Wenn ich mein Interesse an der Globalisierung beschreiben soll, ist es vor allem diese unglaublich einflussreiche Vorstellungskraft, die mich fasziniert, die Globalisierung zu einem wahnsinnig[en] Menschheitsprojekt macht, das sich mehr und mehr verselbstaendigt, sich permanent vervielfaeltigt und einfach ueberall wuchert. Globalisierung ist etwas, was wir alle machen – durch das Nachdenken ueber dieses Phaenomen, ueber unsere Mobilitaet, den Konsum, Vernetzung usw. Dem gegenueber wird Globalisierung oft auf die Konflikte des globalen Wettbewerbs reduziert, mit denen wiederum ein Rekurs auf oekonomische Sachzwaenge gerechtfertigt wird.
In der Globalisierungskritik treffen diese drei Sichtweisen beispielhaft zusammen: Ueber die Eroberung des Globalen, im alternativen Gestaltungsversuch der Globalisierung und nicht zuletzt ueber das Bestreben, den sich global fortpflanzenden Kapitalismus zaehmen zu wollen. Die Frage nach der Veraenderung etablierter Selbstbeschreibungsformeln von Gesellschaft ueber Phaenomene der Verdichtung und Vernetzung fuehrt fuer mich zu einer widerspruechlichen Einschaetzung. Denn die Beschreibungsebene dieser Phaenomene wird zunehmend mit ihrer Evokation vermischt.
Das Phaenomen der transnationalen Netzwerke etwa kann Nationalstaatsgrenzen transzendieren, aber auch neue Grenzen setzen, wenn Netzwerken zum Paradigma wird. In der Folge entstehen immer mehr exklusive Netzwerke, die es vorziehen, sich in Raeume mit intransparenten Strukturen und Hierachien zurueckziehen. Ueber diesen exklusiven Selbstbezug werden demokratische Regulationsweisen von Gesellschaft hintergangen. Gleichzeitig koennen solche Netzwerke aber auch fuer eine gerechte und nachhaltige [Welt-]gesellschaft eintreten. Das erscheint paradox und wirft neue Fragen auf.
Netzwerke der globalisierungskritischen Bewegungen zeichnen sich durch ihre hohe Vervielfaeltigungsdynamik aus, ueber die sich die urspruengliche Idee der zapatistischen Revolution mittlerweile weltweit fortsetzt. Den langjaehrigen politischen Feldforschungen bei Indigenas in Mexiko folgten von der peoples global action initiierte Proteste in Genf und wenig spaeter in Seattle, deren exponentielle Vervielfaeltigung und spezifische Niederschlagung sich heute an einem kapitalismuskritischen Netzwerk wie Attac in Europa beobachten laesst.
In Deutschland spielt aktuell mit der politischen Neuformierung der kapitalismuskritischen Linken der Parlamentarismus in die globalisierungskritische Bewegung hinein, was dazu fuehrt, dass Prozesse der Vernetzung und Verdichtung fuer die politische Inszenierung immer schneller vorangetrieben werden. Es fehlen aber noch Erkenntnisse dazu, wohin diese neue Form politischer Organisation fuer die Gesellschaft fuehrt. Das hat fuer mich etwas Faustisches. Denn, wer weiss schon, wie sich dieser Traum letztlich selbst erfuellt?
Die Frage nach der globalen Perspektive ist, wie bereits erwaehnt, ein Referenzrahmen von Globalisierungskritik. Es ist zunehmend die Welt als Ganzes um die gerungen wird. Globale soziale Bewegungen, NGO´s, der ganze Markt des Humanitaeren ist zu einem Niederschlagsort des Denkens in globalen Zusammenhaengen geworden. Dabei entzuendet sich Globalisierungskritik aber immer an spezifischen lokalen Schauplaetzen und es sind partikulare Gruppen, die eine ueberlokale Oeffentlichkeit suchen.
Ob es ein transnationales Unternehmen ist, das die Mitarbeiter besonders menschenverachtend ausbeutet und dafuer von nationalen Gewerkschaften skandalisiert wird oder ob es eine Regierung ist, die die Abholzung von Regenwaeldern toleriert und deswegen in die Kritik von Klimaaktivisten, Naturschuetzern und indigenen Gruppen geraet: Es sind lokale Schauplaetze, die die finstere Seite der Globalisierung repraesentieren. Folglich stellt sich die Frage, was lokal und was global ist und ob diese dichotome Vorstellung noch aufgeht bzw. wer von dieser Vorstellung profitiert.
Bezueglich der Transfers meiner wissenschaftlichen Arbeit mit >der< Globalisierungskritik ist mehr eine Kohaerenz denn eine Kollaboration festzustellen. Die zeitgenoessische Anthropologie legt Wert auf disziplinaere Selbstreflexivitaet, die ueber den kritischen Blick auf Globalisierungsungleichheiten vermittelt wird. Ueber dieses Interpretament kann meine konkrete Arbeit Globalisierungskritik Moeglichkeiten der Reflexion anbieten. Mit einer Anthropologie globaler Assemblagen werden neue Sichtweisen auf das Spektakel, das um die Globalisierung rankt, eroeffnet. Dies verfolge ich aktuell anhand einer Assemblage zum Klimawandel. Der G8-Gipfel in Japan spielt in diese Ueberlegungen, um die Frage aufzugreifen, nur beispielhaft hinein. Welche Raeume zur Gestaltung von Globalisierung die Massenmobilisierungen zu den G8-Gipfeln eroeffnen, bleibt fuer mich ein Thema der Proliferation. Zweifelsohne geschieht da sehr viel in Politik, Kunst und zivilgesellschaftlichen Raeumen der Selbstreflexion: den Medien und dem Internet da wird Vernetzen und Verdichten zum Eigenwert. Vielleicht ist es aber auch einer dieser grossen Globalisierungsfantasien zu verdanken, diese Events als Knotenpunkte, als symbolische Anhaeufungen einer Gegenwelt zu beschreiben. Aber was wird damit wirklich erreicht? Bzw. welche Wirklichkeiten werden damit erreicht? Welche Wirklichkeiten werden damit wie geschaffen? Ich glaube, es ist mehr letzteres, was die Qualitaet dieser Events ausmacht. Was ich wirklich spannend finde. [Anm.d.Red.: Die Verfasserin dieses Beitrags ist als Kulturanthropologin an der J.W. Goethe-Universitaet in Frankfurt am Main taetig.]