Am Eingang ein Schild: >Wir moechten darauf hinweisen, dass in der Ausstellung Kunstwerke gezeigt werden, die Ihre Gefuehle verletzen koennten.< Na, das klingt doch vielversprechend! Die Kunstwerke sind die von Cindy Sherman, einer Foto- kuenstlerin aus New York.
In den letzten 30 Jahren hat sie massgeblich an der Entwicklung der Fotografie von der Moder- ne zur Postmoderne teilgehabt und so die Kunstszene ent- scheidend gepraegt. Heute haengen ihre Bilder weltweit in re- nommierten Museen fuer moderne Kunst, vom Centre Pompi- dou ueber das MoMA bis hin zum Tokyo Metropolitan Muse- um of Photography.
Shermans Themenkreis ist klar eingegrenzt. Objekt und Sub- jekt, weibliche Rollenklischees, Wirklichkeit und Fiktion. Auf bei- nahe jedem Foto ist sie selbst abgebildet, ist Fotografin und Fotografierte, Betrachterin und Betrachtete zugleich. Dennoch kommt nie Langeweile auf, da es ihr, bildlich gesprochen, ge- lingt, ihren Koerper als Leinwand fuer die Projektion eines gan- zen Universums an Charakteren einzusetzen. Von den ver- schieden Menschentypen in einem New Yorker Bus ueber ab- gehalfterte Filmdiven bis hin zu den Modellen der Modeindus- trie, immer wieder gelingt es Sherman, sich neu zu erfinden.
Durch Hinweise wie die sichtbare Schnur des Selbstausloesers, das groteske, karikaturhaft ueberzeichnete Make-Up ihrer Fi- guren oder den betont unnatuerlichen Lichteinfall bekennt sich Sherman klar zur Inszeniertheit ihrer Bilder. Sie ist fuer die Fo- tografie, was Brecht fuer das Theater war. Aber gerade durch diese Gestelltheit ihrer Bilder gelingt es Sherman, mehr ueber die reale Welt zu sagen, als die realitaetsheuchelnden, ihre In- szeniertheit zu verbergen suchenden Bilder der Filme, Magazi- ne, Werbespots und alten Meister, welche sie durch Parodie und Pastiche als Fiktion entlarvt.
Jedes von Shermans Fotos scheint dem Betrachter zuzurufen: >Bilder zeigen niemals die Wirklichkeit, lass dich nicht taeu- schen!< Sie verstoeren, aber weder durch die Plastikpuppen in sexuell eindeutigen Posen aus den Serien >Broken Dolls< und >Sex Pictures<, noch durch den Ekel, den die verwesen- den Leichenteile der Serie >Civil War< im Betrachter erregen, sondern durch ihre markerschuetternde Wahrheit, die rausch- haft-rasenden Assoziationen, die sie ausloesen und die Raet- sel, die sie aufgeben. Eine Werkschau Cindy Shermans ist noch taeglich bis zum 10. September im Martin-Gropius-Bau in Ber- lin zu sehen.
Hey, so stell ich mir Foto-Kunst vor, kein Authentizitäts-Zeug, sondern eine Art von Inszenierung, die nur Fotographie kann. Kann ich die Frau heiraten?
Die Frage kann ich leider nicht beantworten. Aber eins sollte dir klar sein, so wie mich ihre Kunst beim Betrachten umgehauen hat, hättest du starke Konkurrenz bei der Brautwerbung, mich!
Na, dann wollen wir doch mal sehen, wer das Rennen macht!