dass sie beide die gleiche Literatur gelesen haben. Letzten Endes hat jeder das Recht anonym oder pseudonym Texte zu veröffentlichen. Von Aktivitäten in der NPD ist dagegen überhaupt nichts bekannt. Es gibt ein Ausschlussverfahren, das aber etwas dünn gegründet ist, dass es eigentlich von Anfang an nur scheitern kann/soll.
“Bei ihrer Aktion, Deine Stele setzt das ZPS dem Politiker Höcke mit 24 Betonstelen eine „Kopie“ des Holocaust-Mahnmals von Berlin vors Haus, und zwar als Reaktion von Höckes Sportpalastrede über den Terror des Mahnmals.”
Die betreffende Rede heißt gemeinhin Dresdener Rede und wurde in keinem Sportpalast gehalten. Der Berliner Sportpalast wurde bekanntlich abgerissen. Der betreffende Politiker sprach auch nicht vom “Terror” des Mahnmals. In der Tat war seine Mahnmalskritik nur eine Nebelkerze zum Kaschieren der wirklich problematischen Punkte in der Rede, etwa die Behauptung einer letzten “evolutionären Chance”. Dass ein Rechter das Mahnmal und die Erinnerungskultur nicht mag, ist auch nicht überraschend oder verwerflich. Er kann dann ja mit seinen seltsamen Ansichten um politische Mehrheiten werben wie es sich einer Demokratie gehört. Viel glück! Oder man schafft öffentliche Aufmerksamkeit für ihn und seine Positionen. Wie das ZPS.
“Die Machteliten werden alles tun, um relevante Bewegungen der Kunst zu verhindern.”
Die “Machteliten”? Wer ist das denn schon wieder?
“Kunst muss und kann mit ihren Energien und ihrer Kreativität die Politik des Mainstream unterlaufen.”
Kunst muss gar nichts unterlaufen. Kunst muss nichts.
Die “Politik des Mainstreams” ist die der Demokratie.
“Das Zentrum für politische Schönheit muss zweifellos als ein überzeugender Schritt auf diesem Weg gesehen werden.”
Passivkonstruktion: “muss… gesehen werden.” Wer muss es sehen? “zweifellos”? Was ist “dieser Weg”?
Im ZPS und in seinem Umfeld wird faschistisches Reden und politischer Kitsch zelebriert. Meine Befürchtung ist, dass viele und womöglich sie selbst das nicht checken. Aber der Jargon ist untrüglich. Natürlich parodiert das ZPS auch politisches Campaigning, macht es noch radikaler und übertriebener. Aber es gibt keine Bruchlinien als echte Sollbruchstellen, sondern Bruchlinien, wie es sie auch in der “miesen”, verlogenen Politik der Autokraten gibt, als etwas, das die Begeisterten übersehen oder vielleicht diskontieren als notwendig für die Kunstillusion, Kunst als Verteidigungsstellung.
Weiterhin gilt:
Ästhetik + Politik => Faschismus.
@Andre: Gewünscht hätte ich mir eine mehr inhaltliche Replik auf meinen Beitrag und nicht einen Angriff auf seine Rhetorik, auch wenn er vielleicht in Teilen berechtigt zu sein scheint. Solche Argumentation ist m.E. stets ein Ausweichen vor dem Thema (Relevanz der Kunst). Insofern lohnt es sich für mich nicht, weiter darauf einzugehen. Soll denn Kunst und Politik etwa stets Faschismus sein, frage ich. Und wie wird dann so Faschismus verstanden?
Inhaltlich ist die Frage wie sich “Faschismus” im gegenwärtigen Zustand der Produktivkräfte entfaltet. Wenn man den klassisch linken Faschismusbegriff benutzt statt das, was Österreicher Wiederbetätigung nennen, kann das fruchtbar sein, zugleich aber auch inadäquat, weil die Verhältnisse sich verändern. Ein prä-TV, prä-Internet Faschismusbegriff ist natürlich historisch.
Vom ZPS ist bekannt, dass sie sich stark an Carl Schmitt orientieren und Kampagnen als Kunst mit dem hart polarisierenden Entweder-Oder fahren. Ruch hat eine an klassisch faschistischen Denkmustern der Zwischenkriegszeit geschulte Apologetik veröffentlicht. Der Gedanke war wohl, dass alle darauf reinfallen. Also linksliberale Themen in eine autoritäre Freund-Feind Konstellation zu ziehen, die den Widerspruch moralisch verdammt und den autoritären Reflex der politischen Linken ideologisch verkitscht. Das Interessante in der Rezeption ist, dass die Brüche ganz verdrängt werden. Kunst als Bemäntelung des Inadäquaten, so wie die alt-right sich des Zwincker-Smilies bedient.
Die Frage ist, ob Kunst die Unruhe zeigen kann. Das leistet die Kunst der Romantik bis Richard Strauss, weil sie das Spannungsverhältnis, den Bruch der Verhältnisse individualistisch, allerdings nicht gesellschaftlich thematisiert ohne es lösen zu können und zu wollen. Romantik ist nicht feindfrei, es bedarf des Philisters als Schiessbudenfigur der Empfindsamkeit des Kunstverständigen. Interessanterweise fällt die endgültige Überwindung der Romantik durch die Moderne mit dem Ende des Krieges zusammen.
Unter Demokratie verstehe ich die tatsächliche gesellschaftliche Gestaltungsmacht des Volkes, die sich in der Möglichkeit des Widerspruch zum Herrschenden korrigierend zur Wort meldet, zum Beispiel durch Abwahl.
Für mich als die Frage: Wie ist feindfreier, pluraler Diskurs möglich? Oder sagen wir mal aufgeklärte Feindschaft, die sich nicht an ihr entzündet, und den Widerspruch aushält?
Ich will es an einem Beispiel verdeutlichen: Die uns an allen Ecken um die Ohren schallende polemische Diskussion um Muslime und islamistische Gewalttäter. Die Verkürzung des Menschen auf die Großreligion, das vollkommene Unverständnis innerislamischer Spaltung (Shia, Sunni) und innermuslimischer Nationalitätenkonflikte, und die Stärkung von extremen Ausformungen wie Verschleierung und antiwestlicher Gewalt als Marker. Beides charakteristisch für den rechten und den mehrheitsgesellschaftlichen Diskurs, der eine Pluralität plattwalzt und die Extreme als Identität stärkt. Aber auch Ablenkung von tatsächlichen Problemen wie Steuerflucht, Fluchtursachen und bröckelnder Solidarität in der Gesellschaft und Zerstörung von Identität.
So wie in den 90ern ein riesiger Bohei um RAF-Terroristen, Asylmissbrauch, Satanisten, Neonazis gemacht wurde, ist das aktuelle Feindbild der Gesellschaft der islamistische Gewalttäter respektive die Bedrohung von rechts (die an das erinnert, was in den 80ern als CDU-Rechte im Parlament saß). Wenn Angst im Vordergrund steht, ist das gefährlich für das Denken, und dann bedeutet Aufklärung Gelassenheit und Reinigung der Urteilskraft von Feindbildern, und Konzentration auf tatsächliche Vermachtung.
Kunst soll irritieren, verstören. Kitsch vereinfacht und beruhigt. Die Beschreibung der 911 Anschläge als Kunst durch Stockhausen ist ihm übel bekommen. Es bleibt aber wichtig die Kunst als echten Irritator, nicht als Versöhner zu erhalten, und das erratische Moment der Politik (Trump etc.) zu neutralisieren. Mit dem Film “Four Lions” ist das gelungen. Mit der Antwort auf 911 mit Feuerwehrheldenkitsch und der politischen Ablenkung des Drucks durch Kriegsgeschrei und Angriffskriege in Richtung mittlerer Osten nicht.
Angstgetriebene Politik ist mächtig, in allen Lagern. Die Kunst muss an Widersprüche heranführen und auf andere Art versöhnen als der Kitsch. So wie der Plot von Buster Keatons The General (1926), dessen Held ein glühender Patriot der Südstaaten ist, also auf der “falschen Seite” kämpft. Bei ZPS könnte das ein homerisches Lachen über den Versuch sein, Antifaschismus mit dem Baukasten faschistischer Ideengeschichte zu inszenieren. Dass es nicht klappt, liegt an dem fehlenden Unernst des ZPS in dieser Ebene. Schon der Begriff der “Schönheit” in der Politik ist (anders als in der prämodernen Kunst) faschistoid, also eine ähnliche theoretische Provokation wie biologistisch für Multikultur zu agitieren. Und es geht ja nominal um “politische Schönheit”, nicht “schöne Kunst”. Da fragt man sich dann, ob das eingesetzte Mittel umschlagen kann, wenn es schon keiner richtig bemerkt, was da eigentlich aufgetischt wird.
@Andre: Diese detaillierten Ausführungen zu Kunst und Faschismus führen weiter. Dank dafür. Als Künstler ringe ich um eine gesellschaftliche Orientierung für das, was ich als KUNST ansehe. Dabei ist ein Reiben an aktueller Kunst unerläßlich. Der Popularität der ZPS Künstler ist dabei kaum zu entgehen. Wie schnell Kunst ins Gegenteil (Kitsch aber auch Faschismus) umschlagen kann oder zu missbrauchen ist, ist hinlänglich bekannt. So sind Diskurse, wie ich sie hier mit meinem Beitrag erhoffe, notwendig. Sie stellen in Frage, was medial als gesichert präsentiert wird. Dabei ist der dadaeske Moment des Narren ein wichtiger Aspekt. Denn Narren vertragen Diktatoren und Diktaturen am wenigsten – wie jüngst am Beispiel Böhmermann/Erdogan deutlich wurde. Fehlt es daran etwa dem Zentrum für politische Schönheit – ist es „der fehlende Unernst“? Und ist damit letzten Endes das ZPS überhaupt relevant für heutige gesellschaftliche bzw. künstlerische Reflexionen bzw. Reaktionen?
Notwendige Anmerkung zum ZPS aufgrund dessen Twitter-Tweet vom 28.04.18 zur Außenpolitik von Heiko Maas wegen einer Annäherung zu Russland. Auch Künstler sind Menschen und damit fehlbar ! Es schmerzt, auch dem ZPS das unterstellen zu müssen, die sich dem ideologischen Russland/Putin-Bashing des Mainstream hier total anschließen und offenbar nicht in der Lage sind, eine differenziertere Sicht zu haben..
Welche Rolle spielt das ZPS aktuell im Diskurs von Kunst und Politik?