Sie summt einen Sommerhit. Ihre Tasche packt sie, nur weg, nur raus. Wie ein sanfter Traum rieseln Bilder vor ihrem inneren Auge entlang. Der Kater putzt sich, er macht komische Geraeusche. Sie muss laecheln. Sommer, Sonne, Aufbruch. Nach diesem Telefonat kann sie nicht anders, sie muss ihn sehen. Ihn. Alles. Mag der Alltag auch noch so grau sein. Sie zweifelt andauernd an sich und der Welt und dem Leben. Hoert sie diese Stimme, dann gibt es wieder einen Schimmer. Er weiss es nicht einmal. Das ist das Schoene, das ist das Schreckliche. Nun wird sie fahren. Einfach los.
Jetzt macht es ihr nichts mehr aus, sich zu blamieren. Es ist jetzt egal, Hauptsache, er erfaehrt es. Es ist nicht immer gut, dieses Gefuehl. Es dauert nur Sekunden an, doch das muss es sein. Das muss Glueck sein. Sie hat alles ueber das Glueck gelesen und gehoert und das Unglueck hat sie ausgekostet, bis aufs Letzte. Damit ist jetzt Schluss. Alle haben Unglueck. Dann muessen auch alle mal Glueck haben, wenigstens einen kurzen Moment lang. Sie weint zu oft. Sie ist zu still, auch wenn sie laut ist. Es ist immer still in ihr, nichts bewegt sich. Doch wenn sie seine Stimme hoert, dann vibriert sie innerlich.
Es ist ein schoenes Gefuehl, so aufgekratzt zu sein. >Ist das Liebe?< fragte sie sich. Ist es das? Das Wahre, das Echte, das Gute? Sie weiss es nicht. Ein paar Sonnenstrahlen fallen durch die Jalousie und machen ein angenehmes Muster auf ihre Bettdecke, auf ihren Rucksack, auf ihren Kater, auf ihr Gesicht. Alles scheint mit diesem gleissenden Licht zu verschmelzen. Alles. Ihr Innerstes. Sie atmet ein. Inhaliert. Die Luft ist auch voller Licht, das spuert sie bis in ihre Knochen. Bis in ihr Innerstes. Im Radio wispert Miles Davis. Ganz sacht. Voller Licht. Niemand ist je auf die Idee gekommen, Miles Davis zum Ritter zu schlagen. Er ist einer gewesen. Wenn er anruft, dann nur so. Ohne Grund. Wenn sie anruft, dann nur so, ohne Grund. Manchmal mitten in der Nacht. Ohne Grund. Es wundert ihn nicht. Dann sprechen sie. Und sie lachen. Es ist nicht gezwungen. Nie fuehlt es sich falsch an, mit ihm zu reden. Ihm zu sagen, was sie denkt und zu hoeren, was er denkt. Es geht dabei nicht um den Alltag, davon haben sie schon genug. Es geht um die Gesten des Lebens. Es passiert soviel, ohne dass sie einen Gedanken daran verschwendet. Wenn sie miteinander reden, dann ist es anders. Das gleissende Licht entschwindet langsam. Sie muss ihre Augen nicht mehr zusammenkneifen. Der Zug faehrt. Er faehrt bald und sie steht auf. Kuesst den Kater, streicht uebers Bett, wirft einen Blick auf die Photos und lacht. Sie ruft: >Tschues Mama!< und ist weg. Hunderte von Kilometern. Und sie summt einen Sommerhit: Der suesse Duft deiner Stimme bettet sich in mein Ohr / Und durchdringt mich / Bis auf die Knochen / Bis aufs Blut / Wird zu einem Fluestern / Es ist gut / Dich zu kennen / Zu wissen / Nicht zu verfehlen / Einmal nicht / Ein Duft / Schoener als das Leben / Klangvoller als die Nacht / In der tausend Sterne stehen / Deine Stimme.