Deutsch in Mexico

Ich habe kaum Kontakt zu Deutschen in Mexico, habe mich immer von allem spezifisch Deutschen ferngehalten. Das haengt zum Teil mit der Rolle der nach 1945 nach Mexico eingewanderten Nazis zusammen, aber auch mit der Faszination vieler Mexikaner am Faschismus. Die Deutsche Schule ist zum Beispiel waehrend der Aera Cardenas Ende der 30er Jahre mit Hakenkreuzfahne durch Mexico Stadt marschiert. Die Fotos liegen in den Archiven. Mexico ist ja so etwas wie ein naturwuechsig faschistisches Land.

Da ist zunaechst der historische Klerikalfaschismus, der auf dem Marianismus aufbaut und sich in Mexico im Guadalupanismus aeussert [98 Prozent der Bevoelkerung], heute insbesondere in einflussreichen Organisationen wie den Legionarios de Cristo, mit denen z.B. die aktuelle Praesidentengattin verbunden ist, aber auch viele Politiker der PAN. Sie bestimmen die Kulturpolitik des Landes und verfuegen ueber viele Schulen und Universitaeten; in Rom zum Beispiel ueber eine Universitaet, in der es noch einen Lehrstuhl fuer Exorzismus gibt. Der Erfolg dieser Gruppen haengt auch damit zusammen, dass Mexico, ohne buergerliche Revolution o.ae., direkt vom Mittelalter in die Moderne gestolpert und eben in weiten Bereichen mittelalterlich geblieben ist. Daher die Macht der Corporationen.

Dann der Nationalsozialismus von Cardenas, der auf dem durch Korporationen kontrollierten Staat aufbaute. Das ging bis zur Gewerkschaft der Hausfrauen. Alle produzierten Filme mussten z.B. erst Cardenas vorgefuehrt werden, der dann das okay gab, Aenderungen vorschlug oder die Sache ablehnte. Goebbels laesst grueßen. Buñuel soll das so kommentiert haben, dass die Zensur die Phantasie anrege.

In den 40er-50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam dann noch das >mexikanische Wesen< hinzu. El Ser mexicano. Der Praesident Miguel Aleman hatte die Intellektuellen [die in Mexico immer organische, d.h. korrupte, mit dem jeweiligen Regime verbundene Intellektuelle sind] beauftragt, so etwas wie die mexikanische Ideologie zu entwickeln. Aufbauend auf Ortega y Gasset und Martin Heidegger [der heute wieder eine Renaissance an den Universitaeten erlebt] haben die Intellektuellen der Gruppe Hiperion die Ideologie des mexikanischen Wesens entwickelt, el Ser mexicano. Como Mexico no hay dos! Es gibt kein zweites Mexico. Ein heute bei aller Korruption etwas gefaehrlicher Slogan. Mexico ist bis heute ein Kazikenstaat, d.h. es gibt keine Individuen, nur Fuehrer und Gefuehrte. Darum ist viel von der Rasse und der mexikanischen Familie die Rede. Heute zeigt sich der mexikanische Faschismus vor allem in der Ideologie der mexikanischen Familie. Celebremos Mexico, feiern wir Mexico. Singen fuer Mexico, tanzen fuer Mexico und sich der auch einheimischen Monopole unterwerfen. Das ist Mexico unter der Herrschaft von Televisa und TV Azteca. Die Nation ist mehr als die Summe ihrer Individuen, sagt Enrique Krauze. Ein faschistischer Slogan. Dazu kommt der sogenannte Pakt von Chapultepec, in dem der reichste Mexikaner, Carlos Slim [der auch auf der Weltrangliste ganz oben steht, ein libanesischer Maronit und mit den Legionarios de Cristo eng verbunden], die mexikanische Elite aus Politik, Show und Geschaeft unter seine Aegide zwang. Und nun komme ich zum Ausgangspunkt zurueck: Bis auf die Hassliebe zu den USA, die zu einer enormen Amerikanisierung gefuehrt hat, sind Mexikaner bis auf wenige Ausnahmen dem Fremden gegenueber ueberhaupt nicht aufgeschlossen. Zu Hause ist es doch am schoensten, nichts geht ueber Mexico. Ausnahmen gibt es zum Beispiel in der Kunst, aber auch das ist neu. Rivera und Siqueiros wollten Mathias Goeritz noch wegen unmexikanischer Kunst ausweisen lassen. Deutsch spielt also im mexikanischen Spanisch kaum eine Rolle. Die wenigen Worte kommen ueber das Englische herein. Selbst an den Universitaeten spielt das Deutsche eine Untergeordnete Rolle. An der UNAM sind die Letras Alemanas mit maessigen Deutschlehrern und nicht mit Literaturwissenschaftlern besetzt. In der Philosophie benutzen Studenten wie Dozenten meist schlechte Uebersetzungen und ein paar unverstandene Schlagworte, was gelegentlich zu durchaus komischen Missverstaendnissen fuehrt. Also von Deutsch keine Rede. Aber auch das haengt mit der Angst vieler Mexikaner vor Fremden und der Fremde zusammen - die Kehrseite des mexikanischen Faschismus.

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