Das Radio brach durch einen Unfall in mein Leben. Es war kein eigener Unfall, aber ein nahegehender, denn ein nahestehender Verwandter brach sich beim freien Fall von der Leiter fernab seiner gefuehlten Berliner Heimat beide Fuesse. So lag er Wochen ans Bett gefesselt und tat zwangsweise vor allem eines: Zuhoeren. Er hoerte Radio. Tagein, tagaus. Nachrichten, Dokumentationen, Features, Berichte, Diskussionen, Interviews. >Sprachprogramm< koennte man es zusammenfassen. Hunderte Stunden Worte, die durch eine klaeglich kleine Box schallten und durchs Ohr ihren Weg sich bahnten. Nachhaltig.
Ja, nachhaltig, denn nachdem besagter Patient zumindest in passiver Sitzhaltung sich wieder der Grossstadt und damit dem schnellen Leben naeherte, blieb ein stetig nachhallendes Echo des Zwangsurlaubs zurueck. Dieses Echo gestaltete sich als steter Fluss ueberraschender Einwuerfe hier und da. >Habt Ihr eigentlich gewusst, dass? … Also geschichtlich bezieht sich dies auf … Etymologisch hat es ja einen ganz anderen Ursprung…< Die Antwort auf die Frage, wo denn dies oder jenes Argument herkomme war stets dieselbe. >Habe ich in einen Bericht im Radio gehoert<. Hat er also in einen Bericht im Radio drueber gehoert. Da verschlaegt es einem doch irgendwann die Sprache. Man sieht fern, liest Zeitung, sucht hier, schaut da. Schaltet um, blättert und denkt weiter. Die Ohren aber, sie nehmen anders auf. Vielleicht auch, weil niemand auf die Idee gekommen ist, ein Radiofeature im Stile der ausufernden, vielfach fragmentierten Fernsehdokumentationen [Story eins, Schnitt, Story zwei, Schnitt, Story drei, Schnitt, wieder Story eins...] zu gestalten. Kein Zwang zum Bild, keine Werbeeinblendungen. Es funktioniert technisch einfach nicht. Vielleicht also ist das Radio gar nicht so tot, wie man meinen moechte. Es ist nur beschraenkt. Nennen wir es fokussiert.
Das ist sehr richtig! Im Radio kann man mitunter sehr früh, sehr viel nützliche Informationen erhalten. Mich haben Radiofeatures für die von mir hier beschriebenen Kaukasisch-asiatisch-russischen Themen sensibilisiert und via Korrespondenten oder reisenden Autoren vieles von dem was aktuell geschieht, schon gute 12 Monate vorweg genommen. Abseits des Quoten- und Auflagendrucks anderer Medien blüht da eine Informationsoase. Allerdings gilt es auch im Radio viel unerhebliches Zeugs auszuhalten und die Rosinen rauszupicken. Und das ist das Problem: Man kann nicht umblättern oder weiterklicken…man muß oft lange zu- oder gegebenenfalls weghören!