Germanische Genossenschaft

Ich lebe in Oslo, Norwegen, und arbeite als bildender Kuenstler. Ich veroeffentliche auch Prosa. Mit meiner Freundin und meinen beiden Kindern lebe ich in einer buergerlichen Gegend. Werktags gehe ich in mein Buero und arbeite dort. Am Wochenende haenge ich mit meiner Familie herum oder ich betrinke mich zusammen mit Freunden. Der Sommer in Norwegen ist hell und heiss, aber trotzdem irgendwie frisch, crisp. Der Winter ist sehr dunkel. Die Gesundheitsversorgung ist mehr oder weniger kostenfrei, und in den Kindergaerten soll es fuer jedes Kind einen Platz geben.

Deutsch habe ich waehrend der Schulzeit ueber einen Zeitraum von drei Jahren gelernt. Ich habe auch schon ein Jahr in Deutschland verbracht, als ich an der Staedelschule in Frankfurt am Main studierte. Daher verstehe ich Deutsch ziemlich gut. Natuerlich moechte ich die Sprache vernuenftig sprechen lernen, aber immer wenn ich mich mit Deutschen unterhalte, wechsle ich ins Englische. Das ist nicht nur meine Schuld, denn die Deutschen haben selbst die Angewohnheit, ins Englische zu wechseln, sobald sie glauben, dass dies besser funktioniert.

Deutsch wird derzeit in Norwegen kaum genutzt, aber viele Norweger kennen die Grundlagen des Deutschen; zumindest eine Art >Mock-German<. Norwegisch ist eine germanische Sprache, daher gibt es an sich eine Menge Aehnlichkeiten und viele Ueberschneidungen bei Begriffen und Ausdruecken aus dem taeglichen Sprachgebrauch. Aber die entliehenen Worte werden weniger. Trotzdem schwirren immer noch Begriffe wie >Besserwisser< oder >Fingerspitzengefuehl< durch unsere Sprache. Ueber allem steht die Anglikanisierung der norwegischen Sprache. Der Einfluss der deutschen Kultur geht derweil stetig zurueck. In einigen akademischen Kreisen, wie in der Philosophie, ist es allerdings weiterhin schwer, um das Deutsche herumzukommen. Wie die meisten anderen Norweger habe ich taeglichen Zugang zu den groessten deutschen Tageszeitungen. Generell wuerde ich gerne mehr deutsche Tageszeitungen lesen. Aber es ist zeitraubend, und ich mache es nicht besonders haeufig. Deutsche Filme kann ich mir im Kino ansehen, was ich aber nicht allzu haeufig mache, oder im Fernsehen, was ich etwas oefter mache. Und beides sehe ich mir immer auf Deutsch mit norwegischen Untertiteln an, da Filme in Norwegen nie synchronisiert werden. Ich bin damit gross geworden, den unterschiedlichsten amerikanischen >Trash< auf Video zu sehen. Ich habe mir hauptsaechlich Filme aus dem Mainstream angesehen und hatte meine ersten grossen Filmerlebnisse mit >Bullitt<, >Blues Brothers<, >Rocky< und >First Blood<, bevor ich dazu gekommen bin, endlose Naechte mit Massaker-, Schlitz- und Spritzfilmen zu verbringen. Meine erste hoch kulturelle Erfahrung mit dem Film kam mit >A Clockwork Orange< und mit dem deutschen Streifen >Fitzcarraldo<. Diese Filme habe ich gesehen als ich 15, 16 war. Kubrick hat immer noch einen grossen Einfluss auf meine Arbeit und Werner Herzogs >Aguirre – The Wrath of God< ist einer meiner dauerhaften Filmfavoriten. Die Krimiserie >Derrick< war ueber Jahre hinweg ein nationales Spannungshighlight an Freitagabenden in Norwegen, zumindest solange wir eine Politik des Mono-TV-Kanal hatten. >Derrick< ist immer noch ein beliebter Bezugspunkt, wenn es darum geht, zu portraitieren, was einige Leute fuer >stereotypisch deutsch< halten. Die Serie laeuft zwar nicht mehr, aber ich erinnere mich daran, dass ich sie als Kind gesehen habe. Vor einigen Jahren hatte ich die Deutsche Welle in meinem Flimmerkasten, aber das Kabelnetzwerk hat sich entschieden, sie rauszunehmen - das ist kein grosser Verlust fuer mich. Da es nicht wenige deutsche Touristen auf ihrem Weg Richtung Norden durch die Stadt fuehrt, kann man Deutsch auf den Strassen von Oslo hoeren. Wenn nicht hier, dann begegne ich der deutschen Sprache, wenn ich in Deutschland bin. Das passiert zwischen drei bis fuenf Mal im Jahr. Der Klang des Deutschen ist eng verbunden mit meiner Vorstellung von Deutschland und der deutschen Kultur. Wie gesagt, Deutsch und Norwegisch sind vom Sprachstamm her eng miteinander verbunden und in diesem Sinne bietet sich ein guter Vergleich an. Wenn man auf sehr altmodische und ernste Art eine Parodie ueber das Norwegische macht, klingt das in gewisser Hinsicht wie das Deutsche. Und das ist der Grund, warum der gesellige norwegische Ausdruck des Deutschen mit dem komischen Ausdruck verbunden ist. Wenn man die beiden Sprachen rigoros miteinander vergleicht, faellt auf, dass Deutsch etwas Lehrmeisterisches, Arbeiteraehnliches und Unpoetisches hat, was gleichzeitig durchaus lustig ist. Aber wenn sie sich die Sprache genauer anschauen, werden die meisten Norweger feststellen, dass das Deutsche detaillierter, praezisier und gruendlicher als ihre eigene Sprache ist - und dass sich dies oft in geschaeftlichen und kulturellen Produktionen widerspiegelt. Die deutsche Sprache spielt in meiner Kunstproduktion keine zentrale Rolle. Auf der anderen Seite sind meine Novellen voll mit Anglizismen und ich lasse auch deutsche und franzoesische - eher deutsche als franzoesische - Begriffe hier und da einfliessen, sehr oft mit humorvollen Absichten. In meiner ersten Novelle, >The Cocka Hola Company< spricht ein deutscher Arzt mit einem starken deutschen Akzent und in der original norwegischen Version ist das phonetisch ausgeschrieben. In meinen Novellen versuche ich, einen Euro-Mix darzustellen, wenn es um Sprache und kulturelle Referenzen geht und Deutsch spielt hier eine Rolle, weil es so eine kennzeichnende Sprache im europaeischen Kontext ist. In meiner letzten Novelle >Macht und Rebel< ist der Nacht- und Nebel-Erlass des Zweiten Weltkriegs einer der Hauptaspekte und ich habe einige deutsche Woerter in Bezug auf das Dritte Reich hineingepackt. In diesem Buch spiele ich mit der Bedeutung, der Verbreitung und der Aussagekraft von Symbolen. Nazisymbole werden dabei als Kardinalbeispiel genutzt fuer Symbole, die nie aus der >Mode< kommen, da sie mit einer Negativitaet behaftet sind, die man nur schwerlich in den Griff bekommt und folglich nur schwerlich ueberwinden kann. Ich behandle dieses Thema recht sarkastisch und deutsche Worte kommen hier und da vor. Meistens sind es Woerter, die an das Naziregime erinnern, wie beispielsweise der Name Siegfried Heil.

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