Egal, wo ich heute wohne, wer ich bin und wie ich mich artikuliere, mein Ursprung liegt im topographisch und dialektal platten Muensterland. Meine Geburtsstadt fuehrt das schoene Motto: “Kiek de aes wier drin, woar iaetten un drinken un fiern spass maeck un woar use wichter un jungs kueernt noch up platt kueern” [Schau mal wieder rein, wo gerne gegessen, getrunken und gefeiert wird und unsere Maedchen und Jungen noch Platt reden koennen]. Diese Stadt heisst Rheine und ich habe sie 1996 nach dem Abitur verlassen. Danach verlor ich, trotz regelmaessiger Besuche bei meinen Eltern, das Gefuehl fuer die Muensterlaendische Mentalitaet.
Um das zu aendern, reiste ich kuerzlich in doppelter Mission, die Seele meiner Heimat und den Reiz einer Wallfahrt zu erkunden, einmal mehr nach Rheine. Im Muensterland ist man so katholisch wie in Bayern. Hier und dort liegen die meistbesuchten Pilgerorte Deutschlands Telgte und Altoetting. Jahr fuer Jahr, seit 1676, wallfahrten Rheinenser Pilger von der Kluse [Kapelle] in Altenrheine zur Schmerzhaften Mutter Gottes in Telgte, einer Pietá aus Lindenholz unbekannter Herkunft von ca. 1370, die eines Abends einem jungen Bauernburschen in einer Linde erschienen war und ihn beauftragt hatte, sie unter die Menschen zu bringen.
Zu ihr machte ich mich auf, gemeinsam mit meinem Onkel, der seit 50 Jahren alljaehrlich diese Wallfahrt unternimmt. 100 Kilometer zu Fuss [hin und zurueck]. Nun weiss ich, warum unterwegs soviel von Schmerz und Qual die Rede ist, es geht um Synaesthesie. Man betet, besingt und hoert die Leiden Jesu und Mariae und gleichzeitig naehert man sich durch die eigene Erschoepfung und den Schmerz in Fuessen und Beinen diesem Leiden an. Hat man Telgte erreicht und zieht mit Orgelbegleitung in St. Clemens ein, wo einen die Mater Dolorosa mit Goldkrone erwartet, so stehen einem, vor Erschoepfung und Erleichterung die Traenen in den Augen.
Ein aussergewoehnliches Erlebnis eigener Ordnung. Wohl auch, weil es eine von Laien durchgefuehrte Wallfahrt ist, wodurch sie umso lebendiger wird, da sie den Staub und die Starre von 2000 Jahren Klerus abzuschuetteln vermag. So muss sie aussehen, die lebendige Kirche. Und die Muensterlaender? Ein sehr eigenes aber, wenn man sich von der elefantoesen Dickhaeutig- und koepfigkeit nicht schrecken laesst, doch liebenswertes Volk. Man spricht >nach< wie >wach<, Tueren und Fenster werden losgemacht [geoeffnet] und man ist sehr direkt. Der Humor ist derb, aber Spass verstehen und lachen, dass koennen die Menschen dort, wie ja ueberhaupt alle guten Katholiken.
Also, jetzt mal ehrlich: Wenn ihr könnt, setzt nie einen Fuß ins Münsterland! Münster selbst hat den zweifelhaften Preis der “lebenswertesten Stadt der Welt”, http://www.muenster.de/stadt/livcom/index.htm Was das heißt, ist wohl klar: Müslifuttern, Fahhrradfahren, Bioladen-Terror, zum Freizeitvergnügen freigegebene Grünflächen und um acht die Bordsteine hochklappen!
Bin ich froh, dass es auch dreckige und laute Städte gibt, wo die Unvernunft noch zum Guerilla-Grillen reicht.
hm, vielleicht haben nicht nur Altötting und Telgte was gemeinsam, sondern auch die Alpen- und die Münsterlanddörfer? http://www.berlinergazette.de/?p=409
Im Münsterland, dem dunklen Hinterland, sind die Typen nämlich so inzest-irre, dass sie ihre Stadt Rheine nennen, obwohl sie die Ems vor der Tür haben.
So, das haste verdient, ich bin Halb-Allgäuer, Du Muschi!:)
Alle guten Katholiken haben auch ein explosives Verhältnis zu Sex – siehe Spanien und Lateinamerika. Ist das Münsterland mit den heissen, katholischen Regionen in dieser Hinsicht auf einem Level?
@Krystian: Wenn dem so ist, dann läuft das wohl hinter verschlossenen Türen, ist mir jedenfalls nie aufgefallen, dass dort viel “explosiver” Sex stattfindet, außer natürlich, wenn meine Wenigkeit beteiligt ist….