Gewalt ist in Südafrika noch immer an der Tagesordnung – daran kann auch ein Besuch der Enkelin Mahatma Gandhis leider nichts ändern. Wie die Realität aussieht berichtet Anton Scholz.
Vor kurzem hat Ela Gandhi hier in Port Elizabeth einen Vortrag gehalten. Sie sprach über Gewalt als Mittel zum Protest in südafrikanischen Gemeinden. Als Verteidigerin von Gewaltfreiheit hat sie die zunehmende Gewaltbereitschaft auf der ganzen Welt natürlich strengstens verurteilt. Mit dem Konzept ihres Großvaters hat sie für mehr Frieden und Liebe auf der Welt, insbesondere im von Gewalt zerrütteten Südafrika, geworben.
Ihre Rede kam vor dem Hintergrund der Realität in Südafrika leider so deplatziert rüber, dass die anwesende Studentenvereinigung die Frage stellte, was ihnen bei ständig steigenden Lebensunterhaltskosten und nach all den friedlichen Versuchen, die Preise in der Cafeteria bezahlbar zu machen, denn noch übrig bliebe, abgesehen davon, das Gebäude abzubrennen. Ela Gandhis Antwort darauf: “There are a million ways.” Die Studentenecke brach in höhnisches Gelächter aus.
Frau Gandhi hat in ihrer Rede anerkannt, dass Gewaltfreiheit ohne soziale Gleichheit nicht möglich sei. Wie man soziale Gleichheit jedoch erreicht, hat sie offen gelassen. Die Autorität müsse Dinge nun endlich in Angriff nehmen. Sorry?! Gerade Gandhis Beispiel, oder das Beispiel Südafrikas von der Befreiung von der Apartheid, sind Beweise dafür, dass Verbesserungen im System immer von unten kommen und nicht von oben. Alles in allem also ein ziemlich deprimierender Vortrag.
Die Lösung von oben
Den Sonntag darauf war ich in der Kirche und es wurde gepredigt, dass man die gegenwärtigen Ungleichheiten und das gesellschaftliche Schicksal in Gottes Hände legen solle und sich alles verbessern wird, solange man bibeltreu lebt.
Der Vortrag und der Kirchenbesuch waren zwei schockierende Erlebnisse für mich mich. Die Verantwortung für die Lösung der Gewaltfrage wird nach oben geschoben; an die korrupte Politik oder an Gott. Südafrikaner werden von ihren Politikern aber allein gelassen und das Land scheint auch in Sachen Gewalt gottverlassen zu sein. Erst letztes Wochenende wurde eine Kommilitonin von mir vergewaltigt. In einem Land, in dem es die Vorstellung gibt, dass Aids durch Sex mit Jungfrauen geheilt werden könnte, kommt mir Obrigkeitsgehörigkeit und Gottestreue als Lösung von Gewalt fast wie Volksverhetzung vor. Außerdem scheint Gewalt als Form des Protests nicht unterschieden zu werden von alltäglicher Gewalt.
Falsche Blümchenwelt
Was meiner Kommilitonin passiert ist, finde ich schlimm. Dass vor vier Wochen eine Universitätscafeteria abgebrannt wurde, finde ich aufgrund der Verhältnisse nachvollziehbar. Ich denke, dass viel Gewalt verhindert werden könnte, wenn Gewalt in Form von Protest auch als solcher anerkannt werden würde. Erst dann kann angefangen werden, an den Brennpunkten sozialer Ungleichheit zu arbeiten, und damit wäre das Fundament für Gewaltfreiheit (wenn es so etwas überhaupt gibt) gelegt. Frieden und Liebe zu predigen ist sicherlich nobel, aber das kann schnell in eine realitätsferne Blümchenwelt abdriften, und dient dann nur noch zur Belustigung.
Krasser Artikel! Bringt denn Protest in anderer Form wirklich gar nichts? Alles mögliche abzufackeln kann doch keine Lösung sein…
Wie wäre es denn mit Aufklärung???
Super Artikel, Anton. Einer deiner besten!