Globalisierungskritik, wie weiter? Antwort #10

Willkommen zur Politik der Abwechslung! Es gibt einen wachsenden Widerspruch zwischen der tatsaechlich existierenden Unverbindlichkeit, der >Tyrannei der Strukturlosigkeit<, auf der einen und dem Beduerfnis, sich in bekannten Strukturen wie Gewerkschaften, Parteien oder Bewegungen zu organisieren auf der anderen Seite. Beide Moeglichkeiten sind problematisch.

Aktivisten, besonders jene aus der Baby-Boom-Generation, denken ungern ueber das Potential von Netzwerken nach, da sie zu sehr fluktuieren – eine Angst, die moeglicherweise durch die Instabilitaet ihrer Altersversorgung verstaerkt wird. Netzwerke sind fuer ihre Unzuverlaessigkeit und Unwirklichkeit bekannt.

Wenn sie sich heute auch in nie zuvor da gewesener Weise vergroessern koennen und das Potential haben, in Echtzeit globale Politik von unten zu machen, so loesen sie sich doch mit gleicher Geschwindigkeit wieder auf. So wie die protestantischen Kirchen und die christlichen Sekten koennen linksorientierte politische Parteien und traditionelle Gewerkschaftsstrukturen Menschen die so sehr ersehnte Struktur fuer ihr Leben geben. Es ist schwierig gegen den heilsamen, therapeutischen Wert zu argumentieren, den solche Organisationen fuer die Gesellschaft und Gegenden, die unter starkem Druck des Zerfalls stehen, haben koennen.

Festzustellen ist, dass beide Modelle auseinanderlaufen. Sie stehen weder miteinander in Konkurrenz, noch ueberlappen sie sich notwendigerweise. Haltet die Synthese aufrecht! Denkt global, handelt lokal! Es klingt sehr naheliegend und das soll es auch. Was aber kann man in einer Situation tun, die von wachsenden Luecken, Bruechen und Spannungen bestimmt ist? Es ist naiv zu glauben, die alten Fuehrer der Gewerkschaften gaeben einfach so ihre Posten auf, und ebenso wenig werden politische Parteien ihre institutionellen Verpflichtungen fuer ein paar digitale Hipster riskieren. Die Frage, die sich daher stellt, lautet, wie man eine zeitweilige Koalition organisieren kann, im vollen Bewusstsein, dass Kulturen und Interessen auseinanderklaffen.

Dies geschieht in einzigartiger Weise unter den Blog-Aktivisten, zum Beispiel bei den >Muslimischen Bruedern< in Aegypten. Anstatt die zerfasernden Technologien >steuern< zu wollen, sollte man besser darueber nachdenken, radikal fuer die neue Generation Stellung zu beziehen und an der Zerissenheit teilzunehmen. Es ist hoechste Zeit, dass eine radikale Politik das Steuer uebernimmt und die zwanghafte Reaktion unterdrueckt, immer nur auf die zerstoererischen Konsequenzen hinzuweisen. Lasst uns die moralische Paedagogik loswerden und die sozialen Veraenderungen, die wir uns ausmalen, gestalten! [Anm. d. Red.: Der Autor hat diesen Text als Antwort auf unseren Aufruf eingereicht; in Gaenze ist er hier zu lesen.]

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