Keine Kratzer

Schwedensommer nennt Mutter das. Es ist zwar sommerlich aber nicht so richtig warm. Erinnerungsblitze: Die Sonne blinzelt durch aufgequollene Wolken. Ein staendiges Rauschen und der Wald riecht nach Blaubeeren. Der Boden im Ferienhaus knarrt, wenn du dich bewegst. Es ist klar: Du existierst.

Am Abend schmeisst ihr Forellen in die Pfanne und sitzt am Feuer. Du darfst noch kein Bier trinken. Du hast es auch gar nicht vor. Um elf Uhr ist es noch taghell und du sollst trotzdem ins Bett gehen. Die Erwachsenen sitzen draussen und reden die ganze Nacht hindurch. Und die Nacht kommt nur fuer zwei Stunden.

Am Morgen weckt dich das Rasseln der Cornflakes in den Schuesseln. Schnell, dann bist du vor den Bruedern da. Wasser ins Gesicht spritzen, T-Shirt und Hose ueberstreifen. Wo ist das Buch? Ach da. Alles komplett. Am Kuechentisch sitzt Mutter und blaettert. Im Schwedensommer trinkt sie nie Kaffee. Es gibt auch keinen Fernseher, kein Radio. Komisch. Schon im Erleben ist alles wie Erinnerung. Perfekt und ohne Kratzer. Selbst die Traenen nach dem Streit mit den Bruedern trocknen schnell. Und sogar das aufgeschlagene Knie schmerzt kaum.

Der Tag verfliegt und ist doch endlos. Es gibt viel >nichts< zu tun. In der Haengematte baumeln und die Wolkenstaedte beobachten. Im tiefen Waldsee baden gehen. Im Gras liegen und lesen. Wort fuer Wort fuer Wort. Und jede Seite noch einmal. Sonst ist das Buch zu schnell vorbei. Und nur zwei Stunden Dunkelheit durchbrechen den endlosen Tag. Ein Geraeusch in der Nacht. Die Fuesse auf dem warmen Waldboden. Er steht da und schaut dich an. Du kannst von der Seite nur ein Auge sehen. Er ist ein Riese, das Geweih thront auf seinem Kopf. Ein Knacks, ein Schreck. Ein Blick. Er ist weg. Und dort? Das ist schon wieder das Morgenlicht.

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