Bis es Sommersprossen regnet

Heute verbindet man mit dem Namen Gerard Depardieu Filme wie >1492 – Die Eroberung des Paradieses< oder >Asterix & Obelix: Mission Kleopatra<. Kurz, Blockbuster-Kino, das Verwendung hat fuer einen vernarbten, leicht ungestaltigen Helden. Passend spielt Depardieu in >Babylon A.D.< einen Charakter namens Gorsky. Ein Mafiaboss aus Russland, kaputt, dekadent, vulgaer.

In einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, tuetet Gorsky die dreckigsten Deals ein, reist mit einer Limo durch Schlachtfelder. Ein echtes Schwein. Passend ist diese Rolle deshalb, weil sie wie eine Karikatur der Figuren wirkt, die Depardieu im Blockbuster spielt. Und haben diese Produktionen seinen Spielraum nicht auch entsprechend eingeschraenkt?

Gorsky ist Abfall. Vielleicht muss Depardieu diese Kleider einmal zwecks Reinigung tragen. Selbstironie zwecks Emanzipation. Man darf auf seine naechsten Rollen gespannt sein. Oder aber auf seine vergangenen blicken. So wie es juengst in einer Filmreihe im Arsenal moeglich war. Depardieu wurde darin als Kultstar gehuldigt, erst wenn man seine fruehen Filme kennenlernt, beginnt man das Phaenomen zu verstehen. Die Physis von Brando, die Leichtigkeit von Belmondo, die Schnoddrigkeit von Fassbinder und ein, besonders wenn er lacht, unvergleichliches Charaktergesicht. Diese singulaere Erscheinung kommt in >Les Valseuses<, einem Film von Bertrand Blier aus dem Jahr 1974, wohl am besten zur Geltung.

Ein Fruehling von Film. Ein Punk von Darsteller. Eine Besetzung fuer die Ewigkeit. Neben Depardieu Isabelle Huppert als minderjaehrige Sommersprossen-Extravaganza, Miou-Miou als Frau ohne Eigenschaften turns It-Girl, Jeanne Moreau als entlassene Gefaengnisinsassin, die es noch mal wissen will und last but not least: Patrick Dewaere. Verrueckt, delikat, genial. Ihm, Miou-Miou und Depardieu verhalf dieser Film zum Durchbruch. Ohne Geld, ohne Job, ohne Hemmungen – die Figuren, die sie darstellen, bringen den Wahnsinn wieder zurueck in die Welt. So wie wir den Wahnsinn brauchen, damit das Unrecht sichtbar wird und das Leben lebenswerter. Kein Tabu, kein Halt, immer unterwegs. Bis es Sommersprossen regnet.

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