Gemeinschaftsgefuehl ist eine schwierige Sache. Ich wollte eigentlich immer Fussballer werden. Nur muss man dazu guter Fussballer sein. Und das war ich nicht. Im Gegenteil. Ich war richtig schlecht. Ich hatte nicht verstanden, dass nicht der Ball zu mir kommt, sondern ich zum Ball gehen muss. Und wenn man kein guter Fussballer ist, wird man beim Tip-Top auch nicht als Erster ausgewaehlt. Trotzdem kenne ich kein so intensives Gefuehl von Gemeinschaft innerhalb einer Gruppe, wie das als Kind auf dem Fussballplatz. Spaeter, in der Pubertaet, sublimierte sich der Wunsch nach Gemeinschaft in kulturellem Interesse. Gemeinsam mit Freunden malte ich. Ich weiss nicht mehr, ob ich Architekt und Kuenstler oder Architekt oder Kuenstler werden wollte. Aber Kunst und Architektur, das war es.
Mit 16 oder 17 baute ich mit zwei Freunden einen alten Ziegenstall in ein Atelier um. Da ging es aber nicht um Abstraktion, sondern um Konkretion. Also nicht die Abstraktion von etwas Gegenstaendlichem, sondern die Reduktion auf etwas allgemein sinnlich Erfahrbares. Und so malte ich Farbflaeche um Farbflaeche, und variierte auf der Suche nach der konkreten Erfahrung den Glanzgrad der Oberflaeche. Eines meiner haeufigsten Bildmotive, [soweit man bei Colorfield-Painting von Bildmotiven sprechen kann] war damals der Rahmen, also das Verhaeltnis zwischen umschlossenem, umschliessendem und ausgeschlossenem.
Im Laufe der Zeit haben sich meine Interessen weiterentwickelt, verfeinert und transformiert. Heute bin ich ein merkwuerdiger Zwitter zwischen Architekt, Theoretiker und projektbezogenem Kulturproduzent. Gemeinschaft ist immer eines der Hauptthemen von Architektur und Stadtplanung: wie generiere ich Gemeinschaft, im Falle von Architektur und Staedtebau durch raeumliche Inklusion und Exklusion. Deshalb wird Architektur ja immer wieder von autoritaeren und totalitaeren Regimes instrumentalisiert. Der Anspruch der Moderne ist da gescheitert.
Gemeinschaft und das Gemeinsame ist auch Thema meiner beiden aktuellen Projekte. Mit Jens-Uwe Fischer habe ich das Buch >Sozialistische Cowboys – der Wilde Westen Ostdeutschlands< geschrieben. Darin geht es um die fiktive Gegen- und Fluchtwelt, die als Hobby in der DDR entstanden ist. Eine Gemeinschaft, die der Realitaet des real-existierenden Sozialismus zu entfliehen suchte, in dem sie in der Freizeit wie Indianer und Cowboys verhielten. Als Gemeinschaft von Rothaeuten und den Vertretern des amerikanischen Landproletariats.
Der Wilde Westen wird fuer sie zur Gemeinschafts-Stiftenden Fiktion, die raeumlich und medial konstruiert wird. In Schrebergaerten entstehen Westernsaloon, einmal im Jahr wird die Indian Week veranstaltet, auf der ueber 1000 Indianisten in Tipis >endlich mal echt indianisches Leben<. Das ganze als Grass-Roots-Bewegung, unter den schwierigen oekonomischen Bedingungen der DDR. Gleichzeitig wurde staatlicherseits ein mediales Bild des Wilden Westens produziert, in dem der Indianer, als Rothaut und Unterdrueckter des imperialistischen Klassenfeindes, die positive Identifikationsfigur war.
Mit dem Ende der DDR verschwand die Indianerbegeisterung. An die Stelle der Indianer im Reservat ist eine neue amerikanische Fiktion getreten. Viele, die frueher Indianer spielten, finden ihre Gemeinschaft heute im Reenactment, also dem Nachstellen des amerikanischen Buergerkrieges. Und identifizieren sich dabei mit den Suedstaatlern. Denn die, wie mir eine begeisterte Buergerkriegs-Sanitaeterin erklaerte, haetten den Krieg militaerisch verloren, aber nicht moralisch: >Denn sie haben ihren Stolz behalten<. Anscheinend sind nach der Oeffnung des Reservats nun der Verlust von Heimat und der ungebrochene Stolz der Verlierer die Projektionsebene, auf der sich das Gemeinsame konstruieren laesst.
Mit einer ganz anderen Form von Gemeinschaft habe ich es in meinem Projekt Updating Germany zu tun, dem Deutschen Beitrag fuer die Internationale Architekturbiennale in Venedig, den ich derzeit gemeinsam mit Matthias Boettger kuratiere. In dieser Ausstellung beschaeftigen wir uns mit jenen Formen der Raumproduktion, die für das, was wir heute nachhaltige oder oekologische Architektur nennen, neue Folien werden.
Bei diesem Thema haben wir es mit einer unfreiwilligen Zwangsgemeinschaft zu tun, ein Phaenomen, das man mit Peter Sloterdijk als doppelte karmische Kruemmung bezeichnen koennte. Denn heute haben wir es mit einer Weltgemeinschaft zu tun, bei der alle die Folgen des Handelns Einzelner zu tragen haben. Die Automobilisierung Chinas trifft das Klima in Europa gleichermassen. Aber dieses objektiv vorhandene Gemeinsame erleben wir gar nicht als solches. Sonst wuerden wir ja anders handeln!