Nach dem Weltbeben ist vor dem Weltbeben

Weltbeben!? Zunami, kenn ich, ist doch diese Monsterwelle, irgendwo in Asien. Ich erinnere mich noch gut daran, ist so als waere es gestern erst passiert. Damals haben wir doch alle fuer die da gespendet. Fand ich toll, soviel Sympathie fuer die armen Leute da unten. Doch, das hatte was, die ganzen Konzerte und die Wohltaetigkeitsgalas. Damals ist die Welt enger zusammengerueckt, man hilft ja schliesslich, wo man kann. Jetzt vor Weihnachten werde ich auch wieder spenden, ist schliesslich das Fest der Liebe und es gibt einem ja auch so ein gutes Gefuehl, wenn man wo helfen kann… und bla und blubb und haste nich gesehen!

Nach dem Weltbeben ist vor dem Weltbeben. Man moege mir verzeihen, dass ich einen lapidaren Satz aus der Sportwelt ausgeliehen habe, um einen nicht geringen Teil der Verarbeitung des >Weltbebens< zu charakterisieren. Wir sehen kaum mehr auf die Weltkarte, um nachzusehen, wo das mit dem Zunami passiert ist. Ganz ohne jeden Zynismus: Es war bewegend zu erleben, wie sich so viele zusammentaten, um zu helfen und die Selbstverstaendlichkeit mit der dies alles geschah. Der Sturm der Hilfsbereitschaft fegte so sehr durch die Gemueter, dass ich selbst und wohl auch viele andere mit mir nichts anderes mehr gesehen haben. Wir waren zwar nicht davon betroffen, aber es machte uns doch betroffen, dass wir den Naturgewalten ausgeliefert sind. Schlimmes Ding, wenn man in seiner Naivitaet gestoert wird und merkt, dass es Dinge gibt, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Dinge, die einfach so geschehen, ohne jede boese Absicht und Hinterhaeltigkeit, weil sie Teil eines komplexen Zusammenhangs sind, der einer Eigendynamik folgt. Ich finde es toll, dass es Bemuehungen gibt ein Fruehwarnsystem in den Weltmeeren einzurichten. Aber ganz im Vertrauen, ein Blick auf die Hoehenlinien des eigenen Wohnortes beruhigt doppelt, wenn man feststellt, dass selbst wenn die Polkappen und so einiges mehr abschmelzen, die eigenen Fuesse trocken bleiben.

5 Kommentare zu “Nach dem Weltbeben ist vor dem Weltbeben

  1. was Du schreibst, ist ziemlich ambivalent, ich hoffe, das ist beabsichtigt. auf der einen seite “hilfsbereitschaft” und noch nicht mal wissen wofür genau, für wen und wo die leute herkommen – also ohne bezug zum empfänger. auf der anderen seite “betroffenheit”, aber auf der sicheren seite des lebens, denn uns kann sowas selbst bei drohender klimakatastrophe nicht passieren.

    für mich klingt das sehr nach einem vakuum, in dem wir uns eingerichtet haben – vielleicht passt es deshalb so gut, dass die urlaubsghettos ebenfalls als vakuum in szene gesetzt werden, wie duccio canestrini gestern in seinem protokoll schrieb:

    http://www.berlinergazette.de/index.php?pagePos=12&id_text=55965&id_language=1&bereich=&aktiv=

  2. Ich glaube, der (selbst-)ironisierende Ton verrät recht deutlich, was hier beabsichtigt ist.
    Damit gibt der Text mehr her, als schlaue Reflexionen, die sich selbst immer ausnehmen von der Sache, aus dem “Vakuum” sprechen.

    Aber: Was wäre eigentlich die Alternative? Was müssen die Leute tun, denken, sagen, schreiben, damit sie nicht im Vakuum sitzen?
    Ist es falsch, wenn die Oma von nebenan spendet, ohne vorher im Dierke-Atlas nachgeguckt zu haben, wo Phuket liegt?
    Reicht es, dass einem die Spendenwut so lächerlich wie der Hype um den Tod von Prinzessin Diana erscheint? Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder ist das nicht noch vakuöser?

  3. nichts liegt mir ferner als nur den Zyniker geben zu wollen.
    Ich habe in meinem Kommentar zum Thema “Nach dem Weltbeben ist vor dem Weltbeben” versucht das Wechselbad der Gefühle sichbar zu machen, dem ich mich ausgesetzt sehe, wenn ich in meinem Arbeits- und Alltagswelt, sowohl im Schüler- oder Kollegenkreis, auch im Bekanntenkreis den Wechsel zwischen hysterischer Bemühtheit, fanatischer Coolness und handelsüblicher Oberflächlichkeit erlebe.( Die Reihenfolge ist eher zufällig zustande gekommen.)
    Ich muss anmerken, dass ich, bei aller Bemühtheit, auch nicht immer so edel bin, wie ich mich selbst gern immer sehen würde. Genaugenommen spiegelt mein Kommentar einen großen Teil meiner eigener Hilflosigkeit im Umgang mit dem Thema wieder.
    Ja, wir haben uns in einem Vakuum eingerichtet und, wenn wir uns selbst gegenüber ehrlich bleiben wollen, müssen wir zugeben, wir versuchen nur allzu oft zu vermeiden und von uns fern zu halten, was uns in diesem Zustand stören könnte.
    Gerade wo ich diese Zeilen schreibe, drängt sich mir ein anders Bild auf, dass unsere Situation vielleicht deutlicher werden läßt.
    Wir befinden uns in Auge eines Hurrikans und sehen, um uns herum immer schneller drehend, sich die Katastrophe entwickeln. Das Betreben, im Kleinen wie auch in großen Dingen Zustände zu verändern etwas zu bewegen, läßt für mich das eigene Tun und Handeln oft wie das eines Don Quijotes erscheinen.
    Ich will nicht aufgeben meinen winzigen Beitrag zu leisten, um ein Bewußtsein dafür zu schaffen, in welcher Situation wir uns befinden, …
    … wäre da nicht diese schizophrene Situation des um uns herum tobenden Hurrikans und wir darin in dieser scheinbar sicheren Situation. Wer will schon etwas von einer drohenden Gefahr hören ?
    Ja ist doch gut, nun reg dich mal nicht so auf! Selbstverständlich sehen wir dieses Drehen, aber man kann doch nicht immer die Pferde scheu machen . Gefährlich wirde es doch erst dann … wenn sich das Ding da anfängt zu bewegen!

    Wirklich betroffen werden wir zumeist nur dann, wenn es uns trifft.
    Na dann, bis dann
    Hermann – J. Stumm

  4. @susanne: sich von der sache ausnehmen? wenn ich “wir” sage (“für mich klingt das sehr nach einem vakuum, in dem wir uns eingerichtet haben”), dann meine ich natürlich auch mich damit. ich bin teil dieses vakuums, das macht diese sache nicht gerade angenehmer : )
    was wir tun können? veranstaltungen machen, auf denen man sich über die situation austauschen kann; diskussionen anregen; es muss insgesamt mehr auseinandersetzung her!

    @hajo stumm: mir scheint der begriff der “betroffenheit” klärungsbedürftig. sind wir nur dann betroffen, wenn wir uns betroffen fühlen? ich denke nein. denn dann wären wir wir so gut wie nie betroffen bzw. nur dann wenn es gerade und soweit es uns passt. waren wir von dem “weltbeben” betroffen? ja. unmittelbar, auf unterschiedlichen ebenen, und insgesamt scheint es ganz gut geklappt zu haben, dies auszublenden.

  5. Ich bin betroffen, wenn es mich trifft.

    Wenn es, was auch immer es ist, mich trifft, bin ich ein Betroffener.
    Betroffen zu sein heißt für mich, ich werde berührt, wie auch immer, sei es physisch oder psychisch.
    Dieses Berührtsein auf körperlicher oder geistiger Ebene läßt mich, mit dem Gedanken an eine angemessene Reaktion, als Versuch einer Lösung auf das Bedürfnis, eine als eine nicht in Ordnung empfundene Situation korrigieren oder retten zu können, handeln, denn die auslösende Erfahrung, verursacht einen unangenehmen, körperlich erfahrbaren Zustand, ganz gleich ob es mich trifft, betrifft oder andere Individuen betrifft, getroffen hat.
    Die Heftigkeit meines Betroffenseins manifestiert sich in der Intensität meines Daraufreagierens.
    Ganz gleich welchen Ursprungs auch immer, Betroffenheit geht für mich immer einher mit emotionaler Befindlichkeit. Sie kann sich soweit steigern, dass sich aus meinen spontanen Handlungen systematische entwickeln, die sich weiter festigen und später dann zu einer inneren Überzeugung wachsen können, die mein weiteres Tun auf eine rationale Basis bringen.
    Da für mich dies alles immer einer unkalkulierbaren, emotionalen Ebene entspringt, gilt für mich auch weiterhin der einleitende Satz. Ich bin betroffen, wenn es mich trifft.

    Hermann – J. Stumm

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