Das tägliche Leben – ein Spagat zwischen Pragmatismus und Kreativität. Anne Köhler kennt das aus eigener Erfahrung: Sie arbeitet, um ihr Schriftstellerdasein finanzieren zu können. Nebenjobs, die vom Schreiben abhalten. Nun fragt die Literatin: Was passiert, wenn Kunst und Finanzen aufeinander treffen? Und wer hat Angst, alles auf eine Karte zu setzen?
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Es begann damit, dass ich für jetzt.de, das junge Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung, eine Kolumne schrieb. Mit Online-Texten verdient man keinen solchen Haufen Geld, dass sich mein – eher prekäres – Arbeitsleben gravierend verändert hätte. Aber aus dieser Kolumne entstand ein Buch.
Ein Buch, in dem ich von Jobs erzähle, die ich machen musste, weil das Schreiben nicht genug Geld zum Leben abwarf. Also von Jobs, die mich vom Schreiben abgehalten haben. Dass ausgerechnet daraus mein erstes Buch entstand, war ein absurder Glücksfall.
Bei einer gewöhnlichen Vollzeit-Stelle bleibt zu wenig Zeit für die Kunst. Insofern verzichte ich, wenn ich von Nebenjobs lebe, vielleicht auf „das große Geld“ zugunsten meiner künstlerischen Arbeit. Das heißt aber nicht, dass diese nicht auch angemessen bezahlt und gefördert werden sollte. In den meisten Fällen kann richtig gute Kunst nicht nur ein „Hobby“ sein, dem man sich in seiner Freizeit widmet. Und schließlich ist man sich doch weitläufig einig, dass die Gesellschaft Kunst und Künstler braucht.
Kunst hat nicht nur das Recht, gesellschaftskritisch zu sein, sondern es ist auch ihre Aufgabe. Kunst stellt Fragen, die uns dazu bringen, über uns nachzudenken – und nicht nur in angenehme Richtungen. Es geht darum, dort hinzuschauen, wo man sich auch einmal fürchtet. Wo man sich Unsicherheiten eingestehen, den eigenen Weg in Frage stellen muss. Eben dorthin, wo es unbequem wird.
Die Gefahr der Abhängigkeit von Kunst und Finanzen
Die Gesellschaft profitiert davon, wenn Diskussionen im Gang sind, wenn Missstände beleuchtet und Dinge hinterfragt werden. Natürlich nicht nur politisch, sondern auch sozial und zwischenmenschlich. Eine Gesellschaft wächst daran. Insofern darf der Staat Kunst keinesfalls reglementieren oder zensieren. Natürlich ist das insgesamt schwer, wenn man sich fragt, wie ein Geldgeber entscheiden soll, was Kunst ist und was nicht. Wer ist förderungswürdig? Das ist eine knifflige Angelegenheit.
Wenn Kunst und Finanzen voneinander abhängig sind, birgt das natürlich Gefahren. Zum einen steigt der Druck auf Künstler, „profitable“, also gut konsumierbare Kunst zu produzieren. Mit der Kunst Geld zu generieren. Damit wird die Kunst Teil der Wirtschaft. Dieser Erfolgsdruck ist unglaublich groß – und für die meisten in ihrer Weiterentwicklung, was die Kunst angeht, wohl nicht besonders hilfreich.
Nicht zu vergessen: Eine geballte Ladung an Künstlern, wie in Berlin zum Beispiel, kann auch anstrengend sein. Es gibt so viele Veranstaltungen, dass man gar nicht alles wahrnehmen kann, was da ist. Wenn alles ein bisschen überschaubarer von der Quantität ist, ist es leichter, die qualitativ hochwertigen Sachen zu entdecken. Und wo sehr viele Künstler sind, ist natürlich die Förderung auch entsprechend höher. Das heißt aber nicht, dass es auch leichter ist, gefördert zu werden…
Kann Broterwerb glücklich machen?
Manchmal frage ich mich, ob Schreiben und Brotjob in einem überhaupt die Erfüllung wäre, oder ob es nicht vielleicht wünschenswerter ist, beides voneinander zu trennen. Das Schreiben könnte freier bleiben, vielleicht auch sorgloser, weniger belastet. Meine Buchveröffentlichung hat für eine Weile die Finanzen entspannt, aber dann war ich schnell wieder im alten Trott.
Stefan Mesch hat mich ein einem Interview für die ZEIT gefragt: „Glaubst du, du hast so viele Jobs hinter dir, weil du dich fürchtest, zu viel auf eine Karte zu setzen?“
Das ist eine kluge und zugleich beunruhigende Frage. Natürlich ist sie sehr persönlich, gleichzeitig kann man aber von der persönlichen Antwort sicher auch ganz allgemeingültige „Probleme“ bzw. Phänomene unserer Zeit erkennen. Ich habe viele Interviews zu meinem Buch geführt, aber ich wurde nur selten gefragt, ob es einen „perfekten“ Job gibt, einen, den ich mir vorstellen könnte, für immer zu machen. Was das Glück an einem (festen) Job ausmachen kann. Aber darum geht es doch letztendlich.
Anm.d.Red.: Mehr zum Themenfeld “Kreative und Selbstorganisation” gibt es auf der Webseite des Berliner Gazette-Projekts Büro für Qualifikation und Vermögen.Das Foto oben zeigt Jugendliche in Budapest, aufgenommen von Noëlle Pujol.
Was 5 Studiengänge und mit keinem ist Geld zu verdienen??
Was soll das Gejammere, unerträglich…Manche haben nicht die Wahl.
Danke für den spannenden Text! Was denkst du über das bedingungslose Grundeinkommen?
Yo Trudi, manche haben nich die Wahl, stimmt, aber mit diesem Privileg geht’s mir nich besser. Es sei denn, ich wäre in der Lage mich gedankenlos der Verherdung der Gesellschaft anzuschließen, den oberflächlichen Dienst am Dasein genießen und dann mit einem kleinen Batzen Kohle fröhlich konsumieren zu gehen. Doch in manchen regen sich da Widerstände. Denn wir ham kein Bock diese ungerechten Privilegien abzufeiern und auf der zum Himmel schreienden Ungerechtigkeit tatenlos sitzen zu bleiben.
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Manchmal frage ich mich, ob Schreiben und Brotjob in einem überhaupt die Erfüllung wäre, oder ob es nicht vielleicht wünschenswerter ist, beides voneinander zu trennen.
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Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Das in aller Regel broterwerbsuntaugliche Schreiben wäre hiernach in die Kategorie Schnaps einzuordnen.