Gedopte Utopie

Kann sich noch jemand an den Fall Baumann erinnern? Was ist eigentlich aus der Doping-Tradition in der DDR geworden? Und ist Ausnahmeathletin Marion Jones wirklich wegen moeglicher Verwicklungen von der Bildflaeche verschwunden? Das Panorama ist mittlerweile genauso unuebersichtlich wie die Hintergruende.

Was gestern war, kann die Hysterie um jeden neuen Fall, der heute Schlagzeilen macht, kaum zuegeln. Doch ist das Ganze nicht genauso laecherlich wie der Drogen- skandal um Kate Moss oder um Christoph Daum? Was ist schon dabei, nehmen heute nicht >alle< Drogen? Moral haelt die Gesellschaft zusammen. Auch Doppelmoral vermag das zu leisten. Nur muss sie als solche auch wirklich funktionieren.

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Je mehr vermeintlich Verbotenes ans Tageslicht kommt, desto staerker geraet das Feld des sichtbar Repraesentativen ins Wanken. Im Sport ist dieser Gleichgewichtsverlust besonders tragisch: Handelt es sich doch um den vielleicht einzigen gesellschaftlichen Bereich, in dem der Sieger allein aufgrund seiner Leistung ganz oben steht und nicht weil eine Gemenge- lage aus komplexen Macht- oder Interessensgeflechten dazu gefuehrt hat. Wer gewinnt den Literaturnobelpreis? Wer wird Praesident der USA? Wer zieht morgen bei Sony in der Chef- etage ein? Anders als in Kultur, Politik oder Wirtschaft, steht im Sport der an der Spitze, der es auch wirklich verdient hat.

Klar, es gibt im Sport >Sieger der Herzen< und so was wie Leistung muss gelegentlich neu definiert werden. Aber in einer Welt, in der Herrschaft, Hegemonie und Fuehrungsanspruch immer staerker unter Legitimationsdruck geraten, stellt Sport eine Oase der Gerechtigkeit dar. Freilich, diese latente Utopie steht nicht ueber der Gesellschaft: Sie kennt deren falsche Versprechen [man denke an die Vermarktung der Cinderella- Idee in Afrika] und sie stilisiert ihre Protagonisten als deren ureigenes Produkt [aus China kommen die besten Tischtennis- spieler]. Entscheidend: Doping deaktiviert diese Utopie nicht, wenn man die Regeln/Moral an einem zeitgemaessen Bild ausrichtet: dem posthumanen Koerper – eine gedopte Utopie.

2 Kommentare zu “Gedopte Utopie

  1. Guten Morgen,

    ich denke, dass wir, wie gesagt, davon ausgehen müssen, dass alle dopen (wie Rudolf Maresch am Sonntag im Logbuch schrieb) sowie alle Drogen nehmen. Doping und Drogen sind nicht eins. Aber man kann übersetzen, zumindest wenn es darum geht, das Menschenbild an der Wirklichkeit auszurichten. Wir sollten im Analogieschluss fragen: Was hatte die Kriminalisierung des Drogenkonsums für Folgen? Welche Argumente haben für eine Entkriminalisierung gesprochen? Nicht zuletzt war es die bessere, weil öffentliche Kontrolle der Mittel, ihrer Qualität, ihrer Preise, etc.

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