Einerseits haben die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm nur geringe praktische Konsequenzen [z.B. ein voruebergehender Zulauf fuer einige globalisierungskritische Gruppen]. Andererseits sind sie auf der symbolischen Ebene nicht unbedeutend. Es gab nur wenig Streitereien in der Vorbereitungsphase – eine Seltenheit unter den Linken; die moderaten und die staerker offensiven, zu Blockadeaktionen bereiten Gruppen haben sich nicht auseinanderdividieren lassen; die physische Abschirmung der Spitzenpolitiker hat die Exklusivitaet ihrer Zirkel bildstark vor Augen gefuehrt.
Zugleich aber lehrten die aus dem Schwarzen Block am 2. Juni erfolgten Uebergriffe, dass die >Gewaltfrage< in globalisierungskritischen Bewegungen nach wie vor virulent ist. Die Mehrheit der Demonstranten musste erfahren, dass einzelne Personen und Gruppen die Massenproteste als Kulisse und zugleich als Schutzschild nutzen, um nahezu risikolos ihre Radikalitaet als Form politischer Selbstdarstellung zu inszenieren. Gewaltdrohung und manifeste Gewalt bleiben ein Faszinosum. Insoweit kann der Schwarze Block auch in Zukunft mit hoher medialer Aufmerksamkeit rechnen. Er wird von den Medien und der sich weiter aufruestenden Polizei durchaus ernst genommen und kann sich nach der Formel >berichtenswert = wichtig< bestaetigt fuehlen. Nichts spricht dafuer, dass die Aktivisten des Schwarzen Blocks auf das an Gewalt gekoppelte Aufmerksamkeitskapital verzichten und sich auf die wenig spektakulaere politische Ueberzeugungsarbeit einlassen wollen. Der Preis, der qua Gewalt erzielten Aufmerksamkeit ist breite Ablehnung in der Bevoelkerung. Wie die negative Rueckwirkung des Schwarzen Blocks auf das Gesamtbild der Protestgruppen gemindert werden koennte? Wenn alle uebrigen Protestierenden sich raeumlich von diesem Block fernhielten und/oder in kritischen Situationen sich einfach auf den Boden setzten. Dann wuerde sofort deutlich, wer an Gewaltausuebung interessiert ist. Wichtig ist in langfristiger Perspektive nicht das Spektakel, sondern die beharrliche Aufklaerung darueber, wem die neoliberale Globalisierungsstrategie nuetzt und wem sie schadet. Globalisierungsprozesse sind kein Naturereignis, sondern gestaltbar. Sie haben sich an demokratischen, sozialen und oekologischen Standards auszurichten. Es faellt jedoch schwer, Globalisierungskritik auf hohem Intensitaetsniveau zu verstetigen. Bisher reagierte Globalisierungskritik ueberwiegend auf externe Anlaesse [z.B. Gipfeltreffen]. Denkbar sind auch in Zukunft proaktive, themenzentrierte Kampagnen [wie z.B. die Clean Clothes Campaign oder Jubilee 2000], in denen exemplarisch die Problematik der neoliberalen Globalisierung verdeutlicht wird. [Anm.d.Red: Der Autor ist Ko-Leiter der Forschungsgruppe Zivilgsellschaft, Citizenship und politische Mobilisierung in Europa am Wissenschaftszentrum Berlin fuer Sozialforschung].