Seine glatten schwarzen Haare sind gestriegelt, das rote Hemd steckt akkurat in der dunklen Anzughose. Wuerde der Neunjaehrige nicht auf der Buehne stehen, koennte man meinen, er ginge zu seiner Kommunion. Dann faengt er an, ins Mikro zu roehren und jeder Gedanke an die Kirche verfliegt.
Er singt >Fallin< von Alicia Keys mit soviel Hingabe, dass es fuer einen kurzen Moment scheint, als waere ihm selbst schon unzaehlige Male das Herz gebrochen worden, als haette er tatsaechlich schon jemanden so geliebt, wie das lyrische Ich dieser kunstvollen Soul-Nummer. Kurz Luftholen. Das war vor neun Jahren, am Anfang von David Archuletas Castingkarriere. Inzwischen ist er Finalist bei American Idol. Castingshows sind - soviel ist bekannt - genial. Es soll ja sogar so sein, dass mehr Leute bei American Idol abstimmen, als bei der US-amerikanischen Praesidentschaftswahl. Was ich an Castingshows nicht mag, ist, dass sie gefuehlte zehn Stunden dauern. Doch auch hier ist YouTube, wie in so vielen anderen Lebensbereichen, meine Rettung. Ich muss mir nur noch die Auftritte der Kandidaten anschauen [nicht die laestigen Vorabberichte und Jury-Einschaetzungen] und vor allem, kann ich mir die weltweiten Idol-Shows reinziehen und bleibe nicht bei Mark Medlock haengen. [Wie diese Karte zeigt, ist das Idol-Konzept inzwischen verbreiteter als die Demokratie].
Der letzte Gewinner des >Arabian Idol< hiess beispielsweise Marwan Ali. Sein Siegersong ist vielleicht etwas schnulzig, aber Marwan Ali hat einfach die schoensten Augen. Einen coolen Auftritt legt auch Oleg Karezin hin. Er ist der Gewinner von SuperStar KZ [das ist jetzt keine Geschmacklosigkeit, sondern der Name der Sendung in Kasachstan]. Oleg sieht auch ein bisschen wie ein Konfirmand aus, aber sein Konzept geht auf: Tiefe Stimme und tiefe ernste Blicke = schmelzende Maedchenherzen. Je tiefer man eindringt, desto mehr rares Castingshowmaterial faellt einem in die Haende [Bill Kaulitz bei Starsearch, Justin Timberlake als elfjaehriger Cowboy etc.]. Und die Suche geht weiter.